Nizaket Sinanovska verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Nordmazedonien. Nach ihrer Ausbildung an der staatlichen Schule für angewandte Kunst in Skopje zog sie nach Berlin, wo sie ihren eigenen Malstil entwickelte. Ihre Kunst zeichnet sich durch die Verwendung einer speziellen Lasurtechnik mit Ölfarben aus, die ihren Gemälden eine besondere Transparenz und Leuchtkraft verleiht. Ihre Bilder sind flüchtige Andeutungen der Realität. Gegenstände und Landschaften entmaterialisieren sich in ihren Gemälden und erscheinen fast geisterhaft. Auf besondere Weise fängt Nizaket Sinanovska Licht und Schatten, die Dichte des Nebels, die Reflektionen des Wassers und das Flimmern von Feuer ein. Diese Elemente verleihen ihren Werken eine tiefe emotionale Atmosphäre, die den Betrachter in eine andere Welt entführt.
Im folgenden Interview gibt spricht Nizaket Sinanovska über ihre kreative Arbeit. Sie erzählt, wie ihre Affinität zu den Elementen Feuer und Wasser ihre Kunst beeinflussen und teilt ihre Gedanken zur Zukunft der Kunst in einer technologisierten Welt.
Dunkelheit und Feuer spielen in Ihrer Kunst eine wichtige Rolle, ebenso wie Nebel und Wasser. Woher kommt diese besondere Affinität zu diesen Elementen?
Ich bin albanischer Herkunft und in Skopje in der Republik Nordmazedonien aufgewachsen zu Zeiten des Kommunismus. Es waren sehr einfache Verhältnisse und es gab nicht viel, mit dem wir uns beschäftigen konnten. Alles war sehr trist. Was aber schön war, war die Natur, der Abend, das Wasser, der Nebel, die Gespräche mit meinem Großvater am abendlichen Lagerfeuer. Daher die Affinität zu diesen Elementen.
![Schwarz-Weiß-Porträt von Nizaket Sinanovska](http://t-arts.com/wp-content/uploads/2024/12/keti2.webp)
Sie nutzen eine Lasurtechnik mit Ölfarben, um Transparenz und Leuchtkraft zu erzeugen. Können Sie den kreativen Prozess hinter dieser Technik beschreiben?
Durch das schichtweise Auftragen dünner, transparenter und vieler Farbschichten für den Untergrund versuche ich eine Tiefe und Leuchtkraft in meinen Werken zu erzeugen. Dieser Prozess erfordert viel Zeit, da jede Schicht vollständig trocknen muss, bevor die nächste aufgetragen werden kann. Durch die Transparenz der Lasuren interagieren die Farben miteinander und erzeugen die atmosphärischen Übergänge in meinen Bildern.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrem Atelier aus? Haben Sie bestimmte Rituale oder Arbeitsweisen, die Ihnen helfen, kreativ zu bleiben?
Katzen füttern, einen Kaffee trinken, eine Zigarette rauchen und dann fange ich an.
Ihre Gemälde haben eine tiefe emotionale Atmosphäre. Welche Gefühle und Botschaften möchten Sie durch Ihre Kunst vermitteln?
Jeder sieht in einem Gemälde etwas anderes, jeder Mensch interpretiert es auf seine eigene individuelle Weise. Ich will daher nicht zu viel Botschaften und Bedeutungen meiner Gemälde sagen. Nur so viel, ein zentrales und immer wiederkehrendes Motiv in meiner Malerei ist das Licht, dass durch die Dunkelheit bricht und das Atmosphärische.
Wie wichtig ist es für Sie, die Vergangenheit, insbesondere Ihre Kindheitserinnerungen, in Ihrer Kunst lebendig zu halten?
Wenn ich ein Gemälde male, denke ich nicht bewusst direkt an meine Kindheit. Allerdings gibt es sicherlich unterbewusste Prozesse, die dazu führen, dass die Vergangenheit mit all seinen positiven und negativen Erlebnissen in meine Malerei mit einfließen. Fragmente meiner Vergangenheit sind damit immer Teil meiner Malerei.
Ihre Werke wurden in Tokio, Südkorea, Manchester und Berlin ausgestellt. Welche Unterschiede haben Sie in der Rezeption Ihrer Kunst in diesen verschiedenen Kulturen bemerkt?
Tatsächlich bemerke ich einen Unterschied in der Reaktion auf meine Gemälde. In Deutschland fristet die Landschaftsmalerei eher ein Nischendasein. Sie gilt als unzeitgemäß. Vor allem in England merke ich, dass man sehr positiv auf meine Malerei reagiert, was sicherlich auch mit Malern wie William Turner zu tun hat. Auch in Südkorea liebt man Landschaften. Die Menschen scheinen dort eine philosophische Verbindung zur Natur zu haben. Ich hoffe aber, dass auch in Deutschland Landschaftsmalerei wieder eine größere Bedeutung bekommt. Die Caspar David Friedrich Ausstellung in der Alten Nationalgalerie war nicht nur ein großer Erfolg, ich glaube, es war ein Wendepunkt für diese Art der Malerei.
