M.C. Escher – Ausstellung und Buch

Band ohne Ende, 1956, Lithographie, 25,3 x 33,9 cm

21.02.-22.05.2016

BRÜHL, MAX ERNST MUSEUM

Die Ankündigung dieser Ausstellung projizierten unvermittelt die bekanntesten Bilder des niederländischen Künstlers in meinem Kopf. Drei gerahmte Werke (selbstverständlich nur günstige Drucke) befinden sich an der Wand. Escher – mein Synonym für unmögliche Realitäten. Sehr lange begleiten mich diese „verrückten“ Ansichten bereits. Doch richtig beschäftigt hatte ich mich nie mit dem Schaffen des Maurits Cornelis Escher. Das sollte sich ändern. Und so machte ich mich gemeinsam mit Freunden auf den Weg nach Brühl.

Dort angekommen sprangen mir sogleich große Plakate mit dem Motiv „Einheitsband (Band ohne Ende)“ ins Auge. Zwei Gesichter auf verschlungenen, nicht endenden Spiralbändern. Ein beliebtes und bekanntes Bild. Warum allerdings in einem wohl verspäteten LSD-hypnotischen Zustand die Namen und Daten in grellem Pink und Neongrün dargestellt wurden, stellte mich vor ein Rätsel. Psychodelic am Nachmittag. Ein krasser Gegensatz zu der augenfreundlichen Farbgebung der Escher-Bilder.

Im Foyer angekommen erwartete mich ein unüberschaubares Angebot an Escher-Devotionalien. Verführerisch. Doch zuerst „musste“ die Ausstellung besucht werden. Später  könnte man ja immer noch…

Bevor man sich den Werken an den Wänden widmete, führte in einem bestuhltem Separee eine Multimediashow in das Schaffen von M. C. Escher ein. Die Ausstellungsfläche war geräumig genug, um trotz eines gewissen Besucherandrangs jedes Bild eindringlich  betrachten zu können. Gut arrangiert und mit ausreichenden Abstand. Perfekt. Und fortan tauchte ich in die „verdrehte“ Welt eines künstlerischen Genies ein…

Neben diversen bekannten Bildern entdeckte ich viele mir unbekannte Motive. Darunter befanden sich die eine oder andere „normale“ Landschaftsstudie und natürlich viele Metamorphosen. Ich musste feststellen, dass ich nur einen Bruchteil von Eschers Gesamtwerk kannte. In einem zweiten Durchgang, diesmal langsamer, in Ruhe genießend, versank ich in verrückten Perspektiven und verfolgte ergebnislos des Werden und Vergehen in den vielen Metamorphosen. Atemberaubend.

Mit vielen tollen Eindrücken machte ich mich auf den Heimweg – selbstverständlich nicht ohne einige Kleinigkeiten im Museumsladen zu erwerben.

Später widme ich mich dem ausstellungsbegleitenden Buch, dessen Farben, die mich schon beim Museumsbesuch schockiert haben, irritieren. Grün und Pink. Doch die Abbildung des Totenkopfs im Auge auf dem Titel versöhnt mich. Sieh, der Tod ist jedermann nah. Und so betrachte ich die Bilder und lese – es gibt eine Menge Text – das Buch an einem einzigen Tag.

Wer nicht die Möglichkeit hat, die ungewöhnlichen Werke von M. C. Escher im Original zu bewundern, erhält mit diesem Buch einen durchaus adäquaten Ersatz. Und für die Ausstellungsbesucher ist es eine perfekte Ergänzung, um Texte in Ruhe zu lesen und zu verstehen. Zudem können die Bilder – meist ganzseitig gedruckt – akribisch geprüft werden.  Kleine oft übersehene Details müssen sich meiner Lupe fügen und zeigen. Mit den Fingern fahre ich die Linien entlang. Die blassen Hintergründe betrachte ich als Vergrößerung ganz genau. Wie hat er das gemacht? Stilleben, Landschaften, Metamorphosen – eine dieser Metamorphosen auf zwei doppelt eingeschlagenen Seiten nähert sich fast dem Original an. Ich drehe das Buch und versuche, dem surrealen Perspektiv-Geheimnis auf die Spur zu kommen. Wobei freundlicherweise auch Ausschnitte ganzseitig zu finden sind.

Tag und Nacht, 1938, Holzschnitt, 39,1 x 67,7 cm
Tag und Nacht, 1938
Holzschnitt, 39,1 x 67,7 cm

Die von Fachleuten verfassten Texte bremsen einerseits meinen Optimismus, zum Thema etwas „Anständiges“ verfassen zu können. Andererseits sind diese gut zu lesen, informativ und interessant.

