Interpol: Live im Berliner Tempodrom

Interpol

25. November 2018

BERLIN, TEMPODROM

Bei unserer Ankunft hat sich der Vorplatz des Tempodroms schon gelichtet. Die Spitzen der spektakulären Dachkonstruktion, die an die Kathedrale von Brasília erinnert und der Form eines Zirkuszelts entlehnt ist, scheinen den Nachthimmel zu durchbrechen. Im Inneren stehen bereits Nilüfer Yanya und ihre Mitmusiker auf der Bühne und sorgen mit einer ausdrucksstarken Stimme und entspannten Klängen für einen angenehmen Auftakt des Abends.

Während der obligatorischen Umbaupause füllt sich die Halle zunehmend. Die Veranstaltung ist erwartungsgemäß ausverkauft. An diesem Abend findet eines von nur zwei Konzerten in Deutschland statt. 4000 Besucher sind in gespannter Erwartungshaltung, ehe die Musiker von Interpol schließlich die Bühne betreten. Überschwängliche Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. In den Texten über Sucht, innere Leere und Selbstmord liegt zuweilen viel Schwermut. Davon ist an jenem Abend jedoch wenig zu spüren. Es wird gejohlt und gesprungen. Arme in die Luft gestreckt. Der Funke der Ausgelassenheit springt bis auf die Ränge über. So manch Besucher erhebt sich von seinem Sitz, um beschwingt zu tanzen. Doch zwischen all den überschwänglichen Menschen, die Interpol feiern, sieht man ebenso einige enttäuschte Gesichter. Besucher, die darauf eingestellt waren, von tiefer Melancholie umhüllt zu werden und sich dieser bindungslos hingeben zu können. Doch die wehmutsvollen, ruhigeren Zwischentöne bleiben zumeist aus. War dies in der Vergangenheit nicht eine Stärke von Interpol? Schaut man sich im Rund des Tempodrom um, hat die Band aber alles richtig gemacht. Die Stimmung ist prächtig. Die Massen lassen sich von dem rockigen, nach vorne gerichteten Auftritt mitreißen. Das Konzert erinnert fast schon ein wenig an große Stadionrockveranstaltungen. Wer dies mag (und das scheinen nicht wenige zu sein), dürfte vlle Zufriedenheit verspüren. Tiefergehende Emotionalität, Schwermut, bedeutungsvolle Gefühle kommen jedoch kaum auf. Es werden keine melancholischen Bilder auf die innere Leinwand projiziert. Schade. Zumindest einzelne Songs hätte man in einem zurückhaltenderen Gewand präsentieren können. Der allgemeinen Stimmungslage hätte dies sicher nicht geschadet. Die Lightshow ist entsprechend. Über den Köpfen der mitunter in blaues Licht gehüllten Musiker schwebt eine Diskokugel, die helle Strahlen in alle Richtungen schickt. Leuchtstäbe und Strahler im Hintergrund produzieren Gegenlicht. Die Emotionalität und Intension der Stücke voller Weltschmerz und Einsamkeit scheint im Gitarrenspiel und Stroboskopgewitter unterzugehen. Aber ich entdecke auch einige Menschen, die mit geschlossenen Augen und in sich versunken tanzen. Vielleicht entsteht an diesem Abend bei vielen die interpolsche Melancholie allein im Geiste…

Setlist

Pioneer to the Falls
C’mere
If You Really Love Nothing
Public Pervert
Roland
Complications
Say Hello to the Angels
NYC
The Rover
Number 10
Rest My Chemistry
NYSMAW
All the Rage Back Home
The New
Flight of Fancy
Slow Hands

Zugabe:
Lights
Evil
Obstacle 1

Fotos: Marcus Rietzsch

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