The Wave 2018

Ash Code

24. + 25. August 2018

REGENSBURG, ALTE MÄLZEREI/RUNTINGERSAAL/MISCHWERK

Spätestens als sich „Sigue Sigue Sputnik electronic“ als perfekte Anstifter einer ausgelassenen Feier zu erkennen gaben und zuvor die allgemeine Stimmung auch durch die Unterbrechung des Auftritts des italienischen Trios „Ash Code“ durch einen Fehlalarm keinen Schaden nahm, entspannten sich die Gesichtszüge der Veranstalter der zweiten Auflage des kleinen aber sehr feinen TheWave-Festivals.

Freitag: Alte Mälzerei

Aber von Beginn an: Der erste Abend der zweitägigen Veranstaltung erfuhr eine langsame, aber stete Steigerung. Die vier Bands hätten kaum unterschiedlicher sein können. Mit „Tinitus“ (Harsh Electro / Aggrotech), „Scherbentanz“ (Neue Deutsche Härte), „Diamond Dogs“ (Gipsy / Rockabilly) und „Frank The Baptist“ aus Berlin (Alternative Rock / Post Punk) gestaltete sich Teil 1 des Festivals abwechslungsreich. Die drei regionalen Gruppen, welche den Auftakt bildeten, sorgten für Aufmerksamkeit und brachten den einen oder anderen Gast zum Tanzen. Doch der unbestrittene Höhepunkt folgte zum Schluss: Die unverkennbare Stimme von Sänger und Gitarrist Frank Vollmann und die überaus eingängigen und melodischen Stücke sind Garanten für eine ausgelassene Stimmung. Allen voran „Falling stars“ und selbstverständlich das sehnsuchtsvolle „If I speak“. Die gesungenen Worte fanden ohne Umwege in die Gehörgänge. Aber auch die im einzigartigen Frank-The-Baptist-Stil vorgetragene Coverversion von „Die die my darling“ – im Original von den „Misfits“ – ließ aufhorchen.

Samstag: Runtingersaal

Der folgende Tag startete schon zur Mittagszeit mit einer Matinée von „Diodati“, die im letzten Jahr das Abendprogramm eröffnen durften. Im historischen Runtingersaal bekamen die Gäste von Sprecher/Sänger Gwydion Enbarr, Dr. Wonka (Klavier, Synthesizer), Svyati (Cello) und AjNa (Klavier) eine neoklassische „Traumreise“ in zwei Teilen – Nacht- und Tagträume – geboten. Nun muss ich gestehen, nicht ansatzweise ein Experte für Klassik bzw. Neoklassik zu sein. Trotzdem nahm ich die Einladung, sich auf diese Reise zu begeben, gerne an.
Der erste Abschnitt beinhaltete die Reise eines Träumenden an sagenhafte Orte, die damit verbundenen geheimnisvollen Begegnungen und das Aufeinandertreffen eines Löwen und eines Mädchens. Gwydion Enbarr fungierte in diesem Teil weniger als Sänger den als Sprecher. Die gesprochenen Worte kamen bei mir jedoch nur bruchstückhaft an, so intensiv empfand ich das Zusammenspiel zwischen Cello, Klavier und Synthesizer.
Im zweiten Abschnitt wurde u. a. Edvard Griengs „An der Wiege“ mit Christian Morgensterns Text „Traumliedchen“ präsentiert.

„Träum, Kindlein, träum,
im Garten stehn zwei Bäum‘.
Der eine, der trägt Sternlein,
der andre Mondenhörnlein!“

Ein interessanter Start in den zweiten Festivaltag.

Samstag: Mischwerk

„MarrowVoltage“ durften – neu gegründet – im vergangenen Jahr das Festival eröffnen. Diesmal starteten das Duo aus Regensburg den musikalischen Teil des zweiten Abends. Und wie! Von 0 auf 100. Die Beobachtung, wie die Klanglandschaften der einzelnen Stücke per Loopstation und Synthesizer langsam entstanden, war faszinierend. Der spannungsreichen Melange aus synthetischen Rhythmen und Tönen und experimentellem Cellospiel konnte man sich nur schwer entziehen.

