Live in Heidelberg: New Model Army

11. Oktober 2015

HEIDELBERG, HALLE02

Fünfunddreisig Jahre liegen zwischen dem Tag der Bandgründung und dem Auftritt von „New Model Army“ in Heidelberg – dem allerersten in der weltbekannten Studentenstadt. Eine Zeitspanne, die so manchen einst rebellischen Musiker zahm werden ließ und in der sich so mancher Musikliebhaber von seinen einstigen Helden abgewendet und leicht verdaulicheren und allgemeingültigeren Klängen verschrieben hat. Doch dieser Umstand lässt sich bei „New Model Army“ nicht feststellen. Im Gegenteil: Frontmann Justin Sullivan präsentiert sich auch nach über drei Jahrzehnten kraftvoll und leidenschaftlich wie eh und je. Und ein Blick ins Publikum gleicht einem Ü35-Treffen. Musikalische Veteranen, die den Klängen der Jugendtage treu geblieben sind oder sie wieder neu für sich entdeckt haben. Und so viel sei verraten: Sie wurden nicht enttäuscht.

Doch bevor die nach Oliver Cromwells republikanischer Revolutionsarmee benannte Band aus England den Saal zum Kochen brachten, stellte Laura Carbone und ihre Musiker ihr Können unter Beweis. Bei Auftritten von Ikonen wird die Daseinsberechtigung der jeweiligen Vorgruppe von einigen Fans hin und wieder in Frage gestellt. Doch das Heidelberger Publikum war offen für neue Klänge und wurde dafür belohnt. Laura Carbone, die stellenweise etwas an PJ Harvey erinnerte, überzeugte mit einer gefühlvollen Mixtur aus Temperament und Melancholie. Der kurzweilige Auftritt – unterbrochen durch einen Feueralarm, bei dem die Halle kurzzeitig komplett geräumt werden musste – stimmte perfekt auf den Höhepunkt des Abends ein.

Nach der obligatorischen Umbaupause und einigen lautstarken Rufen betraten endlich „New Model Army“ die Bühne und stellten sofort unter Beweis, dass sie nichts von ihrer Wut abgelegt haben. Marshall Gill (Gitarre), Dean White (Keyboard/ Gitarre), Ceri Monger (Bass), Michael Dean (Schlagzeug) und natürlich Justin Sullivan (Gesang/Gitarre) boten ein perfektes und routiniertes Zusammenspiel. Routiniert? Sicherlich. Aber alles andere als leidenschaftslos. Im Gegenteil. Enthusiasmus und Freude waren unübersehbar. Laut und heftig trieb Schlagzeuger Michael Dean die Songs voran. Bass und Gitarren sind druckvoll und melodisch. Und die Stimme von Justin Sullivan stark und fesselnd. Faszinierend mit welcher Leidenschaft alte wie auch neue Texte vorgetragen wurden. Gänsehaut pur. Einige Momente gestalteten sich besonders intensiv. Beispielsweise als Ceri Monger seinen Bass abstellte und hinter zwei Trommeln Aufstellung nahm oder als Justin Sullivan einen Text ohne instrumentale Unterstützung rezitierte. „New Model Army“ können aus einem schier endlosen Repertoire, welches sich auf über ein Duzend Alben verteilt, schöpfen. Und so verging die Zeit wie im Flug. Und obwohl nach der (ersten) Zugabe bereits Konservenmusik aus den Boxen drang, ließen sich es „New Model Army“ nicht nehmen, nochmals auf die Bühne zurückzukehren, um die begeisterte Menge mit den Klängen des grandiosen Klassikers „I love the world“ (1989) in die Nacht zu verabschieden.

Text: Edith Oxenbauer und Marcus Rietzsch
Fotos: Marcus Rietzsch

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