Einzigartig: Der Jüdische Friedhof Hamburg Altona

jüdischer Friedhof Hamburg Altona

In der Königstraße im Hamburger Stadtteil Altona befindet sich einer der bedeutendsten jüdischen Gräberfelder der Welt. Fast zwei Hektar groß ist das Areal mit sehr altem Baumbestand und unzähligen Grabsteinen. Teilweise gut erhalten, oftmals auch nur noch Fragmente. Angelegt wurde der Friedhof im Jahre 1611. Geschlossen 1877. Hier liegen Mitglieder verschiedener Gemeinden (Altona, Hamburg und Wandsbeck), sephardische Juden der „Ladino“-Gemeinde (ursprünglich spanischer und portugiesischer Herkunft) und Aschkenasim (aus Mittel- und Osteuropa).

Im Jahr 1611 erwarben sephardische Juden das Gelände an der Königstraße. 1616 fand die erste Beerdigung auf dem nahe gelegenen Begräbnisgelände der Altonaer Jüdischen Gemeinde statt. Die notwendigen Erweiterungen des aschkenasischen Friedhofs führten dazu, dass dieser mit dem „Portugiesen-Friedhof“ zusammenwuchs. Die Schließung des Friedhofs wurde 1869 behördlich angeordnet. Die Begräbnisstätten aus dem Innenstadtbereich wurden zugunsten der Stadtrandfriedhöfe aufgelöst. Der Jüdische Friedhof Altona ist der älteste jüdische Friedhof im heutigen Hamburg. Unter Denkmalschutz steht er seit 1960.

An der Art der Bestattung kommt die unterschiedliche Kultur der Sepharden und der Aschkenasim zum Ausdruck: Hoch und eng stehen die Steine auf dem aschkenasischen Teil beieinander, mit blockigen hebräischen Schriftzeichen und ziemlich schmucklos. Die Sepharden legten mit Reliefs und anderen Abbildungen geschmückte Platten in den Boden. Oft sind nur portugiesische Inschriften vorhanden.

Nicht weit entfernt sprudelt das Leben von Altona. Doch hier – unter hohen Bäumen wandelnd, durch deren dichtes Laub die Sonne tanzende Lichtflecke auf die Steine und das Gras malt – befindet man sich in einem stillen Raum. Als gäbe es einen schützenden Vorhang. Die düsteren Steine, die zusammengehuscht in Reihen stehen, sind vertraut. Auch das immer wiederkehrende Motiv der Hände mit den gespreizten Fingern (Leonard Nimoy alias Commander Spock war Jude). Einzelne Grabsteine werden von Bäumen umwachsen. Ein Bienenkorb aus Stein gibt Rätsel auf. Der Sprachwissenschaftler Studemund-Halevy vermutet anhand geschichtlicher Daten, dass es sich um eine Reminiszenz an Napoleon handelt, der den „Bienenfleiss“ der Juden schätzte. Andere Steine stehen in Gruppen zusammen. Ihre unterschiedliche Größe erinnert an die Unterhaltung einer Familie. Zwischen den düsteren Reihen taucht ein kleines Wildkaninchen auf. Eine Etage höher späht ein Eichhörnchen durch die Zweige. Der ewige Tod und das ewige Leben.

Der Sephardim-Teil, also der Portugiesen-Friedhof, präsentiert sich im Vergleich zu vielen anderen jüdischen Friedhöfen vollkommen anders. Die großen liegenden Grabplatten sind oft mit steinernen Efeu-Ranken verziert. Auffällig häufig sind Totenkopfreliefs mit gekreuzten Knochen zu sehen. Ebenso geschmückt sind zeltähnliche Gebilde, wie Sarkophage mit spitzen „Dächern“. Und winzig kleine „Zelte“. Die Verzierungen sind vielfältig. Sogar ein Engel ist zu sehen. Ein geflügeltes Stundenglas. Mit verschieden gestalteten Flügeln: ein fledermausähnlicher Flügel und ein Flügel mit Federn. Offensichtlich haben die Flüchtlinge von der iberischen Halbinsel ein freieres Verhältnis zu den „schönen Dingen“ mitgebracht.

Text: Edith Oxenbauer (verfasst 2015)
Fotos: Marcus Rietzsch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert