Dark Spring Festival 2016

Two Witches

26. März 2016

BERLIN, BINUU

Wir befinden uns im Jahre 2016 nach Christus. Die ganze Welt feiert Ostern… Die ganze Welt? Nein! Ein von unbeugsamen Gruftis besuchtes Festival hört nicht auf, Widerstand zu leisten.

Bereits zum siebten Mal stellten die Organisatoren des Dark Spring Festivals – die Berliner Gothic-Rock-Band „Golden Apes“ – ihr besonderes Gespür für eine gelungene Auswahl an bekannten und weniger bekannten, neuen wie alten Bands aus den Genres Post Punk, Dark Wave und Gothic Rock unter Beweis. So auch diesmal, wodurch der Abend wie im Flug verging. Es schien, als warteten wir eben noch bei angenehmen Temperaturen und frühlingshaftem Wetter auf Einlass und nun war es schon drei Uhr, während die beiden Schallplattenunterhalter Thomas Thyssen (Pagan Love Songs, Darkness & Light) und Marco Kirste (Icecave-Bunker Dresden, Afterhours) die verbliebenen Tanzwütigen schon eine Zeitlang mit rhythmischem Futter versorgten.

Doch zurück zum Anfang. Zur Freude der Anwesenden betrat die erste Band – „Salvation AMP“ aus Detmold – ohne viel Wartezeit die Bühne. Zwar hätte man den für den Gesang verantwortlichen Lautstärkeregler etwas höher stellen können, ansonsten stimmte aber einfach alles. Das  Publikum benötigte keine Anlaufzeit und ließ sich sofort auf die Musik ein. Das Schlagzeug dominierte mit einer dunklen Klangfarbe und versetzte die Körper in leichte Bewegungen. Kurz und knapp: einfach Klasse! „Salvation AMP“ begeisterte ohne Wenn und Aber. Ein Einstand nach Maß. Sicherlich hätte sich der Eine oder Andere über eine Zugabe gefreut, doch aufgrund des straffen Zeitplans war dies nicht möglich (wie auch bei den meisten der folgenden Auftritte). Und so ging es zügig weiter.

Salvation AMP

Die Umbaupause wurde genutzt, um ein Getränk zu fassen, ein Schwätzchen zu halten oder frische Luft zu schnappen, ehe vier brave Jungs – Stil: Schwiegermutters Liebling – auf die Bühne kamen. Turnschuhe, ordentlich gescheiteltes Haar. Der Sänger trug ein kariertes Hemd und Jeans mit umgeschlagenen Säumen. Dieses Unscheinbare erinnerte ein klein wenig an die großen „Joy Division“ und so waren wir äußerst gespannt, was da kommen mag. Eine sehnsuchtsvoll klingende Stimme, schwelgerische Gitarren, ein melodischer Bass. Mit sichtbarer Freude – ja, fast kindlicher Leidenschaft – und voller Vehemenz bearbeitete der Schlagzeuger seine Gerätschaften. Die melancholischen Stücke krochen unaufhaltsam in unsere Körper. „Brandenburg“ aus Moskau war DIE Entdeckung des Abends. Umwerfend und empfehlenswert. Prädikat: besonders wertvoll.

Brandenburg

Daraufhin begrüßte „Soviet Soviet“ aus Italien die Festivalbesucher. Das Klischee des besonders leidenschaftlichen Italieners erfüllte der Sänger, welcher auch den Bass spielte,  zu 100 Prozent. Tanzen, tänzeln, springen, sich biegen, herumschleudern – eine Ekstase, bei welcher gar der Stecker des Basses herausgerissen wurde. Was den Bewegungsdrang aber keineswegs eindämmen konnte. Und so ließen sich Zuhörer und Zuschauer weiter von der treibenden Rhythmik, verhallenden Gitarrenriffs und einem „scheppernden“ Bass mitreißen, bevor sich Bassist als auch Gitarrist zum Abschied auf die Knie begaben und ihren Instrumenten mittels diverser Effektgeräte experimentelle  Geräusche entlockten. Toll.

