Die Neue Hakeburg

go2knowEin nasskühler Morgen hing feucht zwischen blattlosen Zweigen, als wir durch einen Torbogen kommend auf die in der Gemeinde Kleinmachnow nahe Potsdam stehende Neue Hakeburg zustrebten. Eingebettet in einen verwilderten Park ergab sich eine neu-romantische Atmosphäre.

Ein weiteres Tor ließ uns auf den Burghof treten. Auf einer Seite entdeckten wir ein Nebengelass. Gegenüber führte eine kleine Freitreppe zum Eingang. Doch zunächst nutzten wir die Zeit, um die Hakeburg zu umrunden. Trutzige torlose Mauern „sichern“ die Rückseite. Stille lag über dem 62 Meter unterhalb liegenden Machnower See. Diverse kleine Reliefs – wie das einer Fledermaus oder eines Pelikanwesens mit Brüsten und Drachenflügeln – erfreuten uns, ehe wir wieder vor der Eingangstreppe ankamen und uns die von innen mit Sperrholzplatten und spitzige Schraubenenden (eine Sicherung gegen Fußtritte) gesicherte Tür Einlass gewährte.

Das große Foyer, welches uns empfing, wirkte beeindruckend hell. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss ließen wir vorerst unbeachtet und eroberten die nach oben führenden Treppenstufen bis wir unter hohem Dachgebälk standen. An jener Stelle weilt noch die Löschsandkiste aus dem Krieg. Einige der kleinen Fenster sind aufgrund sich direkt davor befindlicher senkrechter Balken (wahrscheinlich später eingebaut) nicht mehr zu öffnen. Eine mehr als unglückliche Lösung. Was mag sich der Planer dabei gedacht haben? Grübeln und Schulterzucken. Einige Räume zeigen noch den DDR-typischen Fußbodenbelag Debolon. In einem anderen Geschoss stoßen wir auf Bäder und Zimmer, deren Gestaltung eindeutig der Nachwendezeit zu verdanken sind.

Ursprünglich wurde die Hakeburg zum Wohnen konzipiert. Zwischenzeitliche Pläne hatten die Nutzung als Hotel mit Biergarten, Bettenhaus und Tiefgaragen zum Ziel. Dieses Vorhaben scheiterte. Mit großzügigen Ideen und Vorschlägen streben die aktuellen Besitzer den Umbau in Eigentumswohnungen an.

Ein Stockwerk tiefer fanden wir große Räume mit plastisch wirkenden Malereien: Säulen, Girlanden, Blumen. Ein festlicher Anblick. Anschließend rief ein Klavier Begeisterung hervor. Ließ sich doch gut erahnen, wie sich auf der extra dafür angelegten kleinen Parkettfläche so manches Tanzpaar einstmals sanft wiegte. Doch nun ist das Instrument verstummt. Vorbei die Zeit, in der weiche Pianomelodien den Raum erfüllten.

Das Foyer führte uns in einen großen Saal, in dem verloren zwei Sessel auf Ruhebedürftige warteten. Von dort aus gelangten wir in ein Kaminzimmer. Ja doch, so mag man wohnen. Auf einer Seite des Foyers befinden sich ein kleiner Durchgang mit hübschen Malereien an der Decke, eingelassenen Fayencen in den Wänden und eine metallbeschlagene Tür zum kleinen Treppenhaus. Das Metall scheint die Milchstraße und einige Sterne abzubilden. Plastisch heben sich die Ornamente ab. Ein Schatz. Nach Durchquerung eines länglichen Raumes betraten wir den sogenannten Wintergarten. Ein ehemals wohl sehr gemütlicher Ort. Der Blick fiel auf im Boden befindliche Löcher. Wofür mögen diese einst gedient haben. Es galt den Zweck herauszufinden!

Also: Ab in den Keller. Zunächst in den oberen Teil. Die Fenster sind größtenteils mit Brettern vernagelt. Vor einer kleinen lichten Lücke saß eine Puppe. Die derzeit wohl einzige Bewohnerin der Hakeburg. Ein dunkler Raum – offensichtlich unter dem Wintergarten. Die Erklärung für die Löcher im Boden war schnell gefunden: Hier stand früher eine Schankanlage. Ein kühles Blondes im Wintergarten. Das dürfte so manchen Gast erfreut haben.

