Franken-Schwarz-Festival 2006

6. Mai 2006

HOF, KULT

Wir schrieben den 6. Tag des 5. Monats im Jahre 2006 nach Christus. Im sonst so verschlafenen nordöstlichen Teil Bayerns tat sich etwas: „Lasterhafte“ dunkle Seelen suchten die gutbürgerliche und seit kurzer Zeit auch von einem „schwarzen“ (christlich-sozialen) Bürgermeister regierten fränkische Kleinstadt Hof heim. Anlass war das vierte Franken-Schwarz-Festival in der Veranstaltungsstätte „Kult“. Als die ersten Bands die Bühne betraten, sollten an der Abendkasse noch Restkarten erhältlich sein. Wenig später prangte für spontan Angereiste aber ein unheilvolles „Ausverkauft“-Schild am Einlass. Die Kapazität der Halle – Angaben des Veranstalters sprachen von 900 – war ausgereizt.

Im Gegensatz zum Namen des Festivals war es natürlich keine rein fränkische Veranstaltung. Nicht nur die Bands waren aus allen Teilen der Republik angereist – nein, auch der eine oder andere Kartenbesitzer hat einen weiten Weg auf sich genommen, um beim 4. FSF dabei zu sein. Sogar Gäste aus dem Ausland konnten begrüßt werden.

Gespannt konnte man auf die Location sein, welche erst Ende des letzten Jahres seine Eröffnung feierte. Nun ja, es mag wohl bessere Örtlichkeiten für solch ein Festival geben – aufgrund der Tatsache, dass die Ausläufer einer überdachten Bar bis ca. fünf Meter an die Bühne reichten, ist dieser Bereich nahezu prädestiniert, um zum Nadelöhr zu mutieren. Nichts desto trotz entwickelte sich an diesem Abend eine phantastische Stimmung – sowohl auf als auch vor den Brettern, die die Welt bedeuten.

Nachdem ich den Kurz-Auftritt der Bayreuther Zyklus:N verpasst hatte, wurde die Bühne für Seelenzorn vorbereitet. Für die drei Sänger, einen Gitarristen und insbesondere für zwei Tänzerinnen hätte diese sicherlich etwas größer aus-fallen können. Um die Umbaupausen zu verkürzen, waren im Hintergrund aber schon die Schlagzeuge der nachfolgenden Bands aufgebaut und somit mussten die Akteure im vorderen Bühnenbereich agieren. Die Mischung aus harten Gitarrenriffs, elektronischen Beats, synthetischen Sounds und deutschen Texten erfreute das Publikum. Die beiden Tänzerinnen, welche an diesem Abend nicht die einzigen bleiben sollten, versuchten dies optisch zu untermalen. Für meinen Geschmack wirkte dies aber zeitweise etwas steif und zu einstudiert. Alles in Allem aber ein sehr guter Anheizer für die weiteren Künstler.

Wie beispielsweise für die anschließend vom Publikum stürmisch willkommen geheißenen Staubkind. Für die Berliner war es ein besonderes Konzert – wird man in diesem Jahr doch nur noch ein einziges Mal auf eine Bühne steigen, um dann zunächst ins Studio zu verschwinden und neues Material aufzunehmen. Den Fans wurde auch schon einmal vorab das neue Stück „Ausgebrannt“ geboten. Sowohl bei diesem als auch bei den bekannteren Stücken wie beispielsweise „Keine Sonne“ und „Mein Herz“ war die Stimmung ausgelassen. Staubkind verabschiedete sich nach einer viel zu schnell verstrichenen Stunde mit „Ein Traum der nie vergeht“ – einer Coverversion der Gruppe Selig.

Obwohl an diesem Abend zeitgleich ein Burgfest in Hof stattfand (frei nach Murphy´s Law: die wenigen interessanten Veranstaltungen überschneiden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit), waren massenhaft Fans der Klänge von Schalmei und Dudelsack anwesend. Vermischt mit harten Gitarren heizten diese dem Publikum gehörig ein – die pyrotechnische Show, welche Saltatio Mortis boten, ergab ihr übriges. Glücklicherweise wurde ein anfängliches Soundproblem – der Sänger war nur unzureichend zu verstehen – schnell behoben, wodurch niemand auf die amüsanten Ansagen und humorvollen Seitenhiebe auf Mitmusiker verzichten musste. Die Befürchtungen von Saltatio Mortis, dass man an diesem Tage ohne Computer letztendlich keine Chance hätte, konnte das Publikum zur Freude der mittelalterrockenden Musiker eindrucksvoll entkräftigt werden. Auf Kommando wurden die Hände der Band entgegen gereckt, geklatscht und geschrien.