Gibt es Künstlerinnen oder Künstler, die Sie als Ihre Vorbilder betrachten? Wie haben diese Ihre künstlerische Entwicklung beeinflusst?
Licht und Schatten sind ein zentrales Motiv in meinen Gemälden. Für mich gibt es drei Meister dieses Sujets: Caravaggio, Rembrandt und natürlich William Turner. Alle drei Maler haben mich inspiriert.
Wenn Sie irgendein Gemälde der Kunstgeschichte zum Leben erwecken und in dieses für eine kurze Zeit eintauchen könnten, welches wäre das und warum?
![William Turner: Schneesturm auf dem Meer](http://t-arts.com/wp-content/uploads/2024/12/schneesturm-turner.jpg)
Eine schwierige Frage. Es gibt zwei Gemälde, die mich schon immer fasziniert haben: Rembrandts Christus im Sturm auf dem See von Galiläa, das 1990 gestohlen wurde und William Turners Schneesturm auf dem Meer. Ich würde mich wahrscheinlich für das letztere entscheiden. William Turners Schneesturm auf dem Meer ist ein Gemälde, dass mich, als ich es das erste Mal gesehen habe, überwältig hat. Ein Schiff und seine Besatzung kämpfen in den tobenden Elementen ums Überleben. Wasser, Licht, Nebel und der Sturm – all dies formt eine fast magische Atmosphäre, die einen in den Mittelpunkt des Gemäldes geradezu magisch hineinziehen. Es ist wirklich ein Meisterwerk, das seiner Zeit weit voraus war.
Wie möchten Sie, dass Betrachter Ihre Werke erleben und interpretieren? Gibt es bestimmte Reaktionen oder Gedanken, die Sie gerne hervorrufen möchten?
Eigentlich nicht. Malerei ist ein intuitiver Prozess und das Kunstwerk entsteht in der individuellen Betrachtung. Jeder sieht und reagiert in seiner eigenen Art und Weise.
Können Sie sich an eine besonders denkwürdige Reaktion eines Betrachters auf eines Ihrer Werke erinnern? Wie hat diese Erfahrung Ihre Sicht auf Ihre eigene Kunst verändert?
Ja auf jeden Fall. Es gibt immer wieder Menschen, die mir erzählen, dass die Gemälde ihnen Hoffnung und Ruhe geben. Eine Psychologin erzählte mir, dass ein Gemälde von mir in ihrer Praxis hängt und eine Art Ruhepol im Raum ist. Ich fand diese Beschreibung sehr schön.
Was war die bisher größte Herausforderung in Ihrer künstlerischen Karriere und wie haben Sie diese gemeistert?
Definitiv die Entwicklung meines Malstils. Ich komme aus Mazedonien. Dort lernt man in der Kunstschule einen ganz bestimmten klassischen Malstil, der im gesamten postkommunistischen Raum gelehrt wurde. Diesen Malstil zu überwinden hat einige Zeit und Kraft gekostet.
Sie leben und arbeiten seit vielen Jahren in Berlin. Wie hat das Leben jenseits der Heimat Ihre künstlerische Perspektive und Ihre Werke beeinflusst?
Die Freiheit, die man in Berlin erlebt, hat mir sehr geholfen, mich frei in meinem Malstil zu entwickeln. Das wäre so in Mazedonien nicht möglich gewesen.
Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Wie glauben Sie, wird die Verbreitung von KI-generierter Kunst den Kunstmarkt verändern? Welche Herausforderungen und Möglichkeiten sehen Sie für traditionelle Künstler?
Es ist unfassbar, was man alles mit KI machen kann. Sicherlich werden KI-generierte Bilder den Kunstmarkt ändern. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass KI wirklich von Menschen geschaffene Kunst verdrängen kann. Kunst ist nicht nur das Werk selbst, es ist auch der Künstler, sein Leben und die Vorstellungen des Betrachters über das, was der Künstler mit seiner Kunst ausdrücken möchte. All diese Aspekte kann KI-generierte Kunst nicht bieten.
Während in der Welt der Kunst neue Technologien Einzug halten, findet Nizaket Sinanovska in der Schönheit der Natur Inspiration. Ihre atmosphärischen Werke laden dazu ein, innezuhalten und die stille Magie von Licht und Schatten, Feuer und Wasser zu erleben. Mit ihren Bildern schafft sie einen Raum für Reflexion und Entschleunigung.
Im Folgenden präsentieren wir einige ausgewählte Werke von Nizaket Sinanovska, die ihre bemerkenswerte Fähigkeit, Licht und Atmosphäre einzufangen, zeigen. Dies kann jedoch nur einen ersten Eindruck vermitteln. In der physischen Präsenz, in voller Größe und Detailtreue, kommt die Darstellung von Licht, Schatten, Feuer und Wasser noch intensiver zur Geltung. Sollte sich die Möglichkeit bieten, eine Ausstellung von Nizaket Sinanovska zu besuchen, sollte man sich diese nicht entgehen lassen.
» Website: www.sinanovska.com
» Instagram: sinanovska_berlin