25. + 26. August 2017
REGENSBURG, ALTE MÄLZEREI + MISCHWERKNoch während die letzte Band das Publikum begeisterte, sah man in zufriedene und glückliche Gesichter der Organisatoren des Festivals „The Wave“: Die Premiere der kleinen aber überaus feinen Veranstaltung durfte bereits vor ihrem Ende als gelungen bezeichnet werden.
Aber von Beginn an: Als vor zwei Monaten die Plakate für das Festival gedruckt werden sollten, mussten sich Erich Zausel und Jos Svyati spontan einen Namen für ihr musikalisches Projekt einfallen lassen. So standen sie am Freitagabend in der Alten Mälzerei zum ersten Mal als „MarrowVoltage“ auf der Bühne und eröffneten „The Wave“. Trotz verspätetem Start und einiger technischer Probleme, die den Fluss des Konzertes unterbrochen haben, konnte das Duo den einen oder anderen Anwesenden in ihren Bann ziehen. Jos Svyati entlockte seinem Cello nicht nur so manch hörenswerte Melodien, sondern auch ungewöhnlichere Töne, welche geloopt wurden und mit den elektronischen Klängen von Erich Zausel ein spannendes Konstrukt ergaben.
Nach einer kurzen Pause, die von den meisten Anwesenden zur dringenden Flüssigkeits- und/oder Sauerstoffaufnahme genutzt wurde, boten „The Foreign Resort“ herrliche Musik voller sehnsuchtsvoller Momente. War das Trio aus Dänemark beim WGT 2014 für mich schon ein musikalischer Höhepunkt, konnten sie auch bei „The Wave“ vollends überzeugen. Der Melange aus treibender Rhythmik sowie dunkler Melancholie kann man sich nur schwer entziehen. Und so wanderte die Energie der treibenden Stücke zielsicher in die Beine einiger Gäste, wohingegen die durch schwelgerische Gitarrenriffs und eine gefühlvolle Stimme transportierte Schwermütigkeit den Weg in die Köpfe fand.
Ein trotz technischer Schwierigkeiten gelungener Auftaktabend, an dem die Veranstalter selbstverständlich noch zu einer Aftershowparty einluden.
Bei hochsommerlichen Temperaturen stand am nächsten Tag ein romantisches Picknick auf dem Festivalplan. Allerdings muss ich gestehen, dass vor lauter Sightseeing – die Stadt Regensburg ist wirklich sehenswert – keine Zeit für einen Besuch blieb und ich mich somit auf das anschließende musikalische Programm beschränkte.
Im Mischwerk eröffneten „Amygdala“ den zweiten Abend. „Music for soul“ lautet der selbstgewählte Untertitel. „Acoustic-Bavarian Punkpop“ das selbstgewählte Genre. Und das passt zu der Mixtur aus teils bayerischer Mundart, Akkordeon und Cajon (Kistentrommel) verbunden mit Akustik-Gitarren, Bass und einer angenehmen Stimme. Die mannigfaltigen Einflüsse der Bandmitglieder reichen von Selig über Everlast bis Agnostic Front. Eine illustre Musikerrunde präsentierte einen sympathischen Auftritt. So fiel der Applaus gebührend aus, obwohl zwischen Bühne und Publikum noch eine Art Sicherheitsabstand bestand.
Dieser Abstand schien aber auch die nächste Band (wie „Amygdala“ ein Lokalmatador) nicht zu verunsichern. „Diodati“ wussten mit ihren Cello- und Klaviermelodien – zwischen klassisch und modern – gepaart mit literarischen Texten aber auch eigene Kompositionen und Worten einfach zu verzaubern. Neo-Klassik beschreibt diese Kombination wohl am treffendsten.
Beispielsweise Johann Sebastian Bach, Wilhelm Busch, Eric Satie, Edgar Allen Poe und Walther von der Vogelweide finden sich auf die eine oder andere Art in der Musik von „Diodati“ wieder. Man muss – wie ich – sicherlich kein Kenner klassischer Musik sein, um großen Gefallen an der ausdrucksstarken Darbietung dieser Band zu finden.
Beeinflusst von Bands der 80er-Jahre wie New Order, Cocteau Twins, Depeche Mode und Clan Of Xymox boten „Dageist“ nachfolgend elektronischen Wave der nostalgischen Art. Das Duo aus Frankreich– bestehend aus Sänger Davide Schiavoni und Bassist Fréderic Strzelczyk – überbrückte den von den Besuchern weiterhin selbstgewählten Sicherheitsabstand kurzerhand, indem sie die Bühne temporär verließen und so dem Publikum, welches mittlerweile teils in Tanzstimmung war, ganz nahe kamen. Der Funke sprang über und der eine oder andere Festivalgast stellte der Darbietung im Anschluss gute Noten aus.
„Wir jungen Pioniere, Söhne und Töchter des deutschen Volkes geloben bei unserer Pionierehre unserem Präsidenten Wilhelm Pieck, dass wir uns stets des Namens Ernst Thälmann würdig erweisen werden.
Wir geloben, die Freundschaft mit der Sowjetunion, so wie Ernst Thälmann und Wilhelm Pieck zu pflegen und zu hüten.
Wir geloben, dass wir im Kampf für die Errichtung eines einheitlichen, friedliebenden, demokratischen und unabhängigen Deutschland unsere ganze Kraft einsetzen werden. Das geloben wir!“
Nicht nur das wohl bekannteste Stück „Gelöbnis“ vom bereits seit 1992 bestehenden Ein-Mann-Projekt „P.A.L“ brachte zusehends Bewegung ins Publikum. Der Sicherheitsabstand wurde auf null reduziert. Sowohl noisige als auch ambientartige Stücke kamen gut an. Christian Pallentin schwang leidenschaftlich die Trommelstöcke, um den einen oder anderen elektronischen Klang live zu erzeugen.
Für manche Festivalbesucher war „P.A.L“ möglicherweise der Höhepunkt, andere indes sahen sehnsüchtig dem krönenden Abschluss in Form von „She Past Away“ entgegen. Muss man das Duo aus der Türkei noch vorstellen? Gab es einen Zweifel daran, dass die gefühlvolle Musik das Publikum erreichen und zum Tanzen bewegen könnte? Wohl nicht ernsthaft. Mit türkischsprachigem Post Punk par exzellence entführten Volkan Caner und Doruk Ozturkcan auf eine Art Zeitreise in die 80er-Jahre – ohne dabei jedoch angestaubt zu klingen. Und so sah man in manch entrückt wirkendes Gesicht. Die Zeit verging wie im Flug und das letzte Konzert eilte viel zu schnell seinem Ende entgegen.
Mancher Gast hatte noch nicht genug. Und so wurde umgehend die Tanzfläche genutzt, um zu Klängen von Light Asylum, Project Pitchfork, Nine Inch Nails oder Diva Destruction überschüssige Energien zu verbrauchen.
Das Fazit der Premiere des durch den Verein „Wave – Subkulturen e.V.“ veranstalteten Festivals fällt positiv aus. Den Besucher wurde ein kurzweiliges und abwechslungsreiches Programm ohne viel Leerlauf geboten, was gut angenommen wurde. Einer Wiederholung am letzten Wochenende des Jahres 2018 scheint so wahrscheinlich nichts im Wege zu stehen.
Fotos: Marcus Rietzsch