Nocturnal Culture Night 2012

7. bis 9. September 2012

DEUTZEN, KULTURPARK

Sonntag, 9. September, kurz nach 22 Uhr. Das Nocturnal-Culture-Night-Festival ist Geschichte. Vor wenigen Minuten standen noch die drei Skandinavier der Band „S.P.O.C.K.“ auf der Bühne, anschließend gab es Danksagungen von bzw. an die Veranstalter, Mitwirkende und Helfer. Wir blicken uns um und entdecken fast nur strahlende und zufriedene Gesichter. Was macht die Faszination dieses Festivals aus? Ist es das Gespür der Veranstalter für die richtige Mischung bei der Auswahl der auftretenden Musiker? Oder mag die von vielen Besuchern als „familiär“ beschriebene Stimmung verantwortlich sein? Oder das recht unbunte Auftreten der Gäste, bei dem einem nur äußerst selten die Begriffe „Sehen und Gesehen werden“ in den Sinn kommen? Oder der Umstand, dass das Geschehen auf der Hauptbühne aufgrund der leicht ansteigenden Ränge des Zuschauerraums von jedem Besucher gut verfolgt werden kann? Oder die Tatsache, dass die Spielzeiten der Bands auf der kleinen und großen Bühne so geplant werden, dass es zu keinen Überschneidungen kommt? Oder sind es die Kleinigkeiten, wie der leckere Kakao und das schmackhafte Eis auf dem kleinen Mittelaltermarkt, die den Festivalgenuss perfektionieren? Oder auch ganz allgemein die entspannte Atmosphäre, wenn man in der Nähe der kleinen Bühne auf einem Steinmäuerchen sitzend, die Holzbänke belagernd oder auch im Gras liegend ein Konzert genießen konnte? Ausschlaggebend dürfte wohl die Mixtur aus allen genannten Gegebenheiten sein. Wie natürlich nicht zuletzt das ähnlich zu 2011 auch in diesem Jahr hervorragende Wetter. Schon bei der Ankunft am Freitag Nachmittag strahlte die Sonne vom blauen Himmel herab. Dies sollte sich auch in den nächsten Tagen kaum ändern. So waren die Schattenplätze auf dem angenehm überschaubaren Gelände des Kulturparks in Deutzen recht begehrt. Der Blick in das kleine, mit 80 Seiten recht umfangreiche Programmheft informierte ausführlich über alle auftretenden Künstler und deren Auftrittszeiten. Vertraute Gesichter inklusive Wiedersehensfreude ließen schnell ein „Zuhause-Gefühl“ entstehen. Auch der Ausfall zweier Bands („Conjure One“ saßen wegen des Lufthansastreiks in den USA fest, „Widukind“ mussten krankheitsbedingt absagen) konnte der sehr guten Stimmung nichts anhaben. Pausen entstanden dadurch nicht und die Veranstalter sorgten mit „Sono“ kurzfristig für durchaus gleichwertigen Ersatz.

Unbestritten ein, wenn nicht sogar DER Höhepunkt des dreitätigen Festivals dürfte der Auftritt von „Peter Hook & The Light“ gewesen sein. Die Band des Gründungsmitglieds der legendären „Joy Division“ präsentierte einen reichhaltigen Querschnitt aus deren kurzen Schaffenszeit. Auch über drei Jahrzehnte nach dem Freitod von Joy-Division-Sänger Ian Curtis strahlen die einzelnen Titel eine unglaubliche Tiefe und Emotionalität aus. Gänsehaut inklusive. Mehrmals lief uns ein wohliger Schauer über den Rücken. Viele verbinden mit Stücken wie „Love Will Tear Us Apart“, „Transmission“ oder „Shadowplay“ persönliche Erlebnisse und Erinnerungen. Einzigartige Klänge und eine besondere Atmosphäre, die wir wohlwollend und dankbar aufsaugen.

Für viele ebenso faszinierend wie intensiv dürfte der Auftritt der Punk-Wave-Urgesteine von „Fliehende Stürme“, bei dem sich wohl so mancher ältere Zuhörer in seine Jugend zurück versetzt fühlte und sich an wilde Zeiten und ausgelassene Konzerte erinnerte. Was wohl unweigerlich ein nicht unerhebliches Kribbeln in den Beinen verursacht haben dürfte.

Und damit nicht genug. Es gab weitere Gelegenheit sich an „ursprünglichen“ alternativ-schwarzen Klangmelodien zu erfreuen. Das NCN präsentierte traditionell einige ganz besondere Sahnestücke. Bands, die teilweise schon 20 Jahre musizieren und (wieder) auf der Bühne stehen. Beispielsweise „Age of Heaven“, die vor über zwei Jahrzehnten das erste Wave-Gotik-Treffen eröffneten und seit kurzem wieder aktiv sind oder „Hekate“ – eine Formation, die für ruhige, handgemachte und facettenreiche Musik steht. Oder „Clan Of Xymox“, bei denen sich die Besucherscharen vor der kleinen Bühne drängten und die u.a. mit einer Interpretation des Shocking-Blue-Titels „Venus“ (vielen wohl in der Version von Bananarama bekannt) überraschten. Ebenso grandios der Auftritt von „The Beauty Of Gemina“, die erzählten, dass deren einheimische Radiosender der Meinung sind, ihre Musik sei schlecht für das Schweizer Volk – uns bekamen die intensiven, dunklen Stücke jedenfalls ausgesprochen gut. Und nicht zu vergessen „Pink Turns Blue“, die es einfach verstehen, eindringliche Melodien zu kreieren, die in die Beine gehen und die man gleichzeitig so schön „in sich kriechen“ lassen kann.

The Beauty Of Gemina
The Beauty Of Gemina
Pink Turns Blue
Pink Turns Blue

Bei so viel herausragend guter Musik lässt man sich auch gerne auf ein Experiment ein. So räumten die bereits erwähnten „S.P.O.C.K.“ mit ihrer unglaublichen Spielfreude und dem Enthusiasmus der Fans, die nach Aufforderung der Band auch kurzzeitig die Bühne entern durften (wohl die erste und einzige Aktion des Wochenendes, bei welcher der Herzschlag der Sicherheitskräfte etwas anstieg), latente Vorurteile weg. Ein für uns überraschend guter Ausklang.

Selbstverständlich war dies nicht die einzige Band, die sich der elektronischen Klangerzeugung verschrieben hatte. Doch bei stilistisch eher dem Techno zuzuordnenden Bands waren wir uns einig: Hier sollte unsere Experimentierfreudigkeit schon im Vorfeld im Keim erstickt werden.

Gespalten war hingegen unsere Meinung, was die Auftritte von „Tying Tiffany“ (Electroclash) und „Angelspit“ (Electropunk) anging. Wem schreiende Frauen einen unangenehmen, kalten Schauer über den Rücken laufen lässt, konnte diesen Bands wohl nichts abgewinnen*. Andere** erfreuten sich allerdings an der Energie, die diese beiden Gruppen transportierten.

Tying Tiffany
Tying Tiffany
Angelspit
Angelspit

Ruhigere Töne, gesprochene Worte, ausdrucksstarke Tänze und präsentierte Kleidung bildeten ein gelungenes Rahmenprogramm auf der so genannten Kulturbühne. Beispielsweise die überaus sehenswerte Modenschau von „Schnuermotte“. Die vorgestellte Kleidung ist durchaus für jedermann ohne selbstdarstellerische faschingstaugliche Auswüchse tragbar. Lesungen haben wir diesmal verpasst, da uns Konzerte anderenorts bannten. Doch ist das kulturelle Angebot sehr begrüßenswert. Leider fand die angekündigte Ausstellung nicht statt. Der Mittelaltermarkt bot neben traditionellem Handwerk – und natürlich dem obligatorischen Speis und Trank – auch diverse unterhaltsame Einlagen, wie orientalischer Tanz, Feuerschau und spaßige Zaubereien. Und rustikale Mittelalterbands boten handgemachte Musik und agierten witzig mit dem schwarz-bunt-gemischten Publikum.

Schnürmotte
Schnürmotte

Das NCN Nummer 8 im September 2013 ist bereits jetzt fest eingeplant…

Text: Edith Oxenbauer (*) & Marcus Rietzsch (**)

Fotos: Marcus Rietzsch

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