Doch wir waren noch nicht ganz unten angelangt. Eine Treppe führte eine weitere Etage hinunter. Ohne die von go2know aufgestellten Strahler müsste man sich blind durch die Dunkelheit bewegen. An jener Stelle gab es auch keine vernagelten Fenster mehr. Seltsame Behälter, undefinierbare Rohrleitungen. Kälteaggregate, ehemalige Kühlräume und ein Raum, aus dem sich eine Flut kleiner Zettel (Kellner-Bons) ergoss. Einst war dieses Haus ebenso eine der beliebtesten Gaststätten weit und breit. Anschließend folgte ein dunkler Gang. Kein Strahler half, Sicherheit zu schaffen. Doch der Blick nach oben – traumhaft. Hoch oben funkelten wie Sterne kleine helle Punkte. Tageslicht! Eine Schachtabdeckung mit Löchern. Im Schein der Taschenlampe schälten sich in die Wand eingelassene Eisenkrammen aus dem Dunkel. Sprossen für den Aufstieg, den wir uns aber ersparten, schließlich kannten wir einen bequemeren Weg an die Oberfläche.

Dort erfuhren wir noch ein wenig Geschichte – ein Synonym für die überhaupt sehr stürmische Geschichte Deutschlands.

Die Alte Hakeburg, von der nur wenige Fundamentreste übrig sind, wurde um 1600 zur Sicherung des Übergangs über die Bäke errichtet. Aufgrund von Bombenschäden war das Gebäude nicht zu retten. Zuvor wurde in den Jahren 1906 bis 1908 in Sichtweite der alten Burg die größere Neue Hakeburg erbaut. Die Familie Hake musste das Anwesen an die Reichspost verkaufen. Von 1936 bis 1945 diente selbiges Reichspostminister Wilhelm Ohnesorge als Wohnsitz. Ebenso richtete man an jener Stelle die Reichspostforschungsanstalt ein.

Ein hoher Stacheldrahtzaun sicherte die geheime Forschungsanstalt. Das restliche Gelände wurde den Gemeindeprotesten zum Trotz mit einem sehr hohen Lattenzaun vor neugierigen Blicken geschützt. Ein Wachdienst schirmte das Gelände zusätzlich ab, um die militärischen Weiterentwicklungen im Bereich Nachrichten- und Fernsehtechnik – fernsehgestützte Raketensteuerung, Nachtjägerleitverfahren, Infrarot-Nachtsichtgeräte, Abhörtechniken, Ver- und Entschlüsselungen von Geheimcodes, Funkmessanlagen, Breitbandkabel und Entwicklungen für den Nurflügler – zu bewachen.

Hakeburg klingt so harmlos.

Als 1947 die SED das Gelände übernahm, blieben die Zäune erhalten. Die SED installierte eine Parteischule von hohem Rang.

1962 zog der Joliot-Curie-Club ein – und mit ihm eine gewisse Lockerheit. Berliner Intellektuelle trafen sich. Wolf Biermann und Manfred Krug boten aufmüpfige Lieder dar. Im Gästebuch fanden sich politisch unkorrekte Bemerkungen. So wurde der Club nach Berlin ausgesiedelt. Und die Hakeburg wurde Gästehaus, in dem unter anderem Nikita Chruschtschow und Yassir Arafat logierten. Aber auch Fidel Castro und Michail Gorbatschow. Sogar der legendäre Ché Guevara soll an diesem Ort beherbergt worden sein.

Erst nach der Wende wandelte sich die Hakeburg zum Hotel, dessen Betrieb jedoch insolvent ging. Und so warten die Gebäude seit 2012 auf eine neue Nutzung…

go2know ermöglicht die ausgiebige Erkundung verlassener Orte (Lost Places). Die Gebäude wurden vorher begutachtet und offensichtliche Gefahrenquellen abgesperrt. In den zugänglich gemachten Bereichen kann sich jeder Teilnehmer selbständig bewegen und fotografieren. Die Erkundung erfolgt mit Erlaubnis der Eigentümer und auf eigene Gefahr.

 
Text: Edith Oxenbauer und Marcus Rietzsch
Fotos: Marcus Rietzsch

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