Burgnächte 2005

23. bis 25. September 2005

ROSSLAU, WASSERBURG

Pünktlich zum Herbstanfang versammelten sich Schwarzgewandte und Freunde des Mittelalters auf der Wasserburg in Roßlau. Es sollte ein Treffen der Szene im beschaulichen Rahmen werden. Lesungen, Ausstellungen, Filme, Hörspiele, Disco und natürlich Livemusik standen auf dem umfangreichen Programm.

Bei herrlichem Wetter lud der kleine Mittelaltermarkt bereits am frühen Freitagnachmittag zum Verweilen auf der Burg ein. Für Speis´ und Trank war gesorgt; wenn die Auswahl auch nicht übermäßig groß war, verhungern musste niemand. Händler boten ihre Waren an. Gegen 18 Uhr vernahm man dann die ersten Töne von der Bühne. Formfleisch hatten diese in Beschlag genommen, um die zu diesem Zeitpunkt noch etwas träge wirkenden Anwesenden mit Gothic-Rock aus der Reserve zu locken. Im Anschluss versuchten Scarecrow ihr Glück. Elektro a la „Das Ich“ vermischte sich mit Gitarrenriffs und -soli. Tassilo Männer, seines Zeichens Gitarrist aus Überzeugung, zog die Blicke auf sich. Das dieser Mann ohne Musik leben könnte, ist kaum vorstellbar. Ekstatisch ließ er seine Hände über die Saiten tanzen. Mit einem irren Grinsen voll-kommen vertieft in die Töne, welche er seinem Musikinstrument entlockte. Sehenswert. Hörenswert.

Nach einer kurzen Umbaupause betraten fünf Männer – bekleidet mit weißen Hemden, schwarzen Krawatten und schwarzen Hosen die Bühne. Rammstein? Nein, natürlich nicht. Die Lokalmatadoren Down Below hatten den Auftrag, für Stimmung zu sorgen, was sie dann auch sofort in Angriff nahmen. Mittlerweile hatten sich glücklicherweise mehr Besucher eingefunden und es herrschte schnell eine gute Feierstimmung. Den aus dem weit entfernten Spanien kommenden Down-Below-Fans wurde mittels eines Covers von Heroes Del Silencio gehuldigt. Ein Song von Depeche Mode bildete dann den Abschluss eines stimmungsvollen Auftritts.

Zwischen (und wegen Verschiebungen auch während) den einzelnen Auftritten konnten sich die Besucher im Torhaus nebenan bei Kurzfilmen wie dem schwarz-humorigen Puzzle Punk von Christian von Aster entspannen oder im Verlies Hörspielen oder Lesungen lauschen. Hier fand dann auch die Vernissage einer Ausstellung von Sven Arndt statt. Er zeigte eine kleine Auswahl seiner Ölgemälde. Aber auch einige sehenswerte Skizzen bezauberten. Mancher Besucher vertiefte sich bei einem Glas Wein in ein Gespräch mit dem Künstler.

Mittlerweile verschwand die Sonne hinter der beschaulichen Burg, welche nun mit Scheinwerfern angestrahlt wurde. Der Atem wurde deutlich sichtbar. Die Nacht brach herein und die Kälte kroch die nackten Arme empor. Aber man hatte ja vorgesorgt und ausreichend warme Kleidung eingepackt. Erstaunlich ist es aber immer wieder, dass anderen die Kälte scheinbar nichts anhaben kann. Aber vielleicht trifft der alte Spruch „Wer schön sein will, muss leiden!“ hier auch eher ins Schwarze.

Apropos Leiden: Das Thema „Noctulus“ spaltet die Szene. Manche betrachten den dilettantistischen Krachmacher vom Dienst, welcher auf fast jedem Festival anzutreffen ist, als Kult. Für einen Großteil stellt er aber ein Ärgernis dar. Ganz nach dem Motto „Leben und leben lassen“ mag es kein Problem sein, solange man die Möglichkeit hat, sich diesem Lärm zu entziehen. Aber wenn einem diese „Musik“ aufgedrängt wird, ist dies ein unzumutbarer Zustand. Und wenn auf dem Mittelaltermarkt, welcher u.a. auch von szenefremden Familien und Personen besucht wurde, beispielsweise Kinder mutwillig erschreckt werden, ist das sicherlich nicht im Sinne einer guten Außendarstellung der gotischen Szene. In diesem Zusammenhang frage ich mich außerdem, ob der Security-Mitarbeiter, welcher unweit von Noctulus seine Arbeit verrichtete, eine Art „Lärm-Zuschlag“ erhalten hat. Verdient hätte er es allemal.

