Empathie wird gemeinhin als Fähigkeit definiert, die Gedankengänge und Gefühle von anderen nachvollziehen zu können. Wer Empathie zeigt, kann mit anderen leichter in Kontakt kommen und ein tieferes Verhältnis zu seiner Umwelt aufbauen.
Ist Empathie eine Kunst? Ja, meint Jef Janssen, der Solokünstler hinter „Art of Empathy“. Leider ist unsere Welt an vielen Stellen vom Gegenteil geprägt: Das „Ich zuerst“-Denken ist global weit verbreitet und wird an vielen Stellen aktiv gefördert. Dabei täte es nicht nur unserer Gesellschaft, sondern auch der Umwelt und uns selbst gut, wenn wir mehr auf sie hörten statt weniger.
Und genau darum geht es Jef in seinem neuesten Longplayer „End of I“. Das Soloprojekt überrascht mit Vielfalt, Romantik und spürbarer Hoffnung. Der Soundtüftler hat dafür die klassische neofolkige Akustikgitarre mit den passenden Trommeln und Synthesizerklängen kombiniert. Hinzu kommt seine Stimme in den unterschiedlichsten Varianten – von gehaucht bis choral – , die nicht müde wird, eine Vision zu beschwören: Dass die Menschheit doch eigentlich besser wissen müsste, was sie tut und endlich beginnt, auf andere und die Umwelt zu achten, damit wir alle, jetzt und in Zukunft, besser und glücklicher leben können.
Bei bloßen Worten belässt es der Künstler indes nicht. Er hat seine Musik konsequenterweise frei im Netz veröffentlicht. Alle, die mögen, können die drei bisher erschienen Alben inklusive „End of I“ kostenfrei herunterladen. So haben wirklich alle Menschen, ohne irgendwelche Voraussetzungen, die Möglichkeit, sich von seiner Musik und seinen Texten inspirieren lassen. Nur wer eines der streng limitierten physischen Alben erstehen möchte, muss dafür Geld bezahlen. Erschienen ist das aufwändig produzierte und liebevoll illustrierte Digipack bei Aenaos-Records.
Und die Musik? Neben den oben bereits erwähnten Neofolk-typischen Instrumenten und Arrangements gibt es viele überraschende Momente. Es bereichern nicht nur Sprachsamples das Repertoire, sondern auch Naturgeräusche wie im Opener „Where Souls Shine Brightest“. Romantisch-melancholische Bilder wechseln mit orchestraler Wucht ab. Die Songs sind dabei, neofolk-typisch, nicht immer eingängig. Stücke wie „Their Playground“ oder „Ninety Six-Percent“ sorgen unter anderem mit hallendem Sprechgesang für eine zutiefst apokalyptische Stimmung, während Lieder wie „Legion“ oder „Mind Matter“ geradezu hell und schwerelos erscheinen. Den Abschluss bildet der Bonus-Track „Hugging Strangers“, eine Gute-Laune-Nummer, die sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Das Album besteht insgesamt aus zwölf recht unterschiedlichen Stücken, die eine Gesamtspieldauer von über 70 Minuten ergeben. In dieser Zeit ist aufgrund der vielschichtigen Arrangements konzentriertes Zuhören gefragt. „End of I“ ist kein Album, das man gut nebenbei hören kann, dafür verdienen auch die Texte zu viel Aufmerksamkeit.
„Art of Empathy“ schafft es auf dem neuesten Longplayer, die für den Neofolk typischen romantischen Themen mit drängenden Fragen dieser Zeit zu verknüpfen. Ist das Kunst? Auf jeden Fall!