Anschließend zog Sängerin Emese Arvai-Illes von „Black Nail Cabaret“ die Blicke auf sich. Mit einer angenehmen Stimme, großer Ausstrahlung und Bühnenpräsenz ausgestattet trug sie hingebungsvoll die Texte der dunklen Pop-Songs des aus Ungarn stammenden und mittlerweile in England beheimateten Duos vor. Im Hintergrund erzeugte Krisztian Arvai sanfte wie treibende Synthie-Flächen und tanzbare Beats, die zu einer perfekten Einheit verschmolzen. Visuell wie klanglich ein mehr als überzeugender Auftritt, ehe das Konzert der bereits erwähnten „Ash Code“ für einen meiner Höhepunkte sorgte.

Claudia Nottebella und die Zwillinge Alessandro und Adriano Belluccio boten tanzbaren, herrlich in sich gekehrten Wave. Die intensiven Bass- und Gitarrenlinien, düsteren Balladen, mitreißenden Rhythmen und melancholischen Melodien erfassten schnell die Beine. Der Kopf nickte, der Körper wiegte sich mit zuweilen geschlossenen Augen im Takt. Schade, dass der Fehlalarm dieses Erlebnis unterbrach und später nur noch ein Stück gespielt wurde. Trotzdem: „Ash Code“ waren einer der Glanzpunkte dieses Festivals.

Was nun folgte, kann nur als schrill und irgendwie verrückt bezeichnet werden. Der grelle und exzentrische Paradiesvogel Martin Degville (Sänger) schien direkt aus der Stadt Las Vegas angereist zu sein. Bunt, abgefahren, hemmungslos – wie seit dem Start von „Sigue Sigue Sputnik“ im Jahr 1982. Die Bandkollegen des einzigen Gründungsmitglieds standen dem in nicht viel nach. Wie Gitarrist Mark Windsor, der seinen blanken Hintern mit einem Pferdeschwanz „geschmückt“ hatte. Als kleiner Gegenpol fungierte die verführerisch lächelnde Bassistin Lena Lonley. Mit den allseits bekannten Songs wie „21st Century Boy“ und „Love Missile F1-11“ und extravaganten Ansagen heizten „Sigue Sigue Sputnik electronic“ der Menge gewaltig an. Die Mischung aus Electro Punk, Glam Rock und New Wave zauberte vielen Gästen ein breites und dauerhaftes Grinsen ins Gesicht.

Doch noch war der Abend nicht zu Ende. Schließlich stand zum Abschluss der Auftritt von „The Invincible Spirit“ auf dem Plan. Weniger schrill, aber mit mindestens ebenso vielen Gassenhauern im Gepäck, bei denen man nur schwer stillstehen konnte. Wie beim grandiosen „Push!“, dessen Melodie und Rhythmik die meisten Hörer immer wieder packt. Oder „Devil dance“, „Make a device“ und „Contact“. Nicht zu vergessen „Love is a kind of history“. Electro Wave in höchster Qualität. Im Grunde ließe sich wohl jeder einzelne Song nennen. Als Zugabe präsentierte Anja V. (Keyboard) und der die Nähe zum Publikum suchende und sich kurzzeitig unter selbiges mischende Thomas Lüdke (Sänger und kreativer Kopf) den Ende letzten Jahres veröffentlichten, deutschsprachigen Song „Nein!“.

Das Programm der zweiten Auflage des TheWave-Festivals und die hingebungsvolle Umsetzung ließ kaum Wünsche offen. Nun darf man sich auf TheWave 2019 freuen. Ob das Teilen eines Videos der Band „Aeon Sable“ einen ersten Hinweis darstellt? Es wäre jedenfalls ein vielversprechender Anfang…

Fotos: Marcus Rietzsch

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