A Celebration – Life and Works 1980-2019: Dead Can Dance in Berlin

Dead Can Dance

16. Mai 2019

BERLIN, TEMPODROM

Während der später auch mit „Dead Can Dance“ auf der Bühne stehende David Kuckhermann den Abend mit eigenen Stücken – gespielt auf weniger gängigen Instrumenten wie Handpans (Blechklanginstrumente, welche mit der Hand gespielt werden) oder Tamburin (einer einfelligen Rahmentrommel mit Schellen) – musikalisch spannend einläutet, ist das Tempodrom-Zelt noch nicht vollends gefüllt. Doch als der letzte der drei Gongs – wie in der Oper – den pünktlichen Beginn des Konzerts von „Dead Can Dance“ ankündigt und jede Menge Instrumente auf ihren Einsatz warten, sind fast alle Sitzplätze belegt. Auf den Rängen und im „Parkett“ tummeln sich jede Menge Menschen – das Tempodrom ist ausverkauft. Von schönen, langhaarigen Goth-Frauen in eleganten Samtröcken über Männer in weich fließenden Aladdin-Hosen und bestickter Weste bis hin zu Alt-Wavern ist im Publikum alles vertreten. Da lasse ich gerne meinen Blick durch die Halle schweifen…

David Kuckhermann

Es wird dunkel, das Glockenspiel von „Anywhere out of the world“ ertönt. Nach und nach kommen sechs Musiker, dann Brendan Perry und zuletzt Lisa Gerrard auf die Bühne. Wie immer ist die Sängerin mit der göttlichen Stimme in weißem Ornat gekleidet. Anders als auf der vorhergehenden Tour ist ihr emotionaler Gesichtsausdruck zurück. Sie ist wieder die „alte Lisa“.

Zu den bemerkenswerten Dingen bei einem „Dead Can Dance“-Konzert gehört, dass nirgendwo ein Apfel glimmt oder ein anderes laptopähnliches Gerät herumsteht. Die Band beglückt die Anwesenden mit handgemachter Musik auf höchstem Niveau. Dafür sorgen auf dieser Tour mit dem vielsagenden Titel „A Celebration – Life and Works 1980-2019“ sechs leidenschaftliche Musiker, wovon zwei besonders in Erscheinung treten: ein virtuoser, hingebungsvoll agierender Herr mit langem Bart und einer ebenfalls tollen Stimme an den Percussions, mit dem Lisa öfters sehr freundlichen Blickkontakt hält und Astrid Williamson, die für Keyboard und einen großartigen Backgroundgesang zuständig ist. Aber auch die anderen Musiker sind hervorragende Multiinstrumentalisten und so kommt es häufiger zum Platztausch.

Ebenfalls positiv fällt die reduzierte Lichtshow und Projektion auf. Keine von der Musikkunst ablenkenden Bilder, die über die Leinwand zappeln, lediglich ein paar Lichteffekte glimmen auf und ab.

„Dead Can Dance“ spielen sich quer durch ihre Alben, es bleibt fast kein Wunschtitel offen – außer vielleicht „How fortunate the man with none“ und „Windfall“. Aber sonst ist alles dabei, sogar Überraschendes wie „Bylar“ und „Indoctrination“. Außerdem eine Cover-Version von „Delayaman“ („Autumn Sun“), das ich noch nicht kannte, mir aber sehr gut in der DCD-Interpretation gefällt. Von der neuen EP „Dionysus“ wird nur ein Stück gespielt.

Grandios ist Lisas Solomoment, als sie zunächst „The wind that shakes the barley“ singt und danach mein Lieblingsstück „Sanvean“. Wie sie bei diesem Stück die Töne formt, der Unterkiefer beim Singen vibriert … sie ist und bleibt unerreicht. Wohin jetzt mit meiner Gänsehaut, die mir flächendeckend an den Beinen hochkrabbelt? Daran denkt sie nicht, sondern badet erst in den Klängen und anschließend im gebührenden Applaus. Der ist nach jedem Stück frenetisch. Lisa genießt Berlin, lacht und strahlt, Brendan ist auf seine etwas verhaltene Art glücklich. Beide musizieren miteinander, nicht nebeneinander wie bei der letzten Tour. Sie blicken sich ab und zu an, geben sich Zeichen.

Nach zirka anderthalb Stunden Klangfaszination verlassen die Musiker die Bühne – werden aber problemlos wieder hervorapplaudiert. Brendan kommt zunächst allein zurück und präsentiert ein Cover von Tim Buckley („Song of the Siren“).

Es folgt eine zweite Zugabe – man merkt die Spielfreude von „Dead Can Dance“. Mit „Severance” als letztem Stück, stehenden Ovationen sowie einer gelungenen Wir-fassen-uns-alle-an-den-Händen-Abschiedsverneigung gehen „Dead Can Dance“ von der Bühne.

Was war das für ein grandioser Auftritt! Das spiegelt sich nach dem Konzert in den glückseligen Gesichtern der wartenden Besucher in der Toilettenschlange wider…

Fotos: Marcus Rietzsch

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