„Empyrium“ stehen seit ihrer Gründung im Jahr 1994 für durch die Romantik inspirierte Dichtung gebettet in folkloristisch metallische Klanglandschaften. Ein jedes Album erschließt dabei neue Aspekte ohne vorhergehende Stärken zu vergessen. Mit „Über den Sternen“ erschien nach sechs Jahren des Komponierens und Feilens an neuem Liedgut ein Album, das wie eine Reise quer durch die Bandgeschichte und die Natur klingt.
Eingeleitet wird „Über den Sternen“ mit dem Lied „The three flames sapphire“. Textlich entführt das Stück in die Rhön – jene Region, die Band-Mastermind, Multiinstrumentalist und Produzent Markus „Schwadorf“ Stock seine Heimat nennt. Erzählt wird eine Volkssage, nach der sich alle hundert Jahre drei Irrlichter in Frauen zurückverwandeln und für eine Nacht unter Menschen weilen. Die Musik spiegelt diese Handlung wider. Eine warme Akustikgitarre erklingt, Streicher gesellen sich wehmütig dazu, bevor das Schlagzeug einsetzt und die Geschichte ihren Lauf nimmt. Vorgetragen wird diese von Thomas Helm, Mitglied bei „Empyrium“ seit 1999 und ebenfalls Stimme an der Bayerischen Staatsoper in München. Dazu gesellt sich Schwadorfs prägnante Stimme. Das Stück steigert sich bis zum Einsatz elektrischer Gitarren und wechselhaftem Gesang, der gegen Ende in Schwadorfs‘ typische Screams gipfelt. Ein Lied, das einen Querschnitt durch alle bisher erschlossenen Stile der Band bietet: Die Folklore, der Schwarz angehauchte Metal, die einprägsamen Melodien und die getragene Atmosphäre.
Weiter geht es mit „A lucid tower beckons on the hills afar“, einer metallisch nebligen Wanderung zum Turm der ehemaligen Lichtenburg, ein altes Gemäuer, welches von vergangen Zeiten zu berichten weiß. Wieder führt uns der Text in die Rhön-Region und malt eine Stimmung wie sie einem Gemälde von Caspar David Friedrich innewohnen könnte. Bei diesem Lied unterstützt der Neuzugang in Empyriums Klangkosmos die Atmosphäre sehr passend: das Hackbrett. Dieses volkstümliche Instrument fügt sich wohlklingend in die Komposition ein. Die Zwischenspiele erinnern an die Alben „Weiland“ und „Where at night the wood grouse plays“.
„The oaken throne“ besingt in klassischer „Empyrium“-Manier endlose Wälder mit ihren alten und weisen Bäumen. Dies erinnert nicht nur textlich an „The franconian woods in winter’s silence“ vom Debutalbum „A wintersunset …“. Und auch hier erklingt das Hackbrett als unendliche Weiten malendes Instrument.
Es folgt das erste Instrumentalstück des Albums. „Moonrise“ ist ein von akustischer Gitarre, Bassgitarre und Keyboard dominierter musikalischer Streifzug vom Mondaufgang bis in die tiefe Nacht hinein. Ein Lied zwischen Spannung und Träumerei, bei dem noch einmal Stimmungen des direkten Vorgängeralbums „The turn of the tides“ aufkommen.
Ein sehr atmosphärisches und getragenes Stück ist „The Archer“. Darin wird der stete Wandel der Jahreszeiten thematisiert, konkret vom Herbst zum Winter. Für pure Gänsehaut sorgen die rau geflüsterten Assoziationsketten „Rain Wind Fire Ash / Snow Arch Mist Death“. Am Ende des Liedes schwebt eine melancholische Flötenmelodie, gespielt von Nadine Stock, heran. Ein weiterer Gänsehautmoment.
Bei dem wieder mehr metallisch angehauchten Stück „The wild swans“ handelt es sich um eine Adaption des gleichnamigen Märchens von Hans Christian Andersen. Nach einem rauen Anfang ertönt ein episches Zwischenspiel und wieder gesellt sich das Hackbrett märchenhaft dazu. „Empyrium“ ist eine Band, die den instrumentalen Parts ihrer Lieder genauso viel Raum gibt wie den vokaldominierten. Dieses besondere Erkennungszeichen lässt Raum für eigene Gedanken und Traumbilder.
So lädt auch das folgende Instrumentalstück „In the morning mist“ erneut zu einer inneren Reise ein, bevor das Album in dem langen Titeltrack „Über den Sternen“ gipfelt. Dieses Lied wird von E-Gitarren und rauen Screams treibend dominiert und erinnert damit teilweise an das Album „Songs of moors and misty fields“. Gegen Ende des Liedes scheint Thomas Helms klare Stimme selbst in die unendlichen Weiten des Alls zu schweben. Musikalisch fasst das Stück alle Aspekte des Albums noch einmal zusammen und schließt den Kreis. Der Titel „Über den Sternen“ wurde von einem Zitat aus Friedrich Schillers „Die Räuber“ inspiriert. Textlich löst man sich von den irdischen Dingen hin zum Himmel. In der Betrachtung der Sterne hebt man sich in die Mysterien jenseits der Welt, um zu erkennen, dass der Mensch nur ein kleiner Teil der Natur und des Ganzen sein kann. In den Versen „Da sehnen wir in weite Fernen / zu lichter Höh über den Sternen“ wird der Kern der romantischen Weltsicht – die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren – treffend zusammengefasst.
Bei der Special-Edition des Albums schließt sich der Bonustrack „The crimson heath“ an. Dieses erinnert stark an die akustischen Alben der Band und der wechselwirkende Gesang lässt es wie ein altes Volkslied anmuten. Textlich entführt jenes Stück erneut in die Rhön-Region, genauer ins Schwarze Moor, welches durch seine vielfältigen Naturstimmungen den Mensch seit jeher zu faszinieren weiß.
Generell ist „Empyrium“ nicht nur eine Band, sondern ein Ausdruck eines Lebensgefühls. Die Texte tönen wie in der Epoche der Romantik und werden in leidenschaftlich atmosphärische Klanglandschaften gehüllt. Man fühlt sich in vergangene Zeiten zurückversetzt, als das Land noch stärker bewaldet war und Zauber und Geheimnis in jedem Schatten lauerten. Es wird die Natur zelebriert und menschliche Gedanken und Gefühle darin gespiegelt. „Über den Sternen“ ist eine Reise durch die Folklore, durch die stimmungsvollen Aspekte des Jahreszyklus und ein Wegweiser für innere Wandlungen. Kompositorisch und produktionstechnisch haben Markus „Schwadorf“ Stock und Thomas Helm die Messlatte wieder extrem hochgelegt. Weiterhin ist herauszustellen, dass im Booklet stimmungsvolle Naturfotografien von Schwadorf abgedruckt wurden. Diese zeigen die mystischen Seiten seiner Heimatregion und untermalen die Atmosphäre der Lieder passend. So wird das Werk „Über den Sternen“ zum Gesamtkunstwerk und einer vielseitigen Auseinandersetzung mit einer vielfältigen, sagenumwobenen Naturregion Deutschlands.