Absinth gilt seit seiner ersten Hochzeit zur Mitte des 19. Jahrhunderts als ein ganz besonderes Getränk. Der Wermutschnaps sollte, so die Zeitgenossen, nicht nur betrunken, sondern auch besonders phantasievoll machen. Er galt bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts darum als eines der bevorzugten Getränke von Künstlern und Literaten und wurde auch „grüne Fee“ genannt.
Auf viele berühmte Absinthtrinker trifft man in der bereits Ende 2017 erschienenen Anthologie „Absinth – Geschichten im Rausch der Grünen Fee.“ Die Kurzgeschichtensammlung aus dem Art-Skript-Phantastik-Verlag präsentiert zwölf short stories zwischen Rausch und Realität.
Wie alle Werke aus dem bemerkenswerten Independent-Verlag ist auch diese Anthologie bis in kleinste Details liebevoll gestaltet und die Erzählungen sind sorgfältig ausgewählt. Alle lassen sich leicht lesen und sind schön düster.
Kleiner Vorgeschmack: Die erste Geschichte, „Ein Schloss aus Inspiration und Wahnsinn“, ist in klassischer Briefromanform gehalten und entwickelt seine Spannung nach und nach, bis zum unerwarteten Ende. „Der Fluch der Blume“ geht eher in Richtung Fantasy und überrascht mit seiner Idee dazu, was genau Charles Baudelaire zu seinem Werk „Die Blumen des Bösen“ inspiriert haben könnte. In „Scheiß auf Nemo – rettet die Nautilus“ geht es eher schwarzhumorig zur Sache, wenn die Abstinenzleraffen zum Großangriff auf Phantasie blasen und nur die Grüne Fee, gestärkt durch horrenden Absinthkonsum, sie noch retten kann. „Der letzte Tropfen“ hingegen ist von Anfang bis Ende tragisch und nimmt richtig mit. Bei „Hipster van Gogh“ wird es dann nachgerade psychedelisch, und am Ende weiß weder Leser noch Protagonist, was eigentlich gespielt wird – wurde – gespielt worden sein könnte…
Man merkt schon anhand dieser kurzen Vorstellungen, wie vielfältig, phantasievoll und lesenswert die einzelnen Beiträge sind. Die ganze Anthologie ist daher wärmstens zu empfehlen und gerade jetzt, im Winter, hervorragend bei einem Gläschen Absinth zu genießen. Man weiß ja nie – wenn auch beim Absinth die angeblichen Nebenwirkungen durch die moderne Wissenschaft widerlegt worden sind, dann sorgt vielleicht der Konsum zusammen mit der Lektüre für unerwartete Kreativitätsschübe. Und falls nicht, wird man wenigstens gut unterhalten. Prost!