25. Oktober 2008
BERLIN, COLUMBIA CLUBEine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn standen nur wenige Gäste vor dem Columbia Club und auch innerhalb der kleinen Halle war die Menge überschaubar. Aber die Berliner wohnen ja alle irgendwie „um die Ecke“ und so warteten wir den Ansturm beim Beginn des Konzertes ab.
Irgendwie müssen aber viele etwas geahnt haben: vor dem Genuss kam die Pflicht. Der Film „Operation Zeitsturm“ von Welle:Erdball-Sänger Honey (Drehbuchautor, Regisseur und Darsteller) wurde aufgeführt. Das Thema bewegt sicher viele: mit Hilfe einer Zeitmaschine die Katastrophen und Wahnsinnsbegebenheiten der Vergangenheit auf dieser Welt ungeschehen machen. Doch, wir wünschten uns auch, dass diese Menschheit eine Bessere gewesen wäre. Ach Honey, Dein Traum ist unser Traum; Deine Idee ist unsere Idee – aber Deinen nächsten Film mach bitte etwas straffer. Jedenfalls fanden es doch scheinbar eine Großzahl der Anwesenden etwas ermüdend und das fehlerhafte Abspielen der DVD, welche immer wieder stoppte und ein Standbild zeigte, machte das Anschauen zusätzlich anstrengend.
Kann sein, dass es Taktik war, damit wir uns nun ganz besonders auf das Konzert freuen. Das wäre aber vollkommen überflüssig gewesen. Denn vom ersten Song an war im inzwischen gut gefüllten Columbia Club eine begeisterte Stimmung. Teilweise sangen Fan-Gruppen die Texte fehlerfrei und taktgenau mit. Sollte Honey mal heiser sein – Null Problemo.
Die Songs – vielen der Anwesenden bekannt – mit kritischen oder sarkastischen Texten, Liebeserklärungen oder Protesten, Nostalgie-Reminiszenzen und Träumen, gingen in den Kopf. Und der Rhythmus brachte die Beine außerordentlich in Bewegung.
Wie bei Welle:Erdball-Auftritten gewohnt, schwebten auch wieder große Ballons von der Bühne ins Publikum. Zum Spielen gedacht und zum Spielen genutzt. Wir sind und bleiben irgendwie Kinder, wenn wir nur irgendetwas ballförmiges sehen.
Ebenso vertraut waren die reizvollen Schattenrisse der Damen Plastique und Frl. Venus, die jedoch auch BETRÄCHTLICH vom Zuhören ablenken können. Ästhetisch anzuschauen und der Phantasie Raum gebend. Sorry, natürlich hätte ich das zuerst erwähnen sollen: ihre Auftritte „in vorderster Front“ sind genauso charmant. Aber die Schattenspiel-Idee an sich ist doch Klasse und etwas Besonderes. Die von Konzert zu Konzert und auch noch während dessen wechselnden Kleider u.a. im 50er/60er-Jahre-Stil sind der Tüpfelchen auf´s „I“.
Die Darbietungen von Welle:Erdball sind überhaupt erfrischend „anders“. Weder Kunstblut noch S/M-Darstellungen, kein Grunzen, kein Zerschlagen von Instrumenten, kein Bespucken des Publikums – und trotzdem kommen die Besucher voll auf ihre Kosten.
Die „tragende Rolle“ spielt dabei der Klassiker unter den Heimcomputern – der Commodore C64. Während der Früh-Geschichte der Band der Ton-Geber und auch heute noch wichtige Inspirationsquelle werden die deutschlandweit ausgesonderten und verdrängten Commodore nun als Geschenk irgendeinem Gast auf die Nase geworfen – wenn der Beglückte dieselbe nicht in Sicherheit bringt.
„Arbeit adelt“ – Honey betätigte sich als Schrotterzeuger und verbog einige metallene Stangen beim Angeben des Takts auf einem Fass. Seine Energie schien nicht unbedingt zu dokumentieren, dass Arbeit wirklich adelt. Er schlug mit solcher Vehemenz auf das Fass ein, dass es eher wütend wirkte. Angesichts der vielen Arbeitslosen, der Hartz-IV-Bezieher, nur zu verständlich.
Es war nicht unser erstes Welle:Erdball-Konzert, deshalb hat es uns auch nicht überrascht, dass Zugabe auf Zugabe gefordert wurde – und man diese auch bekamen. Irgendwann geht dann aber auch den standhaftesten Profis die Luft aus und die Band grüßte noch einmal und verschwand… zur After-Show-Party in den Silver-Wings-Club gegenüber auf dem sterbenden Flugplatz Tempelhof.
Dank an Plastique, Frl. Venus, A.L.F. und Honey für diesem wunderbaren Abend, für die Texte, für den Sound, für… und überhaupt.
Bis zum nächsten Mal!
Fotos: Marcus Rietzsch