Günter Abramowski – Vom Turm

Gedichte sind Wortwege. Möglicherweise auch Wortlebenswege. Wie in diesem Fall. Ich begebe mich auf die Spuren eines Lebens, welches mich zuweilen anspringt. Manchmal schleicht es sich vorsichtig an. Manchmal schlagen mir kratzige Zweige auf diesem Weg ins Gesicht. Manchmal weichen dieselben aber vor mir zurück und wollen sich nicht fassen lassen. Leben – man bekommt es geschenkt oder aufgedrängt, man muss damit irgendwie zurechtkommen. Und dann beschreibt einen das Leben. Graviert Spuren in das Innere, in die Haut und brennt Bilder in die Augen ein. Letztendlich… was macht man damit? Die meisten Menschen verschwenden keine Gedanken an diese Spuren des Lebens. Vergessen, ignorieren. Günter Abramowski stellte sich seinen Wortwegen und schrieb sie auf.

Unkonventionell, ohne Punkt und Komma, mit Schimpfworten, mit Anglizismen, Kleinschreibung… so wie man sich täglich umgangssprachlich ausdrückt. Wenn ich etwas ausspreche, fühle ich mich frei in der Interpretation. Nichts fesselt mich in ein Wortgerüst. Ich spüre in diesen Wortwegen einem, seinem und auch meinem Leben nach. Die Gedichte „Vom Turm“ sind frei geschrieben und lassen dem Leser jede Freiheit.

So wirft der Titel des einleitenden Gedichtes „Hoffnungsträger“ schon die erste und nachgrübelnde Frage auf: wer war wessen Hoffnungsträger?

„der spaziergang am ufer
war das ritual
der sonntage meiner kindheit
vater führte mutter & mich
streute die asche der zigarre
beim dirigieren des monologs
bis der stummel gefallen
dann kehrte er um (…)“

Eltern-Kind-Beziehungen sind offen, wachsend, konfliktreich. Und so entwickelt sich auch dieses Gedicht „Hoffnungsträger“. Ich finde mich wieder.

Kleine irritierende Sequenzen („bin ich verloren bin ich frei“) wechseln sich mit längeren Gedichten wie beispielsweise „im schnee“ mit der Zeile „ich will nichts wissen aber ja ich will“ ab.

Ich will nichts wissen, aber ich muss? Will ich? Ist das nicht mein tägliches Dilemma? Ich forsche diesem Wortweg nach. Nach seinem, meinem Wortweg. Was hat mich noch besonders bewegt? „niemandes lied“„ich will in deinem liede froh sein“ … in dir will ich froh sein. Zauberhafttraurig mit einem Zukunftsblick. Mein Wortweg.

Klappentext:

„Abramowskis ‚Turm‘ ist Ausgangspunkt für seine Ausflüge durch die Welt des Alltags – der Ort, in der Tiefe der inneren Stille, die Welt in einem anderen Licht zu sehen.

…den höchsten punkt zum sprung
dass meines geistes flügel frischen wind
nicht des verstandes last
den geistesflug mit unerfahrnen
grund- & glaubenssätzen schwert…
Lassen Sie sich ein auf die komplexe, zum Teil surrealistische Bilderwelt der Lyrik von Günter Abramowski!“

Das Gedicht „vom turm 1“ mit der Zeile „mein sehnsuchts-welten-sternenblick“ spiegelt Liebe in sanfter Umschreibung, zärtlich ohne Rebellion wider.

Bitter hingegen „dies blutige leben“:

„jeder tag ist jüngster tag
denen die sich frei bewegen“

…wenn die Tage kürzer werden, wenn der Abend dämmert und wenn der Zeit dunkler Schatten sich auf mich zubewegt. Mein Wortweg.

Ungemein schön ist die „fahrt in den sonnenaufgang“ – eine Hommage an die Natur, an das Blühende, an das Leben:

„trifft ein strahl
der rotgoldenen kugel
durchs auge
mich direkt ins ziel“

Wortwege durch ein Leben, nahegehend, sich darin suchend und wiederfindend, sich einlassend. Innehalten und Parallelen zulassen. Kleine und große Episoden, friedlich, hadernd, zweifelnd, hoffnungsvoll. Wege durchs Leben. Gedichte, die für sich und für Günter Abramowski und für den Leser sprechen.

Über den Autor:

„Günter Abramowski, geboren 1948 in Bochum, studierte Sozialarbeit in Dortmund; arbeitete dort als Drogenberater. Später andere Tätigkeiten in anderen Städten. Er lebt heute wieder in Dortmund. Günter Abramowski ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller.
Publikationen:
Szenen einer Überfahrt, Gedichte, 1992, Frankfurt
Die Umarmung, InnenraumFiktionen, 1994, Dortmund
Sterne wie wir, Gedichte, 2000, Herdecke
Weit & hoch & tief & rund, Gedichte, 2004 Hockenheim
Zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften“

ISBN 978-3-939771-27-2
Elbaol Verlag

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