Soviet Soviet

Setlisten mit recht groß gedruckten Buchstaben wurden auf der Bühne verstreut. Es sollte wohl eine etwas „ältere“ Band folgen. Die Mannen von „Golden Apes“ nahmen ihre Positionen ein. Christian Lebrecht mit seinem Bass, verziert mit einem mächtigen roten Abbild eines Revolvers unübersehbar. Sänger Peer Lebrecht, noch abgewandt, wirkte  abwesend und beinahe schüchtern. Symbol und Halt zugleich Zigarette und Flasche. In  kurzen Gesangspausen hockte er auf dem Podest des Schlagzeugs – in sich ruhend. Als gäbe es nur ihn allein. Düster-melancholisch sind die Texte und die Musik. Und Peer bringt diese eindringlich mit seiner warmen sonoren Stimme herüber, wodurch die Zuhörer zwangsläufig in diesen faszinierenden Strudel voller Traurigkeit hineingezogen werden. Trotz aller Dunkelheit haben wir das Konzert genossen und unseren Bewegungsdrang ausgelebt.

Golden Apes

„Frank The Baptist“ (Frank Vollmann) hat in Berlin eine Wahlheimat gefunden. Und so war es für ihn – wie schon für die „Golden Apes“ – ein Heimspiel. Unverkennbar seine Stimme. Melodisch, variationsreich und temperamentvoll. Und irgendwie klangen die dargebotenen  Lieder optimistisch und schafften eine fröhliche Stimmung. Füße stampften, Köpfe nickten. Der Funke sprang sofort über. Alle waren ausgelassen: Musiker und Publikum. Gitarrist Ralf Hünefeld hatte allerdings Probleme. Nein, nicht mit seinem Instrument. Lang schlenkerten die lose gebundenen Schnürsenkel seiner Stiefel umher und hätten ihn beinahe zu Fall gebracht. Doch er konnte sie bändigten. Alles gut. Das Set war bombastisch und endete mit dem überaus eingängigen wie auch sehnsuchtsvollen „If I Speak“:

„One more lotus on the shore
And we may never sail again
Dream, dream, take me back again
After you there’s nothing left”

Frank The Baptist

Die Zufriedenheit hätte kaum noch gesteigert werden können. Aber da sollten ja noch „Two Witches“ aus Finnland kommen. Im Mittelpunkt stand Sänger Jyrki, dessen Schuhsohlen aus einer Art Flummi-Material zu bestehen schienen. Zumindest war dieser in seinem Bewegungsdrang kaum zu bremsen. Wiederholt riss er die Augen weit auf, suchte den persönlichen Blickkontakt zu einzelnen Besuchern und berichtete von seinen Erinnerungen an den viel zu lange zurückliegenden letzten Auftritt in der deutschen Hauptstadt. Mit der Leichtigkeit fliegender Finger wurden den beiden Gitarren perlende Töne entlockt. Und obwohl sich der Saal etwas geleert hatte, befand sich das verbliebene Publikum in toller Laune und nahm die Songs in sich auf. So endete auch der letzte Auftritt des Abends temperament- als auch stimmungsvoll.

Two Witches

Und anders als bei den Galliern in der adaptierten Einleitung dieses Festivalrückblicks musste zum Abschluss kein schrecklich singender Barde geknebelt werden. Vielmehr erfreuten sich die Verbliebenen an Stücken „aus der Konserve“ von beispielsweise Ulterior oder The Merry Thoughts.

So klang ein kleines, aber überaus feines Festival, das seinen Gästen namhafte wie unbekannte Perlen bescherte, langsam aus. Das „schwarze“ Osterfest war damit aber noch nicht beendet. Tags darauf sollten „The Devil & The Universe“, „Near Earth Orbit“ und „Merciful Nuns“ auf der Bühne des K17 stehen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Text: Edith Oxenbauer und Marcus Rietzsch
Fotos: Marcus Rietzsch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert