Eric Fish & Friends – Gezeiten

Eric Fish & Friends - Gezeiten

Das siebte Studioalbum von Eric Fishs Liedermacherprojekt beginnt mit einer aus dem Alltag gegriffenen Geschichte des Scheiterns, bei der die Hoffnung nicht stirbt und am Ende sogar ein Licht angeschaltet wird. Mehrstimmig wird der Text eingesungen, bevor die Akustikgitarren und das Schlagzeug einsetzen. Was bei diesem Fish-Album sofort auffällt, ist das dominante Schlagzeugspiel. Dieses Instrument war zwar schon beim Vorgängeralbum „Mahlstrom“ vertreten, jedoch bei „Gezeiten“ ist es fester Bestandteil des Instrumentariums. Und auch die von Rainer Michalek eingespielte Mundharmonika sorgt wieder für Gänsehaut, heult sie doch ihren warmen Ton in genau die richtigen Stellen hinein. Ansonsten sind Gerit Hecht an Piano und Akkordeon und, diesmal als Gastmusiker gelistet, Etienne Hieksch am Bass und Hildebrandt mit von der Partie. Der mehrstimmig vorgetragene Refrain „Immer immer wieder auf und ab immer wieder vom Olymp herab / Immer wieder auf den Berg hinauf / So ist das mit des Lebens Lauf […]“ ist wie ein Mantra, das Lust auf das Kommende macht.

Weiter geht es mit dem Stück „Gaia“, welches von der Mutter Erde berichtet. Dem Planeten, auf dem man steht und lebt. Der Text weckt das Bewusstsein, was jenseits des Asphalts, Verkehrs, der Büro- und Wohnhäuser um einen herum in der Natur passiert. Es weckt Bewusstsein, ohne den Zeigefinger zu heben und bedrohlich damit zu schütteln. An manchen Stellen erinnert der Text sogar etwas an Gerhard Gundermann, in Liedern wie „Halte durch“.

Auch der dritte Song der Platte handelt von der Natur. In „Elemente“ durchwandert man die Jahreszeiten und den Jahreslauf. Untermalt vom tänzelnden Rhythmus der Instrumente berichtet Eric Fish vom Regen, Wind und Schnee. Zwischenzeitlich steigert das Lied sich sogar in einen Sturm hinein, um dann wieder beschwingt auszuklingen. Der Mensch wird als Teil der Natur dargestellt, als winzig kleiner Teil. Was bei diesem Lied zum ersten Mal richtig auffällt ist der geniale Klang des Schlagzeuges, welches sehr gut ertönt, wie bei einem Live-Konzert. Eingespielt wurde dies vom mittlerweile festen Bandmitglied Friedemann Mäthger, welcher darüber hinaus Gesang beitragen konnte.

Mit „Sonnenwonnen“ bleiben wir bei der Naturbetrachtung, nehmen aber hauptsächlich die versöhnlichen und hoffnungsspendenden Aspekte dieser wahr. Der Refrain erinnert erneut leicht an Gundermanns Poesie, was eine angenehme Verbeugung darstellt. Sind doch die Worte ganz eigene und kein kitschiger Abklatsch. Generell muss man sagen, dass Eric Fish ein sehr guter Wortkünstler ist. Er trifft die Themen auf dem Punkt, vermag diese in unabgegriffene Metaphern zu verkleiden und ist dabei nicht anstrengend undeutbar.

Bei „Unterm halben Mond“ ist die erzählte Geschichte etwas konkreter. Eine Mondnacht, man sitzt mit gefüllten Weingläsern in der Nähe eines Sees. Ein ganz besonderer Moment entsteht, doch das lyrische Ich beginnt plötzlich zu weinen. Jetzt wird das Lied richtig stark. Denn „Und was ist denn schon dabei, wenn unterm halben Mond / Eine Träne in Dein Herz Dir fällt dorthin wo die Sehnsucht wohnt / Was ist denn schon dabei, wenn unterm Sternenzelt / Ein neuer Traum Gestalt annimmt / Sich leise schleicht in Deine Welt“. Die Naturbeschreibung und die Geschichte gehen Hand in Hand. Am Ende formt sich ein Traum, der gelebt werden möchte und der Text bestärkt darin. Hier liegt die Stärke der Andeutung. Da die Geschichte nicht ganz auserzählt und eher vage bleibt, wirkt sie intensiver nach.

In „Lass mich los“ geht es um ein ersehntes Ende. Ein Traum ist gescheitert, will zu Ende gebracht werden, was aber nicht leichtfällt. Jemand möchte nicht loslassen. Das Album wird ab diesem Lied nachdenklicher und etwas melancholischer. Verliert aber nicht seinen eigenen voranschreitenden Rhythmus. Entfremdete Nähe fällt einem zu dem Lied ein. Dieses endet mit einem sehr stimmungsvollen Gitarrenspiel, bei dem die Stimme schweigt.

Ein fremder Text hat sich in das Album eingegliedert, dieser stammt von Michael „Bodenski“ Boden. In ihm geht es um die Sehnsucht nach einem Ort, der Zuhause ist. Dieser wird im Norden gefunden, da dieser den Charakter des lyrischen Ichs am besten spiegelt. Musikalisch wird es rauer und treibender.

„Aurora“ setzt die Reise fort. Eine Reise in fremde Länder, auf der Suche nach Erkenntnis und neuem Wissen. Kaum ist die Mannschaft von ihrer Ausfahrt zurück, verlangt die Menge nach neuen Geschichten und Liedern. Ein ewiger Kreislauf, der mit mäanderndem Bass und seemännischem Chorus stimmungsvoll vertont wurde.

Finsterer geht es in „Gestrandet“ zu. Berichtet wird von einer Ausfahrt auf großem Schiff. Man wurde vertrieben und sucht gemeinsam nach einer neuen Bleibe. Doch bald offenbart sich das wahre Gesicht des Menschen: „Des Menschen Natur ist nicht zum Teilen bereit / Willkommen willkommen in der Wirklichkeit / Genug ist uns nie genug in dieser Zeit / Willkommen willkommen in der Wirklichkeit“. Und kaum ist man auf dem ersehnten Eiland angekommen, entbrennen blutige Kämpfe um Macht, Essen und Ansehen. Neid und Gier als ständiger Begleiter des Menschen. Selbst in Extremsituationen. Ein sehr düsteres und eindringliches Lied mit einer Parabel, die lange im Gedächtnis bleibt. Und das Urteil obliegt dem Rezipienten, denn es heißt so treffend: „Zeigt nur auf uns / Los straft uns Lügen / Genug wird uns nie genügen“.

Das Lied „Mutter“ beginnt mit Piano und der ausdrucksstarken und vielfältigen Stimme von Eric Fish. Ein erwachsener Sohn ruft seine Mutter an und legt dar, wie er sie wahrnimmt. Leise muss man an die eindringlichen Pianostücke von Rio Reiser denken. Am Ende folgt ein non-verbaler Refrain, der mit „hey ja hey ja hey ja ho“ eine weitere Ebene öffnet.

Das vorletzte Stück des Albums richtet sich „An die Kinder“. Ein Elternteil berichtet davon, wie es das Aufwachsen der eigenen Kinder wahrgenommen und erlebt hat. Oder auch nicht. Denn nicht immer war das Elternteil dabei, wenn das Kind zum ersten Mal etwas getan hat. Es geht um die verpassten und die miterlebten Momente. Und am Ende auch um die eigene Vergänglichkeit. Es folgt der Aufruf „An meinem Grab sollst Du tanzen / Nicht unglücklich sein / Sollst lächeln leis‘ summen unterm Mondenschein […]“. Eine Aufforderung, der es nicht leicht ist nachzugehen, die dennoch gerade für die Person, die diese ausspricht, versöhnlich klingt. Auch im Lied wird eingehend gesummt. Das Piano ist dominantes Instrument. Und am Ende, bevor das Lied wie mit einer Spieluhrmelodie ausklingt, heißt es: „[…] Du bist nicht allein, denn die Erinnerung lebt hier / Hier bist Du allein mit ihr“. Eine Zeile, wie eine vertraute Hand auf der Schulter.

Am Ende der emotionalen und musikalischen Reise durch die Gezeiten steht das Stück „Dazwischen“. Das lyrische Ich durchschreitet einen Friedhof inmitten einer lauten Stadt. Ein Ort der Ruhe und der leisen Töne und Gedanken. Man selbst stellt fest, dass alles was zählt, die Zeit zwischen Leben und Tod ist. Solange diese Geschichte erzählt wird, wird man vermisst, bleibt man in Erinnerungen erhalten. „Sprecht nicht vom Anfang, vom Ende dann / Erzählt von dem Dazwischen“.

Dies haben Eric Fish & Friends auf diesem Album getan. Sie erzählen Geschichte, die mehrfaches Hinhören verlangen und dabei auch Freude bereiten. Sie laden zum Nachdenken, sich aus dem eigenen Alltag ausklinken und zum verträumten Mitsummen ein. Sie erden. Die Musik dient dabei nicht nur als untermalendes Element, sondern ist vielfältig, sehr stimmig komponiert und weiß nicht nur in den leisen Momenten zu überzeugen. Mit dem Live-Album „Auge in Auge“ begann Eric Fish seine zweite Etappe auf der Reise als Liedermacher und knapp sechzehn Jahre später ist er lange noch nicht angelangt, jedoch stark gereift und textlich auf einem Zwischengipfel angekommen. Was das Album zu einem weiteren Genuss macht, sind seine im Booklet abgedruckten Gemälde, denn er singt nicht nur und spielt nicht nur Gitarre, er malt sogar. Und das sehr passend zu seinen Wort- und Klangkonstrukten. Irgendwie denkt man nach den gut 52 Minuten Spielzeit, dass man gerne noch länger gelauscht hätte. Die jetzige Besetzung ist so gut aufeinander abgestimmt, die Musik klingt wie ein Heimkommen. Doch dies kann man bestimmt bald auf einem weiteren Album, und wenn es die Zukunft zulässt auch wieder auf einem der vielstündigen Konzerte von Eric Fish & Friends.

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