Dem Eingeweihten sagt der Name natürlich sofort etwas. Der „Zweite von Links“ bei der Gruppe „Kraftwerk“. 1990 verließ Karl Bartos die Düsseldorfer Elektroniker, denen er ab 1975 angehörte. Allerdings nicht, um sich zur Ruhe zu setzen. Er war und ist leidenschaftlicher Musiker, DJ, Produzent und Texter und arbeitete mit den verschiedensten Bands und Musikern zusammen. Mit dem Projekt „Elektric Music“ veröffentlichte er 1993 ein Album mit dem Titel „Esperanto“, welches noch deutlich am Kraftwerk-Stil ausgerichtet war. Die Zusammenarbeit mit Lothar Manteuffel („Rheingold“) endete jedoch bereits im darauffolgenden Jahr. Karl Bartos änderte den Namen geringfügig in „Electric Music“. Anders als es der Name vermuten ließ, wies das 1998 erschienene „Electric Music“ deutliche Einflüsse seiner Kollegen Bernard Sumner (Joy Division, New Order, Bad Lieutenant, Electronic) und Johnny Marr (vor allem durch „The Smiths“ bekannt), mit denen er einige Jahre zuvor zusammen gearbeitet hat, auf. Der dargebotene Gitarrenpop fand bei den Fans jedoch nur wenig Anklang.
Es dauerte erneut fünf Jahre, ehe er ein weiteres Soloalbum veröffentlichte. Diesmal unter seinem eigenen Namen. Allerdings fand dieser Tonträger wenig Beachtung. Im Jahr 2003 zog Kraftwerks „Tour de France Soundtracks“, welches nur einen Monat vor „Communication“ veröffentlicht wurde, die volle Aufmerksamkeit auf sich. Ferner wurde die Bewerbung des Albums durch Einsparungen und Personalwechsel innerhalb der Plattenfirma negativ beeinträchtigt. Selbstironisch bekam „Communication“ fortan den Beinamen „The lost album“.
Doch jenes „verlorene Album“ erscheint nun nach 13 Jahren komplett remastert und inklusive eines Bonustracks. Und sicherlich dürfe die Anerkennung größer ausfallen, als es der Titel der bereits im Jahre 2000 veröffentlichte Single „15 minutes of fame“ suggerieren könnte. Ein Song, der auf die 15 Minuten Ruhm blickt, die so mancher Mensch um jeden Preis erlangen möchte. Casting-Shows wie beispielsweise „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Germany´s next Topmodel“, Kochsendungen, Dschungelcamp und Big Brother. Hauptsache „berühmt“ bzw. erneut im Gespräch – wenn auch nur für einen Augenblick.
„Communication handelt davon, wie Bilder unsere Sicht auf die Welt bestimmen und wie sich durch elektronische Medien die Inhalte unserer Kultur verändern.“ (Karl Bartos, 2003)
Was schon 2003 aktuell war, ist in der Gegenwart dringlicher denn je: zu sehr scheinen Medien unser Leben zu beeinflussen. Die Neuauflage trifft thematisch den Kern der Zeit. Fortwährend umgeben von einer oftmals oberflächlichen medialen Scheinwirklichkeit werden wir überflutet mit Reizen und Informationen. Die schöne weite Welt der Medienrealität.
Karl Bartos sieht dieses Album als ein zeitloses Statement: „Es ist nicht die Aufgabe von Musik, modisch zu sein. Ihr Sinn ist die Kommunikation zwischen den Menschen.“ (2016)
Und so lasse ich mich auf „Communication“ ein. Nur bei zwei Titeln tritt der Vocoder zur Stimmenmodifizierung in den Hintergrund. Das poppige „Life“ – ein autobiografisches Stück – zeigt hierbei deutliche Anleihen an „New Order“. Ansonsten führt eine Roboterstimme durch das von kühlen Elektronikklängen geprägte Album. Melodisch, rhythmisch, vielseitig und vielschichtig. Mit einer gehörigen Portion „Kraftwerk“. Fast nostalgisch, aber keineswegs unmodern. Liebhaber alter Kraftwerkssongs sollten an „Communication“ ihre helle Freude haben.