Aber genug der negativen Randnotizen. Diese konnten nämlich ein überaus gelungenes Festival kaum stören. In der Zwischenzeit wurden die Fans von Wissmut und Legendary Pink Dots unterhalten, bevor Garden Of Delight feat. Lutherion vor das Publikum trat und eine überaus homogene Vorstellung bot. Der erdige Gothic-Rock vermischt mit elektronischen Elementen wusste zu gefallen. Im Mittelpunkt ein gelöst wirkender Artaud Seth, der dem Ganzen durch seine dunkle Stimme den eigenen Stempel aufdrückte. Der kurzweilige Auftritt war mein persönliches Highlight an diesem Tag.

Als abschließender Act begaben sich Cinema Strange auf die Hauptbühne. Da sich meine Kenntnisse über die Band absolut in Grenzen halten, konnte ich ganz unvoreingenommen den Klängen lauschen. Zumindest noch in den ersten Minuten. Aber auch bei der Berichterstattung ist irgendwann die Schmerzgrenze erreicht, worunter die journalistische Objektivität deutlich leidet. Zumindest waren aufgrund des Dargebotenen auch andere Anwesende irritiert. Der Sänger trug eine chinesisch anmutende Kopfbedeckung, was auch irgendwie symbolisch für die musikalische Vorstellung stand. Minutenlanges an Asien erinnerndes „Gitarrengezupfe“ und ein ziemlich weinerlicher „Gesang“ konnten wohl wirklich nur eingefleischte Fans überzeugen. In solchen Augenblicken weiß man es zu schätzen, dass wir in einer Demokratie leben, in welcher man sich frei bewegen darf. So war es ein Glück, dass niemand gezwungen wurde, vor der Bühne zu verweilen und der Weg in das Verlies, wo Musik aus der Konserve geboten wurde, kurz war.

Auch am Samstag hätte das Wetter kaum besser sein können. Strahlender Sonnenschein begrüßte die Besucher. Wenn das keine Entschädigung für zahlreiche nasskalte Festivals in diesem Jahr sein sollte?

Schon um 13 Uhr sollte das offizielle Programm beginnen. Thomas Sabottka lass Gedichte und Ausschnitte aus seinen beiden Romanen vor, ehe Dryland den musikalischen Reigen an diesem Tag eröffnete. Anhand der frühen Zeit war es eigentlich überraschend, dass schon eine recht gute Stimmung vorhanden war; weniger erstaunlich aber, wenn man der guten Musik lauschte und sich mitreißen ließ. Reifer Gothic-Rock mit einem Sänger, der Vergleiche mit den Größen des Genres nicht scheuen muss.

Pilori, Lament, Silence und Dark Suns lösten sich in der Folge auf der Bühne ab. Wie auch schon am Vortag konnte die Zeit auch mit Filmen, Hörspielen, Lesungen und natürlich dem einen oder anderen netten und interessanten Gespräch mit Standbetreibern und anderen Besuchern kurzweilig gestaltet werden.

Thanateros und NFD versorgten die Gitarrenfraktion mit harten Riffs. Handgemachte Musik gab es auch von Chamber, wobei diese u.a. auf Cello, Doublebass und Violine zurückgriffen. Soundtechnischen Problemen trat der charismatische Sänger Marcus Testory mit seinem wienerischen Charme entgegen. Um üblen Rückkopplungswellen seiner Akustikgitarre zu entgehen, suchte er sich einfach einen anderen Platz am vorderen Bühnenrand. E-Gitarrist Ralf Hübner übernahm hierbei kurz den Job des Mikrofonständers. Der Stimmung tat dies aber keinen Abbruch. Im Gegenteil. Das Publikum hatte sichtlich Spaß und erfreute sich an dem einen oder an-deren witzigen Kommentar des Frontmanns. Somit entließ man das Oktett auch nicht ohne eine Zugabe, bestehend aus dem Song einer „aufstrebenden Nachwuchsband aus Berlin“, in die Nacht. Die chambersche Version von Rammsteins „Engel“ kann man einfach nur als genial bezeichnen. Ein würdiger Schlusspunkt, bei dem die Fans ausgelassen mitsangen.

Nachdem Ordo Rosarius Equilibrio die Fans synthetischer Klänge und Percussions versorgt hatten, stand das Finale der Livedarbietungen auf dem Ablaufplan. Diary Of Dreams sollten auch das Highlight der Burgnächte werden. Melancholisch und kraftvoll. Adrian Hates´ unverwechselbar warme Stimme fesselte die Hörerschaft. Die Rhythmen fanden sofort ihren Weg in die Beine. Mal harte, mal sanfte Gitarrenklänge gingen unter die Haut. Ein mitreißender Song jagte den nächsten. