Nocturnal Culture Night 2010

3. - 5. September 2010

DEUTZEN, KULTURPARK

Es gibt sie noch – die kleinen, familiären, gut besuchten, aber nicht überfüllten Festivals, auf denen man sich als Gast willkommen und rundum wohl fühlt. Bei der Nocturnal Culture Night musste man auch in diesem Jahr weder auf namhafte Künstler und aufstrebende Newcomer noch auf eine nahezu tadellose Organisation verzichten.

Das dreitägige Festival, welches bereits zum fünften Mal im Kulturpark Deutzen stattfand, besuchte ich diesmal nicht nur zu Berichterstattungszwecken. Erstmalig wurde eine Kulturbühne eingerichtet, welche für Lesungen, DVD-Vorstellung (X-Marks The Pedwalks) und Modenschau (uniformeDesign) reserviert war. In unmittelbarer Nähe dazu hatte ich die Gelegenheit, den Festivalbesuchern einige meiner fotografischen Bilder zu präsentieren (Link: www.mr-bilderwelten.de). Auf diesem Weg möchte ich mich bei den Besuchern für das rege Interesse bedanken. Aber nicht nur deshalb empfinde ich die Kulturbühne als eine begrüßenswerte Neuerung. Fand hier doch einer meiner persönlichen Höhepunkte des Wochenendes statt. Geprägt von einem herrlich schrägen Humor ließ mich die einstündige Lesung von Myk Jung – seines Zeichens Frontmann der Urgesteine „The Fair Sex“ und Kolumnist des Gothic Magazines – und Klaus Märkert – Mitbegründer des Szeneclubs „Zwischenfall“ – leise schmunzeln, breit grinsen und lauthals lachen. Den skurillen und doch lebensnahen Geschichten und die mit einem Augenzwinkern ausgestatteten Betrachtungen der schwarzen Szene und des Lebens, welche die beiden Gründer der Lesebühne „Schementhemen“ kürzlich auch in einem ersten gemeinsamen Buch mit dem Titel „Ich bin dann mal tot“ veröffentlichten, zu lauschen, war eine wahre Freude. Das Kullern der Lachtränen, das Schnappen nach Sauerstoff und die zwischenzeitlich fast schon schmerzhafte Verkrampfung der Lachmuskeln – unvermeidbar.

Daneben gab es natürlich die beiden schon bekannten Bühnen, auf welchen ein abwechslungsreiches musikalisches Programm, das zwischen Synthie-Pop, Electro, Industrial/Techno, Indie-, Gothic- und Mittelalter-Rock wechselte, dargeboten wurde. Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen ergaben sich hieraus jedoch kaum Überschneidungen. Die quälende Frage, welchen Künstlern man nun den Vortritt geben sollte, musste somit glücklicherweise – zumindest mit Blick auf diese zwei Bühnen – nicht beantwortet werden. Apropos Blick: der Zuschauerbereich der Hauptbühne im Kulturpark Deutzen ist wie ein Amphitheater ansteigend angelegt. Für Menschen, die nicht mit einer gewissen Körpergröße ausgestattet sind, ist dies von unschätzbarem Wert. Auch ohne Plateauschuhe, Trittleitern oder sonstige Hilfsmittel konnte das Geschehen auf der großen Bühne uneingeschränkt verfolgt werden.

„Patenbrigade:Wolff“ haben es sich auf die Fahnen geschrieben haben, die Baubranche mit zeitgemäßen Klängen zu versorgen, aber auch die Geschichte der DDR elektronisch zu vertonen. Absperrbänder, Bauhelme, orange-leuchtende Schutzanzüge gehörten ebenso wie ein Kasten Bier, ein altes Radiogerät und kleinere Werkzeuge zur obligatorischen Baustellen… nein, Bühnenausstattung. Mit 30 Minuten war es ein überaus kurzweiliger und sehr komprimierter Auftritt mit dem typischen Patenbrigade-Humor und Beats, die zum Tanzen verführten.

„Die Art“ war bereits 1985 unter dem Namen „Die Zucht“ in der DDR aktiv. Damals hatte die Obrigkeit diverse Probleme mit der beklemmenden Musik und den wenig hoffnungsvollen Texten. In Deutzen überzeugte „Die Art“ mit melancholischer, teils deutsch-, teils englischsprachiger Lyrik und punkigen bzw. rockigen Gitarrenriffs und wavigen Klängen.

Einen hypnotischen und sphärischen Auftritt absolvierten „In The Nursery“. Er wurde geprägt vom beeindruckten und fesselnden Verwendung großer Pauken, Militärtrommel und anderem Schlagwerk. Herausragend hierbei der hingebungsvolle Einsatz von Klive Humberstone, der sich immer wieder mit dem gesamten Körper „in die Trommeln warf“.

„Spetsnaz“, die sich nach einer russischen Spezialeinheit benannt haben, stehen für traditionelle elektronische Musik im Stile „Nitzer Ebbs“. So war es auch kaum verwunderlich, dass die Rhythmen der zwei Schweden umgehend in die Beine fuhren und sich das Publikum bis zum letzten Titel ausgiebig dem eigenen Bewegungsdrang hingab.

Neben meinen vier persönlichen – musikalischen – Highlights haben zahlreiche weitere nationale und internationale Bands wie Leaether Strip (Dänemark), Iris (USA), Klimt 1918 (Italien), Implant (Belgien), Nachtmahr (Österreich), Megaherz (Deutschland) und vielen anderen je nach Tageszeit und Stilrichtung auf den beiden Bühnen für entspannte als auch ausgelassene Stimmung gesorgt. So dürfte wohl jeder Geschmack befriedigt worden sein. Dabei muss unbedingt erwähnt werden, dass es die Veranstalter geschafft haben, immer wieder neue Namen nach Deutzen zu locken, wodurch es kaum eine Gruppe gibt, die mehrmals bei der Nocturnal Culture Night aufgetreten ist.

Dem aber noch nicht genug: Ein kleiner aber feiner Mittelaltermarkt mit Gauklern, Spielleuten und Feuershow, der nach Entrichtung eines kleinen Obolus auch ohne Festivalbändchen besucht werden konnte, rundete das Angebot ab. Hier gab es u.a. herrlich schokoladigen, heißen Kakao. Einfach lecker. Und ein perfektes Mittel, um der abendlich einsetzenden Kälte entgegenzuwirken. Ein Highlight des mittelalterlichen Treibens dürfte der Auftritt von „Qntal“, die Vergangenheit und Gegenwart musikalisch verbinden, gewesen sein. Die Mischung mittelalterlicher Klänge, klassischem Gesang und historischen Texten mit sphärischen Computersounds und elektronischen Beats macht die Besonderheit des deutschen Musikprojekts aus. Sicherlich konnte „Qntal“ den einen oder anderen „normalen“ Besucher des Mittelaltermarkts überraschen und überzeugen.

Neben all dem sei Folgendes nicht vergessen: das nahezu perfekte Wetter, die entspannte Atmosphäre der Nocturnal Culture Night, die zuvorkommende Art der Sicherheitsmitarbeiter, welche trotz Schlafmangels auch am dritten Tag noch ein freundliches Wort übrig hatten und die charmanten Ansagen, mit welchen die Bands jeweils angekündigt wurden. Und man mag es mir verzeihen, aber die klare Dominanz der Farbe Schwarz im Publikum und die Tatsache, dass bunte Knicklichter und ähnliches kaum vorhanden waren, hat mich zusätzlich sehr erfreut und dem lockeren Ambiente sicher nicht geschadet.

Die Nocturnal Culture Night 5 – ein Wochenende mit viel Charme und Natürlichkeit, das Lust auf die sechste Ausgabe des Festivals macht. Und erste Bandmeldungen – DAF, Absolute Body Control, Whispers In The Shadow, Tyske Ludder, Persephone, Staubkind und No More – versprechen schon jetzt ein tolles erstes Septemberwochenende 2011. Wir sehen uns in Deutzen.

Fotos: Marcus Rietzsch

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