7. November 2012
BERLIN, ASTRA KULTURHAUSWir lieben Trommeln. Den spürbaren Rhythmus. Wenn zwei Schlagzeuger auf einer Bühne Platz nehmen. Oder wenn verschiedenes Schlagwerk an den Bühnenrand geschafft wird, um von mehreren Bandmitglieder im Gleichmaß „traktiert“ zu werden. So war der Besuch eines Auftritts des französischen Perkussion-Ensembles „Les Tambours Du Bronx“ anlässlich ihres 25jährigen Bühnenjubiläums Pflicht. Und wir wurden nicht enttäuscht. Schon der Anblick der noch menschenleeren, aber mit zahlreichen besprühten Industriefässern ausgestatteten Bühne steigerte die Vorfreude.
Als die 15 schwarzgekleideten Akteure mit der scheinbar obligatorischen Hauptstadt-Verspätung ihre Plätze einnahmen, wurde sogleich ein „lärmendes“ Trommel-Feuerwerk entzündet. Mit einer beeindruckenden Choreographie zog man alle Augenpaare auf sich. Arme wirbelten synchron, leidenschaftlich und hypnotisch. Nun mag man vielleicht annehmen, dass das Konzept nach einigen Titeln langweilig wird. Mitnichten. Das mächtige Trommelspektakel faszinierte von der ersten bis zur letzten Minute – optisch als auch musikalisch. Wie man aus alten Fässern solch unterschiedliche Rhythmen kreieren vermag – erstaunlich. Die Rohrkonstruktion auf einer Art Leitergestell zauberte elektronisch veränderte Klänge, mal hart, mal sphärisch. Darüber schwebend synthetische Töne. Hier und da ergänzt durch dezent eingesetzten Gesang und Samples. Körper, Kopf und Füße nahmen umgehend den Takt auf, der die Luft erfüllte. Ein ansteckendes Temperament. Und trotzdem nicht zu übersehen: die Disziplin der Truppe auf der Bühne. Zwischen den einzelnen Stücken wechselten viele Trommler ihre Plätze. So bekam man im Verlauf des Konzertes von jeder Zuschauerposition aus jeden Akteur zu sehen. Und man konnte auch die verschiedenen Stile sehen, wie dort mit Kraft die Fässer traktiert wurden. Ein „Spaßvogel“, der gelegentlich an den Bühnenrand trat und das Publikum humorig ermunterte, arbeitete mit dem ganzen Körper und warf sich förmlich auf das Blechungetüm. Seine Arme wirbelten oft so schnell, dass die Bewegung fließend wurde und man das Auf und Ab der Holzschlegel nicht mehr erkennen konnte. Nicht erwähnt werden muss wohl, dass bei dieser schweißtreibenden Arbeit viele Shirts zu Boden fielen. Teils muskulöse Oberkörper kamen – in erster Linie wohl zur Freude der holden Weiblichkeit – zum Vorschein. Archaisch und Rituell. Energie und Rhythmus. Eine Mischung aus Ursprünglichkeit und Moderne. Holzsplitter, die im Gegenlicht durch die Luft wirbeln, ließen die vorherrschenden Kräfte erahnen. Ebenso wie die mit zunehmender Konzertdauer ihrer Gleichförmigkeit beraubten Fässer.
„Les Tambours du Bronx“ sind ein Erlebnis. Auch nach 25 Jahren, über 1.000 Konzerten, 16.000 Trommeln und 110.000 Schlägel noch. Zugaben wurden gewährt und die Begeisterung des Publikums war ungebrochen bis zum Schluss. Abschließend wurden Fässer hochgestemmt und dem Publikum förmlich vor die Füße oder vorsichtig in die Arme geworfen. Die Knüppel hinterher. Das Publikum nahm die Geschenke dankend an. Die Fässer wie Trophäen über den Köpfen haltend. Mit leuchtenden Augen – ähnlich kleiner Kinder an Weihnachten – wird selbst getrommelt. Ein ohrenbetäubender Lärm – weit entfernt vom Hörgenuss der vorangegangenen etwa eineinhalb Stunden. Und auch einige Zeit nach Verlassen des Astra Kulturhauses hörte man vereinzelt die metallischen Klänge, die in der Berliner Nacht verhallten…
Text: Edith Oxenbauer & Marcus Rietzsch
Fotos: Marcus Rietzsch