Zwischendurch gab es immer die obligatorische Pausenmusik… nun ja, hier sollte diese wohl weniger zur Unterhaltung als vielmehr dazu dienen, die Besucher nach draußen zu den Ständen vor der Halle zu „locken“, um dort haltlos zu konsumieren – was sich bei frühlingshaftem Wetter glücklicherweise sehr angenehm gestaltete. Für das eher untypische musikalische Zwischenspiel wurde man aber schließlich mit guter „Livemusik“ entlohnt.

Die meisten Elektrobands greifen auf modernste Computertechnik zurück. Nicht so Welle:Erdball. Sie feier(t)en den C64 – einen mittlerweile zum Kult gewordenen Computer der Marke „Commodore“, welcher in den 80er Jahren für so manchen Jugendlichen den Einstieg in die magische Welt der neuen Medien bedeutete. Welle:Erdball transportieren dann auch den Charme der 80er-Jahre ins neue Jahrtausend. Futuristisch und nostalgisch, ausgesprochen cool und irgendwie sympathisch – vielleicht widersprüchlich, aber trotzdem typisch Welle: Erdball. Die beiden männlichen Protagonisten – Sänger und „64er-Spezialist“ – wurden musikalisch als auch visuell von zwei kühlen Damen unterstützt. Kritische Ansagen und Texte gehörten ebenso zum rundum gelungenen Auftritt als auch drei Video- bzw. Dia-Installationen und die obligatorischen XXL-Welle:Erdball-Ballons, welche ins Publikum „geworfen“ wurden und für den einen oder anderen Fan ein willkommenes Souvenir darstellte.

Der Abschluss eines stimmungsvollen Festivals ließ leider unverständlicherweise (die Arbeiten auf der Bühne waren längst abgeschlossen) lange auf sich warten. Fast eine Stunde verging zwischen dem Abgang der C-64-Helden und dem Intro, welches das Set von Blutengel ankündigte. Trotzdem freuten sich die Verbliebenen auf einen der in diesem Jahr rar gesäten Auftritte der Berliner Band. Blutengel sind keine typische Liveband im ursprünglichen Sinn. Instrumente sucht(e) der Besucher vergebens. Female und Male Vocals, synthetische Melodien und Beats („vom Band“), sowie eine visuelle Umsetzung und Abrundung der Themen, welche von Liebe, Engel, Vampire, Romantik und Erotik handelten – das sind Blutengel. Im Mittelpunkt stand natürlich immer der charismatische Chris Pohl, welcher aber auch viel Platz für die beiden Sängerinnen Constance Rudert und Ulrike Goldmann und die Tänzerinnen/Statisten ließ. Letztere kamen in unterschiedlichen Outfits auf die Bühne, um die Texte theatralisch und tänzerisch zu untermalen. Man merkte, dass die Band viel Wert auf optische Reize legt. Hier sollte dann auch einmal ein kritisches Wort erlaubt sein: Licht- sowie sichttechnisch war dies sicherlich nicht optimal. Des Öfteren standen die Protagonisten im Halbdunkel. Noten- und Mikrofonständer waren für eine freie Sicht leider auch nicht gerade förderlich. Der Stimmung tat dies aber keinen Abbruch und somit kann man getrost von einem würdigen Abschluss eines guten Festivals sprechen.

Gewiss gab es den einen oder anderen Kritikpunkt (hier möchte ich auch gerne einmal an die Besucher appellieren: der Konsum der einen oder anderen Zigarette vor der Location hätte der Sauerstoffsättigung der Luft im Kult ganz bestimmt gut getan), im Großen und Ganzen dürften sich aber Musiker, Organisatoren und die zahlreichen Gäste zufrieden auf den Heimweg gemacht haben.

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