And One – Trilogie Supershow 1

16. Mai 2015

BERLIN, COLUMBIAHALLE

Das Heimspiel der Berliner Band „And One“ lockte die Massen an. Bereits eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn des Konzertes war die Halle schon gut gefüllt. Und draußen wartete noch eine große Menge auf Einlass; in Demonstrationsgröße etwa. Wie in Berlin eigentlich gewohnt, begann alles erst später. So verschaffte ich mir währenddessen einen Überblick: Die Ü40-Fraktion schien mir in der Überzahl. Aber es gab auch viele Abweichungen nach oben. Und erfreulicherweise reichlich Jugend. Ein durchaus gemischtes Publikum, sowohl im Alter als auch äußerlich. Zwar überwog deutlich das augenfreundliche Schwarz, jedoch waren ebenso bunte Tupfen und blaue Jeans auszumachen. Die mehrfachen Familienväter haben ihre Garderobe dem Alltag „angepasst“, blieben „And One“ aber treu.

Nach diesem Rundumblick tat sich endlich etwas: die drei Protagonisten der Vorband „Beyond Obsession“ betraten die Bühne. Die Gründe für die Verspätung blieben mir allerdings verborgen. Keine aufwändigen Bühnenaufbauten und schon gar keine schmink- oder kleidungstechnischen Gründe waren für die Verzögerung auszumachen. Nun denn. Am Synthesizer André, an den elektronischen Drums Sören. Sänger Nils beeindruckte mit einer bemerkenswert angenehmen Stimme. Möglicherweise gut ausgebildet? Jedenfalls sehr gefällig. Seit 2012 ist die Band zusammen und tritt mit Balladen und tanzanimierenden Stücken auf. Nach einigen Supports nun eine Art „Ritterschlag“: Vorband bei „And One“. Der Beifall war akzeptabel und der Auftritt durchaus hörenswert. Die Performance des Sängers empfand ich jedoch als eigenartig. Und das nicht nur wegen seiner weißen Stiefel. Aber die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Wirklich sehr gut empfand ich die Version des Songs „Never Turn Your Back To Mother Earth“ von Martin Gore (ursprünglich aus dem Jahr 1989). Hier kam die Stimme von Nils voll zur Geltung. Mehr davon!

Anschließend ließ man das Publikum warten, was sich schlussendlich in Pfiffen entlud. Wahrscheinlich braucht die Band das? Doch endlich nahmen die Musiker ihre Plätze an den Instrumenten ein. Frontmann Steve Naghavi betrat in Begleitung eines Kapuzen-Mannes – Typ autonomer Steinewerfer – die Bühne und setzte die Halle in Bewegung. Laut, mit hartem Beat, nichts Weichgespültes. Ein grandioser Auftakt. Ohne Kapuze platzierte sich Joke Jay alsdann hinter seinem Schlagzeug. Und die Show begann. Steve ist nicht nur Kopf der Band und Sänger, er ist ferner ein riesiges Showtalent. Was man umgangssprachlich als „Rampensau“ betitelt, trifft auf ihn zu. Aber es kommt nicht arrogant sondern durchaus nett, lustig herüber. Er lebt im Licht, im Beifall, in der Interaktion mit dem Publikum. Ob er sich das damals 1989, als er 19-jährig die Band gründete, gedacht hatte? Über viele Jahre hinweg die Massen zu bewegen? Und das nach Brüchen, Umbrüchen, Auflösung, Auferstehung. Seit Um-Gründung im Jahr 2011 mit den „alten“ Bandmitgliedern Rick Schah und Joke Jay hat „And One“ enorm an Qualität und Vielfalt gewonnen. Joke Jay unterstützte Steve Naghavi gesanglich, und gemeinsam lieferten die Beiden so manche „Tanzeinlage“ zwischen fast akrobatisch und belustigend komisch. Nico Wieditz, der ursprünglich nur bei den Konzerten „aushalf“, zählt nunmehr als festes Bandmitglied. Macht er sich sonst am Keyboard nützlich, so kann er ebenso überraschen: ein Flügel wurde auf die Bühne geschoben. Leicht perlend die Läufe. Klar und versonnen seine Stimme. Träumerisch. Eine wundervolle Ballade. Was leider das Publikum nicht in Gänze würdigte. Die üblichen Quatschblasen und Handypicker konnten sich an dieser Delikatesse wohl nicht erfreuen.

Viele der bekannten „Super-Songs“ waren zu hören. Ohne viele dieser Titel kann man sich einen rundum gelungenen Auftritt von „And One“ nur schwerlich vorstellen. Aber auch neuere Stücke wie „U-Boot-Krieg in Ost-Berlin“ kamen bestens an. Alles mit ein wenig mehr EBM-Touch. So wollte der Körper eigentlich Zucken und Rucken und Springen – was jedoch schwerlich ging. In einer vollen Sardinenbüchse bleibt es meist beim Kopf-Nicken. Aber über den Köpfen war noch Platz für rhythmisch schwenkende Arme. Eine Balustrade mit viel Schwarz, aus der die hellen Gesichter schimmerten. Und eine Welle sich wiegender Arme. Ein toller stimmungsvoller Anblick. Das forderte Steve immer wieder heraus. Seine „Ansprachen“ – nicht immer jugendfrei – waren witzig. Mit selbstkritischen Darstellungen „provozierte“ er breites Lachen. Sein „kleines Perser-Herz“ steht zu Fehlern und Brüchen. Dazwischen wiederkehrend bewegungsintensive Einlagen. Auch von Joke. Ein Beinbruch hat sich auf Steves Sprungpotenzial jedenfalls nicht ausgewirkt. Vielleicht hat man ihm Sprungfedern in die Gelenke eingebaut? Der Mitvierziger hüpfte wie ein Känguru. Alle Achtung. Aber das Beeindruckendste ist und bleibt sein Talent, auf die Menschen zuzugehen, sie mitzunehmen, sie mit Text, Musik und Rhythmik mitzureißen. Er hatte Freude an dem, was er tat. Das übertrug sich. Ein temperamentvoller, gelungener Abend. Der letzte Tag der Tour. Steve verabredete sich sogleich für 2016. Oder auch nicht – meinte er. Doch vor dem endgültigen Abschied kam das Ritual des mehrmaligen Verlassens der Bühne, um anschließend unter großem Applaus die selbige wieder zu betreten. Bis das letzte Lied erklang. Was wohl? Klaus.

Videos: Youtube – synthietime und 16Roses

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