Nocturnal Culture Night 2011

Merciful Nuns

2. - 4. September 2011

DEUTZEN, KULTURPARK

Freitag, der 02. September. Nachmittag. Am Eingang des Kulturparks in Deutzen, wo die mittlerweile sechste Auflage des Nocturnal-Culture-Night-Festivals stattfand, griffen wir uns als erstes ein Programmheft. Gespannt wurde geblättert… und die Befürchtungen bewahrheiteten sich. Die großartigen „DAF“ zeitgleich mit der überaus skurill-humorigen Lesung „Schementhemen“ (Myk Jung und Klaus Märkert). Oh je, immer diese Entscheidungen. Nun gut, diese Entscheidung hatte noch Zeit, stand doch beides erst am Sonntag an. Übrigens: die Auftritte der Bands fanden jeweils abwechselnd auf zwei Bühnen statt. So kam man hier in keine weiteren Entscheidungsnöte. Ein herrlicher und überaus willkommener Umstand.
Eigentlich handelt es sich ja um ein Herbst-Festival. Und die letzten Jahre haben dies auch „eindrucksvoll“ bestätigt. Von Sonnenschein über leichten Nieselregen bis starken Dauerregen war alles dabei. Mütze, Schal und ggf. Handschuhe, Lederklamotten und dicke Kapuzensweatshirts erwiesen sich insbesondere zu später Stunde, als gefühlte Minusgrade zumindest kälteempfindlichen Besuchern zusetzten, als hilfreich bis zwingend notwendig.

Und 2011? Die Sonne schien mit aller Macht und Kraft in die Amphitheater-Reihen und nicht wenige Gäste genossen den Schatten der zahlreiche Bäume und Sträucher. Auch ein Vorteil gegenüber anderen Festivals, die auf schier endlosen platten Flächen veranstaltet werden. Ein weiterer augenfälliger Unterschied: das NCN war so angenehm unbunt. In der überschaubaren Menschenmenge (schätzungsweise 1000 bis 1500 Besucher) dominierte eindeutig die augenfreundliche Farbe Schwarz. Gewisse Phänomene waren deutlich in der Minderheit und bestätigten lediglich die Ausnahme von der Regel. Einzig zwei alberne Kopfbedeckungen, zwei Knicklichter und ein Cyber-Locken-Kopf werden gesichtet.

Besucher vor der Hauptbühne

Am Samstag Nachmittag plötzlich: Stille. Ratloses Schauen, Lauschen, Warten. Dann die Suche nach dem Schuldigen. Hat jemand den Stecker gezogen? Nein, ein Trafo hat seinen Dienst eingestellt. Der Techniker war bereits unterwegs. Trotz der etwa zweistündigen Wartezeit brach keine Revolte aus. Man saß oder lag herum, schwatzte oder versorgte den Körper mit Energie. Übrigens: Die Bands bekamen dann auch alle noch ihre Spielzeiten.

Stromausfall

Ebenso gelassen wie die Besucher präsentierten sich die Sicherheitskräfte. Zurückhaltend, freundlich, unauffällig. Anlässe, durchzugreifen, gab es jedoch auch nicht.

Dieses Festival protzt nicht mit unzähligen „großen“ Namen. Und doch gab es zahlreiche Höhepunkte. Durchaus individuelle Höhepunkte, den das Programm umfasste neben diversen elektronischen Spielarten wie EBM und Synthie-Pop auch „handgemachte“ Musik. Ruhiges, Schräges, Metallisches jedoch auch Technoides war vertreten. So standen dann leider auch schon einmal Statisten auf der Bühne, die unübersehbar so taten, als würden sie ein Instrument bedienen („Shiv-R“).

Shiv-R: Instrument als kleidsames (?) Accessoire

Nun ja, auch die ganz Großen wie „And One“ haben in der Vergangenheit auf Statisten an den Reglern und Tasten zurückgegriffen. Auf dieses Hitparadengefühl lässt sich aber ganz gut verzichten. Andere Musiker, welche an diesem Festival-Wochenende deutlich in der Überzahl zu scheinen waren, zeigten auf der Bühne hingegen große Leidenschaft und Freude. So wie Darrin Huss von „Psyche“. Ohne Pomp und Kostümierung riss er das Publikum mit. Verpackung ist eben nicht alles – auf den Inhalt kommt es an.

Auch „DAF“ – die Entscheidung für diesen Auftritt war aufgrund der nicht stattfindenden Lesung letztendlich ganz leicht – benötigen nicht viel. Wahrscheinlich nicht einmal ein williges Publikum, doch von Nachteil ist dies sicherlich nicht, schien es an diesem Tag die Laune der beiden Protagonisten auf der Bühne doch ungemein zu steigern. Gabi Delgado-López hetzte temperamentvoll herum; ausdrucksstarke Gestik und Mineralwasserduschen waren die einzigen „Show“-Einlagen. Das Publikum ging mit Feuereifer mit. Eine Art gegenseitiges Aufstacheln…

DAF

Augenfällig: zumindest an diesem Wochenende war die Fraktion jenseits des vollendeten 30. Lebensjahres deutlich in der Überzahl. Ein Zeichen dafür, dass die alternativ-schwarze Subkultur erwachsen geworden ist? Die Anwesenheit zahlreicher Kinder unterschiedlichen Alters (vernünftigerweise mit Gehörschutz ausgestattet) zeugte aber von einer engagierten Nachwuchsförderung.

Sonntag Abend, das letzte Konzert. „VNV Nation“. Eingerahmt von zwei Herren hinter den Tasten und Knöpfen bearbeitete Mark Jackson mit Verve seine Drums. Davor ein überaus agiler Ronan Harris –offensichtlich in Höchstform. Er bewegte sich ohne Unterlass über die Bühne und brummelte anfänglich wegen des „fucking micro“. Unter tosendem Applaus stellte er fest, dass er über Gefühle etc. singt und „VNV Nation“ keinen Text mit den Worten „F*** mich“ haben, wo die Qualität des Mikrofons eher unwichtig ist. Ronan suchte und fand den persönlichen Kontakt zu den Zuhörern und warf weitere launige Aussagen ein. Begeisterung ohne Ende. Vor und auf der Bühne, von der das Publikum die vier Musiker nicht gehen lassen wollte. Und auch Ronan Harris selbst wollte nicht gehen. Der sympathische Sänger bat dann auch darum, ihm das Mirko wegzunehmen. Doch er holte es sich wieder. Letztendlich gestand er ein, dass keine weiteren Titel vorbereitet wurden. So wiederholte man ein neues Stück – „Control“ – welches überdies kostenlos im Internet erhältlich ist. Einfach toll.

VNV Nation

Drei sehr schöne abwechselungsreiche Festivaltage zum kleinen Preis (40 Euro). Dazu Ansagen, die frisch, natürlich und nett durchs Mikrofon kamen. Ein Rahmenprogramm mit Lesungen und Modenschauen, Party (Patrick Codenys von „Front 242“ hat unsere Sympathien mit den ersten drei gespielten Titeln von „DAF“, „Nitzer Ebb“ und „Die Krupps“ gewonnen) und kleinem Mittelaltermarkt inklusive leckerer heißer Schokolade. Dazu das Park-Ambiente. Was will man mehr?!

Jedenfalls ist die Unterkunft für nächstes Jahr bereits gebucht. Die ersten bestätigten Bands versprechen schon jetzt ein tolles Programm. So freuen wir uns auf „Peter Hook & The Light“, dem Bassisten der legendären „Joy Division“, der die Titel dieser prägenden Band live wiederbelebt – auch wenn Peter Hook kein begnadeter Sänger ist. Großartig dürften auch die Auftritte von „Clan Of Xymox“, „Nosferatu“ und „The Beauty Of Gemina“ werden. Der neuartigen elektronischen Musik wird ebenfalls Platz eingeräumt: „Angelspit“, „Eisenfunk“ und „Rummelsnuff“ sind die weiteren zu diesem frühen Zeitpunkt angekündigten Bands. Karten gibt es übrigens bereits ab Ende September…

Text: Edith Oxenbauer & Marcus Rietzsch

Fotos: Marcus Rietzsch

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