Von H.P. Lovecraft inspirierte Musik
Trotz aller Bekanntheit wird wohl nicht jeder Leser den Schriftsteller H. P. Lovecraft kenne. Doch dies ist Grundvoraussetzung, um seine Einflüsse auf die Musikszene zu verstehen. So bietet dieses Buch einleitend einen aussagekräftigen Einblick in die Person H. P. Lovecraft und sein Schaffen.
Howard Phillips Lovecraft – geboren am 20. August 1890, verstorben am 15. März 1937 – war ein amerikanischer Schriftsteller. Weltweit gilt er als DER Autor im Literatur-Bereich Phantastik und Horror. H. P. Lovecraft, der sich schon sehr früh für die Geschichten aus 1001 Nacht begeisterte und auch in die Geschichten der Klassik (Odyssee und Ilias beispielsweise) eintauchte, wurde dadurch zum Schreiben angeregt. Seine Vorliebe für Mysteriöses und Phantastisches schlugen sich schon in seinen ersten literarischen Versuchen nieder. Quasi durch einen Zufall wurde er zum Mitglied in einem amerikanischen Verein von Hobby-Schriftstellern berufen. Hier fand er in der Kommunikation mit Gleichgesinnten neue kräftige Anregungen. 1923 veröffentliche H. P. Lovecraft seine erste offizielle Geschichte. Nunmehr trat er in brieflichen Kontakt mit vielen bekannten Schriftstellern seiner Zeit wie beispielsweise mit Robert Bloch (Autor von Psycho) und Robert E. Howard (Autor von Conan der Barbar).
Die wirtschaftlich schwierige Lebenssituation, Zerfall der Ehe und aufkommender Menschenhass trieben sein Denken und Fühlen immer mehr in eine Phantasiewelt, in der er viele seiner Geschichten fand. Die bekanntesten stammen aus seinem letzten Lebensabschnitt: Der Fall Charles Dexter Ward oder Berge des Wahnsinns. Hier vereinen sich soziale Utopien mit Horror und Science Fiction.
H. P. Lovecraft sah sich selbst als Autor für anspruchsvolle Literatur. Wirkungsvoll, detaillierte Schilderungen, großartige Inszenierungen sollten starke Gefühle ausdrücken als auch beim Leser hervorrufen. Seine manierierte Art entsprach dem Verhalten und den Umgangsformen der Menschen des 18. Jahrhunderts – und so fühlte er sich auch. Er lebte in seiner eigenen Welt und datierte jeglichen Schriftwechsel um 200 Jahre zurück. Dementsprechend fiel auch sein Schreibstil aus. Etwas antiquiert und mit alten englischen statt amerikanischen Ausdrucksformen durchsetzt.
„Die älteste und stärkste Emotion des Menschen ist Furcht, und die älteste und stärkste Form der Furcht ist die Angst vor dem Unbekannten. Diese Tatsachen wird kaum ein Psychologe bestreiten, und sie begründen ein für allemal Echtheit und Rang der übernatürlichen Horrorgeschichte als literarische Form.“ – H. P. Lovecraft: Supernatural Horror in Literature, S. 12
Schauergeschichten, Traumweltgeschichten und Mythosgeschichten – so lässt sich Lovecrafts Schaffen grob in drei Kategorien unterteilen. Hierbei ließ er sich durch verschiedene Schriftsteller inspirieren. Unter anderem durch Edgar Allan Poe. Doch auch andere Einflüsse gesteht er ein: Lord Dunsany, antike Klassiker wie Herodot, Plutarch und Epikur, Arthur Machen, Lord Byron, Charles Baudelaire, William Butler Yeats, Dante, Shakespeare, Goethe, John Keats, John Milton, Platon und Homer. Aber auch die bildende Kunst wirkte auf seine Phantasie: Jack Butler Yeats, Harry Clarke, Aubrey Beardsley, Johann Heinrich Füssli, Gustave Doré und Francisco de Goya.
H. P. Lovecraft sog all das in sich auf und gebar eine kaum überschaubare Menge und Vielfalt an Geschichten, Gedichten, Essays und vieles andere mehr.
Später avancierte er zum Kultautor. Dessen in seinen Geschichten verankerter Cthulhu-Mythos wuchs sich bei seinen Anhängern zum Cthulhu-Kult aus. 2005 baute darauf sogar ein Computerspiel auf.
In einer Welt, in der Wissenschaft und Aufklärung die Sichtweisen bestimmen, bleibt für Träume und Wunder kein Platz. Diesen Raum bieten aber Lovecrafts Schriften. Entlegene Welten, höhere Wesen, andere Dimensionen, kosmische Gottheiten entführen den Leser in eine Welt, in welcher alles unbestimmt und unvorhersehbar ist.
Die Leser der Werke von Lovecraft spekulieren noch heute darüber, ob es das fiktive Buch „Necronomicon“, welches in vielen Erzählungen erwähnt wird, wirklich gibt oder gab.
Geistige Erben seines Phantasie-Vermächtnisses sind unter anderem H. R. Giger oder auch Stephen King und Wolfgang Hohlbein. Und sehr viele Musiker wurden durch Lovecrafts Schriften zu ihren textlichen Adaptionen angeregt.
Musik als ein kreativer Ausdruck für die Sicht auf die Welt und die Wirklichkeit im Streit mit der Phantasie und den erlebbaren Ängsten – die Musiker greifen oft auf die sie selbst prägenden Einflüsse zurück. Auf Aleister Crowley, Friedrich Nietzsche und eben H. P. Lovecraft.
1967 fand sich eine Rockband zusammen, die sich den Namen „ H. P. Lovecraft“ gab. Nur einige Namen von weiteren Bands, die sich durch diese Horror-Phantastik-Literatur inspirieren ließen: Black Sabbath, Metallica, Cradle of Filth, The Vision Bleak, Fields of the Nephilim, Garden of Delight oder Whispers in the Shadow.
Eine äußerst detaillierte Analyse, auf welche Werke, Textstellen, Aussprüche sich welche Musik-Band bezieht und wie sie dies in der Musik umsetzen, verfasste Gary Hill im vorliegenden Buch. Unterschiedliche Länder, die verschiedensten Gruppen, das Untersuchen und Vergleichen – eine mühevolle und gewissenhafte Arbeit. Manch rätselhaft anmutender Liedtext erhält nun einen Bezug, einen Sinn. Manch merkwürdig erscheinender Band-Name wird nun logisch. Hill interviewte, stellte Fragen, hinterfragte Lieblingsgeschichten. So in die Tiefe gehend, so akribisch – fast vermag man die Musik zu lesen, statt sie zu hören.
Viele Musiker haben also Lovecrafts Phantasie umgesetzt. Viele Musikhörer, die sich bisher nicht mit Lovecraft beschäftigt haben, wird dieses Buch vielleicht ein Anreiz zum Lesen sein. Lesen, um die Musik einer Lieblingsband nunmehr mit ganz anderen Gefühlen besser zu verstehen.
Übrigens steht auf dem Grabstein von H. P. Lovecraft als Graffiti ein Zitat aus einer seiner Geschichten: „That is not dead which can eternal lie, and with strange aeons even death may die.“ (Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.)
ISBN 978-3-939459-10-8