Die musikalische Leichtigkeit der 80er: Drangsal in Dresden

8. März 2019

DRESDEN, BEATPOL

Im Jahr 2017 hatte ich bereits das Vergnügen, die Dynamik und Leidenschaft von „Drangsal“ live erleben zu dürfen. Die unüberhörbaren Reminiszenzen an die 80er-Jahre und die Leichtigkeit, die den eingängigen Stücken des ersten Albums innewohnt, konnten beim Nocturnal-Culture-Night-Festival mehr als überzeugen. Doch ein Einzelkonzert steht zumeist unter anderen Vorzeichen. Weniger kompakt, dafür ein eigens auf diese Band eingestelltes Publikum. Zumal zwischenzeitlich ein zweites Album mit den Namen „Zores“ erschienen ist, dessen hauptsächlich deutschsprachigen Stücke beim Auftritt in Dresden den Großteil der Setlist ausmachten.

Schon bevor die ersten Klänge der nach einem Landauer Bestattungshaus benannten Band unter den Konzertbesuchern ein enormes Verlangen nach Bewegung auslösten, war die Stimmung überschwänglich. So hatten Max Gruber und seine vier Livemusiker leichtes Spiel. Das durchschnittlich sehr junge Publikum musste nicht überzeugt werden. Von Beginn an wurde getanzt, mitgesungen, im Takt geklatscht und jeder Song bejubelt und mit viel Applaus gewürdigt. Beeindruckt von der geradezu ekstatisch wirkenden Menge präsentierte sich Max Gruber bestens aufgelegt. Mit launigen Anekdoten und lockeren Sprüchen sorgte der redselige Sänger und Gitarrist wiederholt für hochgezogene Mundwinkel. Im sich schnell aufgeheizten Beatpol stellte der kreative Kopf hinter „Drangsal“ fest, dass das Tragen eines Anzugs eine schlechte Idee gewesen sei; für den dramaturgischen Effekt des Endkleidens im Laufe des Abends aber unerlässlich. Die ungemein begeisterungsfähigen Konzertbesucher gingen fortwährend bereitwillig auf die Aktion des Entblätterns ein und kreischten bei jedem Kleidungsstück, dessen sich entledigt wurde. Dem Wunsch eines Gastes, den ursprünglich nicht eingeplanten Titel „Moritzzwinger“ zu spielen, kam der 25jährige Wahlberliner spontan nach. Zumindest in Form eines kurzen Teasers. Wiederholt befand er sich in humorvoller Zwiesprache mit dem überschwänglichen Publikum. Euphorisiert wurde gar eine zaghafte, aber durchaus sehenswerte „Wall of death“, bei der zwei Menschengruppen aufeinander zu rennen, um anschließend gegeneinander zu prallen, initiiert.

Genregrenzen sind „Drangsal“ unbekannt, wie die Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Künstlern wie Casper und „Die Selektion“, mit denen gemeinsame Titel entstanden sind, sowie beispielsweise Peter Heppner („Wolfsheim“) und „Tokio Hotel“, deren Stücke neu abgemischt wurden. An jenem Abend hörte man nostalgische Anleihen an den New-Wave und Post-Punk der 80er-Jahre, aber auch des Deutsch-Pops der jüngeren Vergangenheit. Die u. a. an „Morrissey“ und „The Smith“ sowie „Die Ärzte“ erinnernden musikalischen Zitate kamen bestens an. In die grüblerischen, teils schlageresk wirkenden Texte, die den Nerv der jüngeren Generation zu treffen scheinen, wurde lauthals eingestimmt.

Wie beim für mich überraschenden und etwas befremdlichen Schlusspunkt des Konzerts, als die Band im Vergleich zu 2017 nicht mit der Eigeninterpretation eines Stücks von „Metallica“ für wohlwollendes Nicken sorgte, sondern mit dem Klaus-Lage-Hit „1001 Nacht“ die feierwütigen Konzertbesucher letztmalig zum vergnügten Mitsingen animierte.

Fotos: Marcus Rietzsch

Setlist

Jedem das Meine
Will ich nur Dich
Do the dominance
Sirenen
Magst du mich (oder magst du bloß noch dein altes Bild von mir)
Love me or leave me alone
Moritzzwinger (Snip)
Hinterkaifeck
Der Ingrimm
Und Du? Vol. II
ACME
Arche Gruber
Laufen lernen
Weiter nicht

Zugabe:
Eine Geschichte
Turmbau zu Babel
Allan align
1001 Nacht (Klaus-Lage-Cover)

Outro:
DJ Schwede – Ihre Bestellung bitte

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