Dark Spring Festival 2018

Whispering Sons
Whispering Sons

24. März 2018

BERLIN, BI NUU

Auf einem Stück schwarzen, quer über das wieder einmal stilvolle Plakatdesign platzierten Tape standen die Worte „Sold out“. Jene, die sich erst kurzfristig entscheiden und ihr Ticket für das Dark Spring Festival an der Abendkasse erwerben wollten, hatten sich verkalkuliert. Zwei Tage zuvor waren alle Karten ausverkauft. Für die Gastgeber – die Berliner Band „Golden Apes“ – war dies Bestätigung und verdienter Lohn für ihre hervorragende Arbeit. Und ein Hinweis auf das große Interesse an musikalischen Entdeckungen abseits des Mainstreams. Die Wertschätzung kleiner Underground-Veranstaltungen mit guter Livemusik scheint stetig zu wachsen. Eine erfreuliche Entwicklung, deren Ende hoffentlich noch nicht erreicht ist und in deren Zuge sich auch andere Festivals etablieren können.

Dark Spring Festival 2018Bereits zum neunten Mal stand das Dark Spring Festival unter dem Leitmotiv gitarrenlastiger, dunkler Musik. Wer jedoch meint, dass die klare Ausrichtung keinen Spielraum für Abwechslung zulässt, irrt gewaltig. Die Macher des Festivals schaffen es ein ums andere Mal ihren Gästen eine mannigfaltige internationale Zusammenstellung zu bieten. In diesem Jahr reisten die Bands aus Deutschland, Russland, Schweden und Belgien an.

„Sweet Ermengarde“ hieß die Anwesenden mit atmosphärisch-dichten Klängen willkommen. Die feinen Gothic-Rock-Stücke mit Überlänge und voller pathetischer Dunkelheit erinnerten ein wenig an „Fields Of The Nephilim“. Insbesondere die raue Stimme von Sänger Daniel Schweigler legt diesen Vergleich nahe. Die nach einer Kurzgeschichte von H. P. Lovecraft – eine Parodie auf ein romantisches Melodram, die der bekannte Autor unter dem Pseudonym Percy Simple veröffentlichte – benannten Band zog zunehmend die Aufmerksamkeit in der noch nicht ganz gefüllten Location auf sich und bekam den verdienten Applaus. So sorgten die Bochumer für einen schönen und gelungenen Einstand.

„A Projection“, die zweite Band des Abends, wussten ebenfalls zu überzeugen. Treibende, melodiöse Basslinien und Rhythmen fanden schnell ihren Weg in Kopf und Beine. Der mitreißende und sicherlich von „Joy Division“ inspirierte Post Punk nahm die Zuhörer mit auf eine Zeitreise in die 80er Jahre, ohne allerdings angestaubt und altbacken zu wirken. Im Gegenteil: Der Klang, den diese Dekade so beliebt macht, wurde von den Schweden in die Gegenwart transportiert. Zugegeben: Das musikalische Rad wurde nicht neu erfunden, aber es machte Spaß, der angenehmen Stimme des sehr agilen Sängers zu lauschen und den eingängigen Songs wie „Transition“ den Weg ins musikalische Gedächtnis zu gewähren.

Als nächstes traten die zufrieden wirkenden Hausherren ins Rahmenlicht. Wer mochte es ihnen auch verdenken? Ein tolles Line-up hat für ein ausverkauftes Haus und ein erwartungsfrohes und dankbares Publikum gesorgt. Mit dieser Zufriedenheit im Rücken boten die „Golden Apes“ einen kurzweiligen und genussvollen Auftritt. Die tiefe Stimme des wie immer in sich gekehrt wirkenden Peer Lebrecht in Kombination mit melancholischen Klängen zog die Zuhörer in einen dunklen Strudel, der Platz für Kopfnicken und rhythmisches Hin- und Herwiegen ließ. Sich den weichen Melodien hingebend und Projektionen von nebelverhangenen, kargen Moorlandschaften, auf die ab und zu dezent ein Sonnenstrahl fällt, auf die Leinwand des geistigen Auges zulassend, verging der Auftritt wie im Flug.

Das unvergessliche Konzert von „Whispering Sons“ im Rahmen des letztjährigen Wave-Gotik-Treffens im Gedächtnis war meine Erwartungshaltung entsprechend hoch. Und wie damals kam mir schon während des Auftritts ein mehr als anerkennendes und dankbares „Wow“ über die Lippen. Nach beschreibenden Worten suchend kommen mir als erstes „beispiellos“ und „großartig“ in den Sinn. Ebenso wie „erstklassig“. Oder „fesselnd“. „Whispering Sons“ sind im Bereich des Post-Punks zu Recht eine Band der Stunde, was sie an diesem Abend eindrucksvoll unter Beweis stellen konnten. Sind Stücke wie beispielsweise „Wall“ und „Performance“ auf Platte schon herausragend, gewinnen sie live noch an Intensität. Aber auch zahlreiche bisher unveröffentlichte Titel standen dem in nichts nach. Schwelgerische Gitarrenmelodien, tiefe Bassläufe, sich in den Körper schleichende Rhythmik und synthetische Klänge ergaben eine faszinierende Mixtur, der man sich nicht entziehen konnte. Gekrönt von Sängerin Fenne Kuppens, die nicht nur mit ihrer herrlich dunklen Stimmlage, sondern ferner mit so manch emotionalem Ausbruch begeisterte. Das voller Inbrunst in Mikrophon geschriene „Insight“ verursachte Gänsehaut. Entsprechend wurde die Band aus Belgien gebührend beklatscht und gefeiert. Wer die Möglichkeit hat, „Whispering Sons“ auf der Bühne zu erleben, sollte sich vom relativ unscheinbaren Äußeren der fünf Musiker nicht täuschen lassen, sondern sich umgehend eine Konzertkarte sichern.

Die zahlreichen Motorama-Fans werden es mir hoffentlich verzeihen, aber für mich hätte der Abend zu diesem Zeitpunkt beendet werden dürfen. Ich war – wie viele andere – glücklich und zufrieden. Eine Steigerung erschien unmöglich. Selbstverständlich ließ ich mich von diesem Eindruck nicht abhalten und verfolgte den Auftritt von „Motorama“ neugierig. Doch richtige Begeisterung konnte das russische Trio bei mir nicht auslösen. Einigen anderen Konzertbesuchern ging es wohl ähnlich und so lichteten sich die Reihen ein wenig. Nichtsdestotrotz wurden Titel wie „Heavy Wave“ und „One Moment“ lautstark bejubelt.

Wer nun noch nicht genug hatte, konnte bei der Aftershowparty weiter das Tanzbein schwingen. Durchschwitzte Shirts, geschwollene Füssen und strahlende Gesichter waren Beweise für einen gelungenen Abend. Der Termin der Jubiläumsveranstaltung ist bereits jetzt im Kalender vermerkt: Am 23. März 2019 feiert das Dark Spring Festival seine zehnte Auflage.

Fotos: Marcus Rietzsch

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