Live in Berlin: The Crüxshadows + Ayria + The Exploding Boy

21. Dezember 2009

BERLIN, K17

Kurz vor dem sogenannten „Fest der Liebe“ bzw. der „größten Geburtstagsfeier der Welt“ ist es schwer bis unmöglich, sich der allgemeinen Dauerbeschallung durch diverse Weihnachtslieder zu entziehen – sofern man die eigenen vier Wänden nicht zu einem Gefängnis ohne Radio- und Fernsehanschluss umfunktioniert. So war es am 21. Dezember eine willkommene Abwechslung, ein Konzert besuchen zu können, welches nicht im Verdacht stand, Weihnachtsstimmung verbreiten zu wollen.

Der internationale Abend, an welchem drei Bands aus drei unterschiedlichen Ländern auf dem Plan standen, wurde von „The Exploding Boy“ aus Schweden eröffneten. Manche Vorgruppe muss man leider als hinnehmbares Übel abhaken. Glücklicherweise nicht in diesem Fall. Ganz im Gegenteil: Die vier Skandinavier, welche sich auf ihre Wurzeln besannen ohne angestaubt zu klingen oder zu wirken, überzeugten ohne wenn und aber. Die Songs transportierten die Stimmung der End-70er- bzw. der 80er-Jahre, als Namen wie „Joy Division“, „The Cure“ und „Siouxie and the Banshees“ für Abwechslung innerhalb einer etwas anachronistischen Musiklandschaft sorgten. Ein äußerlich unspektakulärer Auftritt – musikalisch aber ohne Abstriche authentisch und erfrischend. Mehr Bands mit solch ausgeprägten songwriterischen Qualitäten sind sicherlich wünschenswert. Einziger Wermutstropfen war der teils durchwachsene Sound. Insbesondere das Mikro von Frontmann Johan bereitete Schwierigkeiten.

Nach kurzer Umbaupause betrat Jennifer Parkin mit ihrem Electro-Projekt „Ayria“, das laut eigener Aussage von den kalten und strengen kanadischen Wintern beeinflusst wurde, die Bühne. Nur unterstützt von Jeff Mielitz am Synthesizer bzw. Laptop stand sie ganz im Mittelpunkt. Wobei diese Formulierung nicht ganz korrekt ist: die Kanadierin stand die wenigste Zeit still, sondern nutze den zur Verfügung stehenden Platz aus, um sich zu bewegen. Treibende Beats und eingängige Sounds sprangen auch auf einige Besucher über, welche zur Freude der sich auf ihrer offiziellen Myspaceseite selbst als Electro-Industrial-Diva bezeichnende Musikerin ebenfalls tanzten. Die elektronische Musik wurde zwar nicht neu erfunden, aber mit dem glücklicherweise alles andere als divenhafte Auftritt hat „Ayria“ vielleicht ein paar Anwesende neugierig auf mehr gemacht. Insbesondere der letzte Song „My Revenge On The World“ hatte das gewisse Etwas.

Auch als die aus Florida stammenden „The Crüxshadows“ ins Rampenlicht traten, war im Konzertraum des K17 noch Platz frei. Dies sei sicherlich nicht zuletzt dem beispiellosen Umstand geschuldet, dass die US-Amerikaner in den vergangenen 10 Jahren mindestens einmal jährlich deutschen Boden betreten haben. Nichtsdestotrotz sorgten „The Crüxshadows“ – musikalisch zwischen Rock, Pop, Wave und Electro angesiedelt – für eine hervorragende Stimmung. Allen voran Sänger Rogue, der sich gewohnt publikumsnah präsentierte und sich während des ersten Songs schon fast traditionell durch die Besucherreihen den Weg zur Bühne bahnte. Hautnaher geht es kaum. Und dies sollte nicht der letzte Ausflug bleiben. Immer wieder stieg der konzentriert wirkende Frontmann von der scheinbar randvollen Bühne herab, um „ein Bad in der Menge“ zu nehmen. Wer aber dachte, dass ein Geiger, eine Geigerin, eine Gitarristin, eine Dame an den Tasten und Knöpfen und dazu noch zwei Tänzerinnen/Backgroundsängerinnen den Platz komplett ausgefüllt hätten, wurde am Ende des Konzerts eines besseren belehrt. Dazu später aber mehr. Sänger Rogue konnte nicht nur durch Publikumsnähe oder Kletteraktion – ein seitlicher Bühnenträger wurde kurzerhand erklommen – punkten, sondern auch durch seine guten Deutschkenntnisse. Er erzählte stolz von den aktuell sehr hohen Chartplatzierung – noch „vor Lady Gaga“ – und der Gründung eines eigenen Plattenlabels. Etwas fragwürdig waren hingegen die in meinen Augen deplaziert und zumindest stellenweise unbeholfen wirkenden Tanzdarbietungen. Transportierten bzw. unterstützten diese doch leider nicht die Stimmung der Musik, sondern glichen sie mehr ungeschickten Turnübung. Die Kleidung der beiden Tänzerinnen – enges rosafarbenes Oberteil, schwarze Hotpants, plüschige Beinstulpen – begünstigte diesen unvorteilhaften Eindruck bedauerlicherweise noch. Ob es sich hierbei aber vielleicht um eine satirische Darstellung des amerikanischen Lebensstils handelt sollte? Zum letzten Lied bat Rogue nicht nur Jennifer Parkin von „Ayria“ zum gemeinsamen Duett auf die Bühne, sondern auch noch zahlreiche Besucher, welche diese Einladung dankend und freudestrahlend annahmen. Ein großartiger Abschluss für einen gelungenen Vorweihnachtsabend.

Fotos: Marcus Rietzsch

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