Schule für Kfz-Ausbildung „Bernard Koenen“

go2knowHinter einem Gittertor, dessen verwirrende Beschilderung auf einen Schießplatz hinweist, erwartet uns ein langgestreckter Flachbau. Ein Gang führt an unterschiedlichen Zimmern vorbei. Nach dem Öffnen der ersten Tür: Erstaunen. Mehrere Stühle reihen sich um einen Tisch, an der Wand hängt ein Waschbecken, Schränke, vier scheinbar frisch überzogene Betten verteilen sich im Raum. Hier schliefen wohl die Schüler während ihrer Ausbildung zum Fahrlehrer. Es fehlen eigentlich nur die persönlichen Gegenstände, um auf eine gegenwärtige Nutzung zu schließen. Andere Zimmer stehen voll mit unterschiedlichstem Gerümpel: Möbel, Hausrat, Waschmaschine, Kühlschrank. Ein wüstes Durcheinander. Doch hinter der nächsten Tür erwartet uns eine Überraschung. Der ehemalige Schulungsraum beherbergt zwei Fahrsimulatoren, die den Spieltrieb wecken. Lenkrad, Schaltung, Pedale und sogar eine Handbremse sind vorhanden. Halbe Autos ohne Räder. Allerdings ohne Ästhetik. Was uns nicht davon abhält, Platz zu nehmen. Dieser erweist sich zwar als nicht wirklich bequem und die Elektronik ist gekappt, aber das Lenkrad lässt sich drehen, die Pedale drücken und die Hebel ruckeln. Brmmm, brmmm, brmmm. Ehe uns jemand bei unserem kindlichen Handeln überrascht, verlassen wir die Simulatoren und widmen uns den restlichen im Raum verteilten Utensilien. Überall liegen Blätter herum. Kleine Zeichnungen, beschriftet, mit detaillierten Vorschriften, Anweisungen und Regeln zum korrekten Lenken, Schalten, Bremsen. So wurden hier von 1962 bis vermutlich 1990 je Lehrgang bis zu 90 Teilnehmer im Namen der GST (Gesellschaft für Sport und Technik) geschult. Ziel war u. a. die „Grundqualifizierung von Ausbildern für die vormilitärische Laufbahnausbildung Militärkraftfahrer“.

Am Ende des Gebäudes befindet sich ein Veranstaltungssaal. Zahlreiche Reihen mit Klappstühlen, sehr ordentlich und bestens erhalten. Die Bühne ist ebenfalls intakt. Ein altes Mikrophon scheint nur auf den nächsten Redner und entsprechende Zuhörer zu warten. Vier rustikale große Kronleuchter aus Holz passen gut zu den anderen Holzverkleidungen. Strom ist noch vorhanden und so spenden die Leuchter künstliches Licht. Gardinen und Vorhänge sind verstaubt, aber ansehnlich.

Auf dem Dachboden stehen mehrere Reihen Ersatzklappstühle, deren Verpackungen die Zeit jedoch mehr schlecht als recht überdauern konnten und nun verschlissen und in Fetzen um die Stühle hängen. In einigen kleinen Räumen, sogar mit verschließbaren Türen, finden wir stapelweise Zeitschriften und Schilder, die unter anderem auf Sonderprüfungen wie „Wenden im begrenzten Raum“ hinweisen.

Zum Abschluss schlendern wir noch zu einem wohl seit längerem ungenutzten Schwimmbecken im Außenbereich. Abblätternde blaue Farbe zeichnet Muster an die Wände und die mit Rost und Farbresten übersäte Leiter spiegelt sich im niedrigen Wasser. Zum Greifen nah eine bizarr geformte Felsformation inmitten der hügeligen Landschaft. Bevor wir den Heimweg antreten, blicken wir ein letztes Mal zurück. Einige Räume des ansonsten leerstehenden Baus sind vermietet, wodurch das Gebäude nicht ganz verwaist ist und sich noch kein größerer Verfall zeigt. Doch so idyllisch die Gegend auch ist, die Zukunft der ehemaligen Schule für Kfz-Ausbildung der GST ist ungewiss…

go2know ermöglicht die ausgiebige Erkundung verlassener Orte (Lost Places). Die Gebäude wurden vorher begutachtet und offensichtliche Gefahrenquellen abgesperrt. In den zugänglich gemachten Bereichen kann sich jeder Teilnehmer selbständig bewegen und fotografieren. Die Erkundung erfolgt mit Erlaubnis der Eigentümer und auf eigene Gefahr.

 
Text: Edith Oxenbauer und Marcus Rietzsch
Fotos: Marcus Rietzsch

» go2know

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert