3. Dezember 2020 - 29. August 2021
KUNSTHALLE „TALSTRASSE“, HALLEGünter Rössler, geboren 1926 in Leipzig, war einer der DDR-Fotografen, die auch außerhalb des sozialistischen Systems Aufmerksamkeit fanden. Die Ausstellung „Günter Rössler – AugenBlicke“ würdigt den vielseitigen Tatendrang dieses Künstlers und gibt einen breiten Einblick in sein Schaffen.
Der erste Raum der Ausstellung zeigt Fotografien, die Rössler auf Reisen aufgenommen hatte. Sie zeigen Straßenzüge, Milieus, Porträts, Stimmungen. Prägnant sind das Bild eines kauernd dasitzenden Jungen, der sein Gesicht zwischen seinen Knien verbirgt (Nessebar, 1968), genauso wie eine Fotografie einer verregneten und leicht verschwommenen Straße in Albanien der 1960er Jahre bei Nacht. Auch das Bild eines Paares, dass in einem Café sitzt und deren Gesichter von Tageszeitungen verdeckt werden, sticht heraus. Bereits diese wenigen Aufnahmen zeigen, dass Rössler einen Blick fürs Detail wie auch für besondere Szenerien besaß. Diese fing er stimmungsvoll in Schwarz-Weiß mit seiner Rolleiflex 6003 SRC 1000 und seiner Pentacon Six TL auf ORWO-Filmen ein. Die Momente scheinen dabei wie eingefroren und dennoch lebendig. Ein Zitat des Fotografen selbst fasst dies an der Galeriewand passend zusammen: „Das Fotografieren beginnt für mich immer ohne Kamera. Man muss sehen können, einen Sinn für das Besondere haben, Dinge aus der Umgebung heraustrennen können.“
Die nächsten beiden Räume sind der Thematik gewidmet, für die Rössler breiteren Ruhm erlangte: seiner Aktfotografie. Hier wird eine vielfältige Auswahl dieser Bilder gezeigt, von denen es 1984 sogar einige unter dem Titel „Mädchen aus der DDR“ in den Playboy geschafft hatten. Dabei sind Rösslers Akte um einiges künstlerischer als das, wofür diese Zeitschrift heute steht. Er zeigt selbstbewusste Frauen, deren Posen uninszeniert, natürlich und schön wirken. Seine Modelle waren Schülerinnen, Arbeiterinnen, Frauen wie jede andere auch. Vor allem sind sie markant und behaart. Bei Rösslers zurückhaltendem Stil wirken diese unverkrampft und eher subtil erotisch. So verbirgt das Model Renate auf dem Halbakt von 1968 ihre Brüste, hält lässig eine Zigarette in der grazilen Hand und blickt den Betrachtenden unvermittelt an. Dies spiegelt Rösslers Arbeitsweise „Denken, plaudern, beobachten – das Auslösen ist der letzte Akt“ wider. Faszinierend ist sein Umgang mit Licht und Schatten. Mal dominiert der Schatten, malt die Konturen der Frauenkörper nach; mal dominiert das Licht, welches die Körper weich und fast überbordend freundlich wirken lässt. „Ich möchte einen Augenblick festhalten – einen Augenblick, der nie mehr so sein wird, wie er war.“ Es entsteht eine Spannung, die zu faszinieren weiß. Und auch erheiternd wirkende Motive zählten zu seinem Repertoire. So zum Beispiel das Foto „Elfi, 1979“, auf dem eine Frau lachend ins Wasser stürzt. Eines der stillsten Fotos in diesem Teil ist die Aufnahme „Anja, 1985“. Gezeigt wird eine nackte Frau, die auf dem Bauch liegend im Bett ruht. Die ganze Szenerie wirkt ruhig und verträumt.
Der Ausstellungsteil im Obergeschoss und im Anbau rückt die Modefotografie in den Fokus, bei der gilt: „Ein Modefoto muss etwas über Mode, aber auch etwas über die Trägerin aussagen.“ Hier finden sich neben Schwarz-Weiß-Aufnahmen erstmals auch Fotografien in Farbe. Wobei bewusst auf das Grelle, Schillernde und Schrille verzichtet wird. Neben der Kleidung wird der Charakter der Modelle gezeigt, eine künstlerische Szenerie gestaltet. So sitzt ein Model in Leipzig am Rande einer belebten Straße, Passanten strömen verschwommen an ihr vorbei, während sie betont lässig und unbeteiligt im Stuhl lehnt. Ein anderes Bild zeigt eine Frau im Schulterporträt, einen Pelz um ihren Hals geschlungen. Doch der Blick der Frau zum Betrachtenden ist genauso wichtig, wie das Modeaccessoire. Jene Fotografien – welche einst in Zeitschriften wie „Sibylle“, „Linie“, „Das Magazin“ und „Modische Maschen“ erschienen – können jedoch bei weitem mit internationalen Größen mithalten. Hier wurde Mode auf eine angenehme, weltnahe Weise präsentiert. Mit einem Lächeln und innerer Eleganz.
Insgesamt vermittelt die Ausstellung mit den ungefähr 250 gezeigten Fotografien ein stimmiges Bild eines leidenschaftlichen Fotografen, der seine Motive auf natürliche Weise einzufangen vermochte und dennoch eine ganz eigene Handschrift entwickelt hatte. Die Natürlichkeit, Stille und eine gekonnte Einfachheit sind sein Markenzeichen.
„Das Einfache ist ein wichtiger Bestandteil meiner Bildvorstellung. Das Einfache, das oft so schwer zu machen ist.“