Zum Geleit – Jürgen Wilhelm
Vorwort – Achim Sommer
Maurits Cornelis Escher: Ein Ausnahmekünstler – Micky Piller
Max Ernst und M. C. Escher – Pataphysiker – Jürgen Pech
Das Fremde im Vertrauten – Eva Lenhardt

Dem anschließenden Bildteil wurden etwa 100 Seiten eingeräumt. Eine sehr detaillierte Biografie, ein Werkeverzeichnis und Literaturverweise sorgen für Abrundung.

Ja, ich bin begeistert. Trotz Pink und Neongrün. Auch wenn ich es noch immer nicht verstehe. Allein die Gestaltung der Textseiten ist etwas Besonderes. Eigentlich im ordentlichen Blocksatz gestaltet. Dieser erscheint jedoch oftmals „angeknabbert“. Mal ist ein Halb-, mal ein Viertelmond ausgespart. Escher-Bilder und einfacher Blocksatz? Das geht nicht.

ZUM GELEIT

„Er schuf mit seinen ausgeklügelten Kompositionen einige der einprägsamsten Bilder des 20. Jahrhunderts und wurde sowohl von Mathematikern, die seine Umsetzung der Geometrie bewunderten, aus auch in Hippiekreisen, die sein Werk zur Psychedelischen Kunst zählten*, regelrecht verehrt. Ihn selbst hat das eher amüsiert.“
(* Daher wohl die Schockfarben…)
Das Vorwort klingt aus mit einem Verweis auf den „Hausgeist“. Womit Max Ernst gemeint ist. Dazu an anderer Stelle mehr.

VORWORT

„Escher bekannte 1965 in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Hilversumer Kulturpreises: ‚Ich kann es nicht lassen, ich muss mich einfach über all unsere unerschütterlichen Überzeugungen lustig machen. Es ist zum Beispiel ein großer Spaß, die Zwei- und die Dreidimensionalität, das Flache und das Räumliche miteinander zu vermischen oder mit der Schwerkraft Schabernack zu treiben.‘“

MAURITS CORNELIS ESCHER 1898 – 1972: EIN AUSNAHMEKÜNSTLER

Dieses Kapitel erzählt viel über Eschers einzelne Schaffensperioden, seine Reisen und Inspirationen. Detailverliebte Schilderungen bringen den Künstler ganz nah. Wie er sich selbst nicht richtig ernst nahm, aber leidenschaftlich alles Gewohnte in Frage stellte. „‚Sind Sie sicher, dass ein Fussboden nicht auch eine Decke sein kann? Sind Sie sicher, dass Sie nach oben gehen, wenn Sie eine Treppe hinausgehen? Sind Sie wirklich davon überzeugt, dass ein halbes Ei nicht auch eine leere Eierschale ist, dass es also unmöglich sein  sollte, zwei Dinge gleichzeitig zu wollen?‘ Er lässt Charakterzüge wie Humor und eine Vorliebe für das Unerwartete erkennen, die sich auch in seinem Werk widerspiegeln. Und selbst mit 67 Jahren war er noch ein humorvoller Querdenker.“

MAX ERNST UND M. C. ESCHER – PATAPHYSIKER

Hierzu musste ich erst einmal das Nachschlagewerk „Wikipedia“ befragen: „Pataphysik (französisch Pataphysique, ein Wortspiel mit den homophoben Formulierungen patte à physique, pas ta physique und pâte à physique) ist ein absurdistisches Philosophie- und Wissenschaftskonzept des französischen Schriftstellers Alfred Jarry (1873–1907), das sich oftmals als nonsensische Parodie der Theoriebildungen und Methoden moderner Wissenschaft gibt.“ Was es nicht alles gibt. Spontan fiel mir die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. ein. Aber zurück zu Thema, dem auf 16 Seiten viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Hochintelligente gebildete Menschen gaben eine entsprechende Zeitschrift heraus. Der Gründer der Pataphysik schrieb das am 10. Dezember 1896 in Paris uraufgeführte Drama UBU ROI. Mit seiner vulgären und grotesken Sprache wurde es zu einem Skandal. Inhalt des Stückes: „Die selbstherrliche, gefräßige und machtlüsterne Hauptfigur erzwingt die Herrschaft über einen fiktiven, in Polen angesiedelten Staat. Lässt die Adligen und Beamten enthirnen, erhöht die Steuern radikal und beginnt, die Bevölkerung immer stärker zu tyrannisieren. Auf einem Feldzug gegen das zu Hilfe eilende russische Heer wird Père Ubu besiegt und flieht mit seiner Frau Mère nach Frankreich, um dort der ‚maitre des phynances‘ (Phynanzminister) zu werden.“ Verständlich, dass sich darüber viele aufgeregt haben. Wer mehr über Pataphysik erfahren möchte, wird mit diesem Kapitel seinen  Spaß haben. Was Escher damit zu tun hat? Ein halbes Jahr bis zu seinem Tod war er Mitglied dieser elitären Gemeinschaft. Deren Vorsitzender zeitweilig ein afrikanisches Krokodil war.

