19. Mai – 11. Juni 2023
EHEMALIGE DAMPFMASCHINENFABRIK, BERLINNach dem Betreten der geheimen Location werden wir freundlich in Empfang genommen und erhalten eine Karte zur Orientierung und eine Art Hotelzimmerschlüssel. In einem mit senkrechten blauen Röhren beleuchteten Gang hören wir Vogelgeschrei. Eine Tafel verrät die Hintergründe: Inspiriert von den Grubenvögeln, die früher in Bergwerksstollen als Alarmsignal für einen zu hohen und somit tödlichen Stickstoffgehalt dienten, basiert die Klanginstallation von Bony Stoev auf den Realtimedaten der Social-Media-Accounts der Kardashiens. Der Künstler stellt u. a. die Frage, welche Warnsignale ausgesendet werden, wenn Menschen ihre Existenz an digitale Plattformen binden.
Angekommen in einer in schummrig rotes Licht getauchten, temporär errichteten Bar warten die Besucherinnen und Besucher darauf, dass auf einer digitalen Anzeige die jeweilige Nummer des ausgehändigten Schlüssels aufleuchtet und so der Eintritt signalisiert wird. Die neben dem Display auf einem Banner stehenden Worte „Hello Darkness… my old friend“ – ein Zitat aus dem Lied „The Sound of Silence“ von Simon & Garfunkel – könnte nicht passender gewählt sein. Verschluckt uns doch die Dunkelheit des verstaubten Gemäuers, nachdem wir den Ausstellungsbereich auf ungewöhnlichem Weg – durch einen Kleiderschrank – betreten haben.
Die beiden Organisatoren – Clara und Sven Sauer – haben für die zweite Auflage der Ausstellungsreihe „Himmel unter Berlin“ erneut einen außerordentlichen Ort gefunden. Das unter der Erde liegende Areal der seit vielen Jahrzehnten ungenutzten Dampfmaschinenfabrik bietet die beeindruckende und für manchen Gast möglicherweise beklemmende Umgebung für die teils geheimnisvollen und schwer zu fassenden Kunstinstallationen. Vorbei an alten Leitungen und Rohren führt der Weg durch enge, sporadisch ausgeleuchtete Gänge. Von der Decke hängende Schaukeln bieten hin und wieder Sitzgelegenheiten.
Auf einem Tisch aus Metall liegt eine verkrampft wirkende, mit angewinkelten Beinen zuckende menschliche Gestalt. Im Halbdunkel sind weitere Skulpturen zu erahnen. Eine unheimliche Installation, mit der sich der Steinmetz Matthias Rodach dem Thema „gesellschaftlicher Wandel“ und deren Fragen widmet. In einem hell erleuchteten Raum erwartet uns ein Meer aus weißen Plastiktüten, die zu atmen scheinen. Daneben wurden zwei Skulpturen aus Tierschädeln, Knochen und gesammeltem Plastikmüll aufgestellt. Einen Raum weiter erweckt wechselndes Licht tropfsteinartige Gebilde aus geschmolzenem Plastik zum Leben. Auf mehrere Wände projizierte Videosequenzen zeigen Gewaltexzesse in (demokratisch) gewählten Parlamenten – augenscheinlich ausnahmslos von Männern.
Durch das dunkle Labyrinth aus Gängen und Räumen zu wandern und die teils weiträumigen Werke zu ergründen, ist spannend. Besonders beeindruckt das wiederkehrende „Spiel“ mit tiefer Dunkelheit und temporärem Licht in Kombination mit Musik und Klangstrukturen.
Wie bei Sven Sauers begehbarer Arbeit „Exponentiell“, die das Artensterben thematisiert: Unheilvolles Aufblitzen und Surren von Duzenden elektrischer Moskitolampen in unregelmäßiger Häufung und Folge sorgen zunehmend für eine bedrohliche Atmosphäre.
Ebenso originell wie imposant präsentiert sich „Pair of opposites“: Mehrere lange „Stäbe“ rotieren – scheinbar freischwebend – um ihren Mittelpunkt. Durch diese Rotation und immer wieder neue Lichtsituationen erschafft Boris Acket ein lebendiges, sich laufend veränderndes Kunstwerk.
Nach etwa einer Stunde endet unser Rundgang in der roten Bar. Die Ausstellung umfasst insgesamt dreizehn abwechslungsreiche Installationen, die im Himmel unter Berlin teilweise erstmalig gezeigt werden:
- Grubenvögel von Bony Stoev
- Vom Larven und Häuten von Matthias Rodach
- O.T. 1190 – Where we find the End von Stefan Reiss und Karsten Schuhl
- Event Horizont von Kling Klang Klong
- Exponentiell von Sven Sauer (Sounddesign von Stephan Cremer)
- Seventy two von Nils Völker
- Toxic evolution von Alvaro Soler Arpa
- Valley of Transcendence von Ralf Schmerberg / Studio Plastik
- Parliament von Bianca Patricia Isensee
- Pair of opposites von Boris Acket
- Lasermice von So Kanno
- Polynode I von Lumus Instrument
- Warp von Elsemarijn Bruys
I was able to view Matthias Rodach’s installation „Vom Larven und Häuten“ at another location and was quite taken by its creativity, ingenuity and message. I like his work very much and love to see more of it.