Hank Zerbolesch – Die Zeitmaschine (ein Hörspiel)

Hank Zerbolesch? Dieser Name war mir bisher vollkommen unbekannt. Der Titel „Die Zeitmaschine“ machte mich allerdings neugierig.

Auf der Internetseite von Hank Zerbolesch ist Folgendes über ihn zu lesen:
„1981 in Düsseldorf geboren, lebt Hank Zerbolesch zur Zeit in Wuppertal. Früh verschoben sich seine Prioritäten von der Schulbank an den Tresen und auf Oi!-Konzerte. Die Haare wurden kürzer, die Doc Martens höher, und der Alkoholverbrauch stieg schon damals ins Unermessliche.
Nachdem er sich zur Volljährigkeit durchgetrunken hatte, fiel Zerbolesch in einen dunklen Technokeller, der ihn erst nach Jahren des Missbrauchs durchgefeiert wieder ausspuckte.
Zusammen mit Charles Bukowskis ‚Notes of a Dirty Old Man’. Das war sein erstes, freiwillig gelesenes Buch. Und änderte alles.
Das angefachte Interesse an Literatur und Lyrik brachte ihn 2011 erst als Zuschauer, dann als Autor auf die Poetry-Slam Bühne. Seitdem teilt er seine Alkohol- und BTM- geschwängerten Erfahrungen deutschlandweit als Bühnenliterat.
Im Januar 2013 schuf er mit der Podcastpoesie eine Plattform, die Autoren die Möglichkeit bietet, ihre Texte einzulesen und klanglich individuell auszubauen, sowie Poetry Clips zu produzieren. Ziel ist es, Literatur auch für Menschen interessant zu machen, die bis dato keinen Zugang zu ihr hatten.
Im August 2013 versuchte er sich an einer Symbiose aus Lyrik und Stadt, Künstler und Publikum, sowie Licht und Wort. All das verpackte er in die Veranstaltung Lytropolis, der dasselbe Ziel zugrunde liegt, wie der Podcastpoesie.
Im März 2014 veröffentlichte Hank Zerbolesch seinen ersten Kurzgeschichtenband ‚Rausch-Hour‘ beim Berliner Verlag ‚Periplantea‘.
Seit September 2014 tourt er mit seinem Bühnenprogramm ‚Vom Scheitern‘ deutschlandweit. Basierend auf seinem Buch, zeichnet er – musikalisch begleitet vom Gitarristen PolyDil – Geschichten und Momentaufnahmen. Von Menschen. Vom Scheitern.
Im November 2014 fand die Premiere seines ersten Live-Hörspiels ‚Die Zeitmaschine‘ statt. Durch die Zusammenarbeit mit einem Lichtdesigner, einem Filmproduktions-Team (ein Charakter wurde im Vorfeld vollständig aufgenommen, um die hier produzierten Clips bei der Veranstaltung live via Beamer einspielen zu können), und dem Verteilen kleinerer Sprechrollen auf das Publikum, erhielt das Hörspiel eine so positive Resonanz, dass er beschloss ‚Die Zeitmaschine‘ zu produzieren.
2015 erscheint sein Roman-Debüt. Außerdem ist er Initiator der neuen Lesereihe ‚Heldenreise‘ in Utopiastadt in Wuppertal. Des Weiteren erhält ‚Die Zeitmaschine‘ eine ausgedehnte Deutschlandtour.“

Viele Informationen. Durchaus aber nicht unwichtig. Sagt diese „Selbstauskunft“ doch viel über den Autoren aus. Und lässt Rückschlüsse darauf zu, was mich mit dieser „Zeitmaschine“ erwartet.

Der Klappentext:
Sigmund und Carl-Gustav Leid haben es geschafft. Nach jahrzehntelanger Forschung an der bergischen Universität Wuppertal, haben die Geschwister und Physik-Professoren eine Zeitmaschine gebaut. Aber dann verschwindet die Mutter der beiden mit ihrer Errungenschaft. Doch die Geschwister haben noch ein künstliches As im Ärmel: Marvin. Eine wilde Verfolgungsjagd durch die Epochen unserer Kultur beginnt, die unausweichliche Fragen aufwirft. Wie war das mit dem Speer? Magdalena, oder doch Mona Lisa? Wer ist der wahre Erlöser? Und kann eine KI überhaupt drogensüchtig werden?“

„Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells – gelesen, gesehen. Spannend dramatisch und: moralisierend. Hanks Zeitmaschine hingegen ist eine ganz andere. Erstens gruselt es überhaupt nicht. Eher bleiben die Mundwinkel hochgezogen wie eingefroren. Zweitens sind die Sprecher salopp formuliert sehr komisch. Nicht nur die Wortwahl auch die Sprechweise fordern es einfach heraus: „Haben die was an der Waffel?“ Da werden Fachtermini zwischen Koks ziehen eingebaut, eine ältere Dame (die Mutter der Professorenbrüder Karl Gustav und Sigmund) wird von einem Mann gesprochen – umwerfend. Dialoge zeichnen sich durch wissenschaftlichen Slapstick aus. Und die Zeitsprünge sind kurios. Die Mutter heißt Magdalena – ein bewusst gewählter Name. Und nebenbei bekommt man auch noch einmal dieses Problem der Zeitreise nahegebracht. Denn Mutter benutzt die von Karl Gustav gebaute Zeitmaschine, um in der Vergangenheit so allerhand anzustellen (man beachte die Vornamen ihrer Sprösslinge!). Aber… verändert man die Vergangenheit, findet dann die Zukunft statt, so wie man sie in der Gegenwart erlebt? Wenn man durch eine Veränderung der Vergangenheit vielleicht gar nicht geboren wird, kann man dann eine Zeitmaschine erfinden, um in die Vergangenheit zu reisen und selbige verändern? Ein Rotweinabend füllendes Gesprächsthema. Jedenfalls bemühen sich die Herren Professoren hier die Ordnung wieder herzustellen (mittels einer flugs nachgebauten Zeitmaschine). Das alles ist sehr paradox. Aber ur-komisch.

Künstliche Intelligenz (namens Marvin) spielt auch eine Rolle. Und ist ein eigensinniger digitaler Typ (kokst gern) mit ausgeprägter Streitlust und ein besserwisserischer Gesprächspartner für Sigmund. Wer hier leicht an die Filme „Künstliche Intelligenz“ und „Der 200-Jahre-Mann“ erinnert wird, liegt nicht falsch. Wir treffen auf einem nach dem Bombenattentat leicht verwundeten Adolf Hitler, der dann in den nächsten Zeitsprung einbezogen wird und den leicht besoffenen Jesus als wahren Freund betrachtet. Hier lassen mich abgewandelte Bibelzitate kurz mal ernsthaft nachdenken. DIE Größen für Psycho-Probleme werden ganz schön verar…. Und Mona Lisa als eine Art Maler-Irrtum hinzustellen ist schon frech. Aber muss man denn immer vor Ehrfurcht erstarren? Es sind bzw. waren schließlich auch nur Menschen. Man stelle sie sich nackt vor… Nein, die Realität wird nicht annähernd gestreift – aber warum auch? Nichts ergibt einen Sinn und ist doch nicht ohne Sinn. In jeder Komik steckt ein ernsthafter Kern.

Medien, die sich dem Thema Zeitmaschine gewidmet haben, kommen ohne überbordende Gewalt und Action kaum aus. Hier kann man sich entspannt zurücklehnen und sich in ein skurriles, Epochen übergreifendes Protagonisten-Gemenge hineinziehen lassen. Die absurden Situationen habe ich mir ziemlich bildhaft vorgestellt… verrückt und sehr unterhaltsam.

Ach ja, und zwischen den Episoden gibt es auch noch Musik. Nein, kein 20-Sekunden-Geklimper. Sondern echte Stücke, die mich teilweise an Neo-Folk erinnern. Anderes klingt gewollt düster und bedrohlich – im Gegensatz zum nachfolgend geschilderten Zeitsprung. Passt aber als Verzierung sehr gut.

Empfehlung? Auf jeden Fall für Menschen, die weder das Leben noch die Wissenschaft verbissen betrachten. Lächeln bitte!

Ein avantgardistisch-anarchisches Hörspiel von und mit Hank Zerbolesch in Zusammenarbeit mit Michel Kühn und vielen Gaststars. MP3-CD im Digipack, 135 Min., 24 Tracks, ISBN: 978-3-943876-88-8

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