DAS FREMDE IM VERTRAUTEN

„Wenn ihr nur wüsstet, was ich in der Dunkelheit der Nacht gesehen habe. Ich bin manchmal wahnsinnig vor Kummer gewesen, weil ich das nicht darstellen konnte.“, sagte einst Escher.
„Auf Plattencovern und Postern zu Reisen in rätselhafte Welten einladend, steht das populäre Werk des niederländischen Grafikers M. C. Escher gewissermaßen außerhalb der Kunstgeschichte. Seine detailreichen, handwerklich höchst anspruchsvoll gearbeiteten Lithografien und Holzschnitte, die unmögliche Raumkonstruktionen, Metamorphosen und physikalischen Widersprüche darstellen, sind in das kollektive Bildgedächtnis eingegangen.  Als Tor zur bewusstseinserweiternden Seherlebnissen trafen sie den Zeitgeist der 1960er Jahre, wurden in psychedelischen Farbgebungen ohne Eschers Erlaubnis neu aufgelegt und fanden auf den verschiedensten Wegen eine solche Verbreitung, dass noch heute wenige Stichpunkte ausreichen, um seine bekanntesten Werke in Erinnerung zu rufen.“ Die Gründe für die Farbwahl – Pink und Neongrün – sind nun deutlich. Escher wurde vereinnahmt.

DIE BILDER

Das Bild „Paradies“ war mir bislang unbekannt und so eröffnet es mir eine bisher verborgene künstlerische Seite Eschers. „Acht Köpfe“ lässt mich – nachdem ich sieben entdeckt habe – angestrengt nach dem achten Kopf suchen. Es gibt moderne Stadtansichten und seltsame Perspektiven wie beim „Turm von Babel“. In einer anderen Ansicht führt eine schmale Gasse in einen Tischspiegel. Berühmt die von Escher selbst gehaltenen Glaskugel, in der er sich spiegelt. Im Grunde gebührt es jedem einzelnen Bild, genannt zu werden.

Ein Holzstich zeigt einen schlafenden Papst, auf dessen Brust eine Gottesanbeterin mit erhobenen Fangarmen zu sehen ist. Die sehr lange „Metamorphose II“  beeindruckt. Ebenso wie die Krokodile, die sich aus dem Papier einer Zeichnung über verschiedene Gegenstände hinweg stemmen, um wieder ins Papier einzutauchen. Einfach irre.

Zeichnen, 1948, Lithographie, 28,2 x 33,2 cm
Zeichnen, 1948
Lithographie, 28,2 x 33,2 cm

Meine Lieblingsbilder finde ich alle, die mich – wie immer – „ärgern“: Wo geht es denn nun lang, was ist oben, was ist unten? Das Bild „Zeichnen“ zeigt zwei Hände, die sich gegenseitig „erschaffen“. Die Manschetten befinden sich als Aufriss auf dem Papier. Doch die Hände sind dreidimensional und ragen aus dem Papier heraus. Genial. Besonders begeistert hat mich „Vierflächenplanetoid“. Ein galaktisches Bild.

Und natürlich „Belvedere“. Während des Museumsbesuchs löcherte ein kleiner aufgeweckter Knabe seinen Vater mit der Frage, warum der Mann dort eingesperrt wäre. Der Mann hinter dem Gitter war mir nie richtig aufgefallen. Ich habe mich auf die Säulen, die Dächer, die Leiter konzentriert. Und ließ mich ablenken von den kleinen Details.

Der Besuch der Escher-Ausstellung war eine sehenswerte Exkursion. Das Buch ist eine Bildungsreise. Edles Papier voller wunderbarer Drucke und mit sowohl unterhaltsamen als auch lehrreichen Texten. Empfehlenswert für Escher-Kenner, Escher-Begeisterte, Escher-Neugierige.

» Max Ernst Museum
» M.C. Escher Company

Bilder: M.C. Escher, Collection Gemeentemuseum Den Haag © 2016 The M.C. Escher Company – The Netherlands. All rights reserved.

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