Nach einer Idee von „Klangstabil“
Ein Junge lebt alleine in einem Wald nahe der Stadt. Einem Schatten gleich bleibt er den meisten Menschen verborgen. Erwachsene kommen nur bis zum Rand des Waldes, um Müll und Sperrgut abzuladen. Kindern ist Wald als solcher fremd, unverständlich, uninteressant und nur als Ort für heimliches Rauchen oder Biertrinken akzeptiert. Nur der alte Förster sieht mehr, denn er versteht den Wald.
Die Protagonisten dieses Buches sind:
Ein Junge im Wald, nach einen Verkehrsunfall verstört und traumatisiert.
Ein beobachtender, alternder Förster und Jäger.
Schulkinder mit dem üblichen Hintergrund aus Mobiltelefonen, Mobbing, Spielkonsolen.
Hirnlose Halbwüchsige.
Ahnungslose mit sich selbst beschäftigte Eltern.
Mitten im Wald (dem Wandelholz) in einer Ruine haust der Schattenjunge. Begleitet von einem Fuchs. Und wie ein Schatten bewegt er sich durch den Wald, fast unsichtbar, fast unhörbar. Herumstreunende Schulkinder entdecken ihn durch Zufall. Neugier, Verachtung, Furcht und Faszination sind die Gefühle, welche sich Junge und Schulkinder langsam annähern lassen. Ein verängstigter, scheuer Junge, der sich über Monate im Wald allein versorgt hat, fasst Vertrauen zu anderen Menschen. Die Schulkinder hingegen lernen den Wald kennen. Sie lernen, die Natur zu sehen und zu fühlen. Die üblichen freizeitfüllenden aber unbedeutenden und unwichtigen Beschäftigungen wie beispielsweise Markenkleidung kaufen oder andere Schüler „abziehen“ geraten mehr und mehr in den Hintergrund. Immer mehr Kinder schließen sich der Wald-Gruppe an. Verbringen ihre Freizeit – und manchmal auch die Schulzeit – im Wald. Lernen in diesem Umfeld etwas kennen, was ihrem Leben noch einen ganz anderen Sinn gibt. Statt rowdyhaftem Verhalten dringen Gefühle wie Einfühlsamkeit und Gemeinschaftssinn an die Oberfläche der Kinder. Der Wald wandelt sich durch die Jahreszeiten. Und die Kinder wandeln sich im und durch den Wald.
Ein stiller Beobachter ist der alte Herr Grönholdt. Gemeinsam mit seinem alten Dackel Wotan verfolgt er von seinem Ansitz aus einige Szenen. Zwischen ihm, einer alten Dame an der Bushaltestelle und dem Shadowboy gibt es zunächst nur unsichtbare Fäden.
Die Erzählung verläuft ruhig. Die Ereignisse entwickeln sich stetig. Und durch die Schilderung unterschiedlicher Betrachter ist es, als würde sich ein 3-D-Bild vor Augen aufbauen.
Eine schöne Geschichte. Es gibt ein glückliches Ende. Und die Vorstellung, dass heutige Kinder tatsächlich aus ihrer Gameboy- und Selfie-Welt heraustreten können, ist doch wunderbar. Und: Eltern und Erzieher, fasst euch an die eigene Nase. Was tut ihr, damit die euch anvertrauten Kinder gar nicht erst in dieser Scheinwelt verloren gehen? Wenn Konsum zum Gott erhoben wird, geht jede Empathie verloren.
Handelt es sich um ein Jugendbuch, weil so viele Kinder darin zu finden sind und es ihre Handlungen sind? Eher nicht. Erwachsenen sei dieses Buch zu empfehlen. Es bedarf keines seltsamen Jungen im Wald, um Kinder das Wunder der Natur und die Vielfalt menschlicher Gefühle zu vermitteln. Wir sind alle aufgefordert, die Neugier der Kinder zu wecken und ihnen zu zeigen, dass neben der TV-Welt tatsächlich noch eine andere Wirklichkeit existiert.
Ein stilles, gut lesbares Buch, das sehr nahe geht.
166 Seiten, Uni-Edition
ISBN 978-3944072401