Burkhard Schade – Farben des Verfalls

Information vom Verlag:

Der Fotograf, Burkhard Schade, geb. 1959 in Dresden, 1980-1984 Ingenieurstudium. Seit 1980 Beschäftigung mit Fotografie. Schade lebt und arbeitet als freischaffender Fotograf in Radeburg und Dresden.

Der Autor, Thomas Gerlach, geb. 1952 in Dresden-Hellerau, 1971-2011 als Vermesser und Grabungstechniker am Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden/Landesamt für Archäologie tätig. Mitbegründer und langjähriger erster Vorsitzender des Vereins für Denkmalpflege und Neues Bauen Radebeul e.V., lebt in Radebeul.

Der Klappentext:
„‚Nicht die Sicht auf die Fassade, sondern der Blick dahinter ist mir wichtig.‘
Burkhard Schade

Der Fotograf Burkhard Schade hat vergessene Orte in Sachsen aufgesucht. Auf den ersten Blick sieht der Betrachter zunächst nur Zerfall und Niedergang. Doch Schade hat seine Motive aus dem richtigen Winkel entdeckt, das geeignete Licht abgewartet – und so die unerwartete Ästhetik des Verfalls in beeindruckenden Farben sichtbar gemacht. Etwa von den Goehle-Werken und dem Lahmann-Sanatorium in Dresden, dem Wasserschloss Oberau, dem Schloss Promnitz, der Ziegelei Rotes Haus in Meißen, dem Bahnhof Radebeul-Kötzschenbroda und anderen mehr.“

Wichtige Informationen, mit denen das Buch, das Erleben des Buches, aber in keiner Weise erfasst werden.

Deutsche Geschichte ist wechselvoll. Besonders in den östlichen Bundesländern prägten Politik und Besatzung nicht nur das Leben, sondern auch den Umgang mit Gebäuden.

Wer kennt nicht die verunstalteten, bedauernswerten Herrenhäuser und Schlösser, deren historische Schönheit bis 1990 sehr „zweckmäßig“ genutzt wurden. Doch es sind auch Heilstätten mit ihren wechselnden Aufgaben. Kasernen, die – teilweise noch aus Kaiserzeiten stammend – den russischen Geschmäckern „angepasst“ wurden. Und nach der Wende wurden zahlreiche Betriebe, Werke, Fabriken – ohnehin verwahrlost – in den „blühenden Landschaften“ dem Verfall überlassen.

Vieles ist unrettbar verloren. Wind und Wetter, Vandalismus, Feuerteufel und Schrottdiebe machen auch dem haltbarsten Ziegel den Garaus.

Manches Gebäude hatte Glück, wurde restauriert, wiederbelebt. Menschliche Schritte ersetzen nun die Geräusche von im Wind klappernder loser Fensterflügel.

Verlorene Orte, verlassene Gebäude. „Lost Places“ üben eine eigenartige Faszination aus: auf Fotografen, Maler, Kreative überhaupt. Es ist ja nicht die Ruine an sich, die man hier sieht. Es sind die Leben, die ihre Spuren hinterließen. Menschen und Geschichten sind untrennbar mit den Mauern verbunden, die sie einstmals füllten. Das kann man nachspüren. Wenn man sich einlässt, hinter dem Verfall das ursprüngliche Schöne sehen zu wollen und das Vergessene zu erahnen.

„Farben des Verfalls“ zeigt und beschreibt konkrete Orte. Farbaufnahmen und „Kurz-Biographien“ der Bauwerke schildern das Vergehen über die Zeit. Sehr viele Bildbände, die sich den verlassenen Plätzen widmen, überzeugen durch Schwarz-Weiß-Fotografien. Klare Strukturen, tiefe Schatten, Details ausmalende Lichtflecke. Nichts beschönigend. Das Wesentliche ist hier der Moment. Der Zauber liegt in der Beschränkung und der Freiheit für die Phantasie. Was mag die Aussage sein, wenn der Verfall in Farbe gezeigt wird?

Es gab eine Zeit vor dem Farbfernsehen. Schwarz, Weiß, alle Arten von Grau. Beim Fußball war es manchmal schwierig, die Trikots zu unterscheiden. Wenn ich heute in der Flimmerkiste Leute in kreischend bunten Äußerem sehe… mir wäre Schwarz-Weiß oftmals lieber. Andererseits muss ich zugeben: So Manches schaut in Farbe schon besser aus.

Wie also ist das mit den Farben des Verfalls? Kurz gesagt: fast märchenhaft. Schon das Buchcover wirkt durch eine sanfte hellbräunliche Farbstimmung warm. Irgendwie gemütlich. Unregelmäßig durch das Glasdach streuendes Licht schafft einen festlichen Dom. Verfall erst auf dem zweiten Blick.

„So, wie die Anmut der Ausdruck
Einer schönen Seele ist,
so ist die Würde der Ausdruck
einer erhabenen Gesinnung.“

Friedrich Schiller

Dieses Gedicht ist einem sehr romantischen gefühlvollen Vorwort vorangestellt. Würde? Erhabene Gesinnung? Es geht hier um abbruchreifes Gemäuer! Meine Wohnung, mein Haus, meine Werkstatt, mein Labor – das sind Umhüllungen. Eine zweite Haut. Ein Schutz. Heimat. Die Würde dieser Heimat verfällt. Deshalb ist es auch eine Frage der anständigen Gesinnung, dieser Heimat zumindest Respekt zu erweisen. Die Bilder von Burkhard Schade zeigen Details und große Ansichten. Es erschließen sich Einblicke in das Heute aber auch in das Gestern. Die Farben machen das Ganze irgendwie spielerisch. Eine Freitreppe übersät mit trockenem, bräunlichem Laub – fast wie andersfarbige Rosenblätter als Dekoration für eine Hochzeit. Eine Uhr in einem Innenraum. Ohne Zeiger. Leider ist die Zeit für die Gebäude nicht stehengeblieben. Säulen mit schönem Kapitell legen Zeugnis für einen früheren klassizistischen Geschmack ab. Moderne Beton-Fabrik-Architektur – verloren. Gewölbebögen beweisen das Geschick der Maurer. Schmiedeeiserne Geländer, alte Kachelöfen, Tapetenfetzen der 80er Jahre, Reste handwerklicher Arbeit, Stuckatur-Reste, Graffiti und Geschmiere, blinde Zerstörungswut, seltsame spätere Einbauten, spiegelnde Wasserlachen, „aufbauende“ Parolen. Und nach all den vielen Variationen von Brauntönen knallrote Absperr-Räder – fast erschreckend neu wirkend. Wenn denn nicht der Rost in der Umgebung etwas anderes erzählen würde.

„Farben des Verfalls“ – eine verträumte romantische Betrachtungsweise von eigentlich düsteren Objekten. So erscheinen Trümmer, Fetzen und Schutt in einem fast heiteren Licht. Nein, nur heiter sind weder die Sichtweise von Burkhard Schade noch die Objekte selbst. Sagen wir mal so: Trauer um Verlorenes und Hoffnung auf neue Nutzung kann man gerne auch freundlich betrachten. In sanften ehrlichen Farben.

Ein Spaziergang durch vergessene Orte zwischen Dresden und Meißen. Heimat.

160 S., geb., 220 x 250 mm, Farbabb.
ISBN 978-3-95462-188-0

»  Burkhard Schade
»  Mitteldeutscher Verlag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert