Live in Berlin: The Cassandra Complex

23. November 2012

BERLIN, K17

„Cassandra Complex“ sind eine Institution. Bereits vor drei Jahrzehnten gegründet, begeistern sie abseits des „alternativen Mainstreams“ alte und neue Liebhaber sowohl elektronisch, als auch rockiger Waveklänge gleichermaßen. Zwischenzeitlich von der Bühne verschwunden, feierten Cassandra Complex im Rahmen des Wave-Gotik-Treffens 2007 eine eindrucksvolle Rückkehr, welche mir sicher noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Ähnlich wie der kürzlich stattgefundene Auftritt im Berlin Club K17. „Vadot“ und anschließend „Inertia“ sollten das Publikum einstimmen. Die Zahl der interessierten Zuhörer hielt sich jedoch in einem überschaubaren Rahmen. Der Großteil der Anwesenden schien einzig Cassandra Complex herbeizusehnen und verbrachte die Wartezeit im luftigen Innenhof um ein großes offenes Feuer stehend oder bequem sitzend im Kneipenbereich (wo im Übrigen eine Videoübertragung die Geschehnisse auf der Bühne zeigte – zumindest, wenn diese gut ausgeleuchtet war). Vorgruppen haben es zuweilen nicht leicht. Eine Chance sollte man ihnen durchaus einräumen – lassen sich so doch immer wieder neue musikalische Perlen entdecken. Doch bei mir konnte der Funke nicht wirklich überspringen…

Als die Bühne in ein blaues Licht getaucht wurde, sich die Silhouetten der vier Musiker abzeichneten und die ersten Klänge ertönten, war eine gewisse Spannung zu spüren. Die beiden Gründungsmitglieder von Cassandra Complex – Rodney Orpheus und Andy Booth – wussten gemeinsam mit Volker Zacharias und Axel Ermes (bekannt als Mitglieder der Band „Girls Under Glass“) sofort zu begeistern. Die prächtige Stimmung konnte der gebürtige Ire Rodney Orpheus durch humorvolle und gut verständliche Ansagen (er lebte einige Zeit in Deutschland) noch steigern. So brachte er den begierig Lauschenden mit einem schelmischen Lächeln näher, dass alles Playback sei: Sogar seine Stimme käme „vom Band“. In dem mittlerweile 52-jährigen Sänger – ganz seriös mit einem Anzug inklusive Krawatte gekleidet – scheint immer noch der jugendliche Typ mit blondierter Mähne zu stecken. Temperamentvoll, leidenschaftlich, voller Energie. Auf einzelne Kommentare und Wünsche aus dem Publikum reagierte er umgehend, was dem einen oder anderen Gast ein breites Grinsen ins Gesicht zauberte und wodurch eine gewisse familiäre Atmosphäre entstand. So fand ein reger Austausch zwischen Publikum und einem überaus sympathisch wirkenden Frontmann statt. Viele Zuhörer erwiesen sich als wahre Kenner, die durch ihre Wünsche auch schon einmal Fragen aufwarfen. Auf welcher Platte war dieser Song eigentlich? Und: Kann sich noch jemand an den Text erinnern? Zwischendurch wurde das Mobiltelefon gezückt, um die „Gesprächspartner“ vor der Bühne abzulichten.

Bei der Auswahl der Titel kramte man tief im eigenen Fundus, um Stücke hervorzuholen, die teils seit 20 Jahren nicht mehr live präsentiert wurden. Aber auch von der Qualität einiger weniger, noch nicht erschienener Songs konnte man sich überzeugen. Im Vergleich zu den älteren Werken, deren Klänge zum Bewegen aufforderten, nein, teils fast zwangen, präsentierten sich diese in einem ruhigeren Gewand. Und plötzlich standen die Zeiger der Uhren kurz vor halb eins. Die Zeit verging wie im Flug. Über zwei Stunden Musik voller Energie aber auch Melancholie. Rhythmen, die das Publikum zum Tanzen brachte, aber ebensolche Klänge, die gedankenverloren in sich aufgenommen werden konnten. Ein nahezu perfekter Abend, an dem wohl nicht nur ich noch eine Weile ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen gehabt haben dürfte…

Text: Edith Oxenbauer & Marcus Rietzsch

Fotos: Marcus Rietzsch

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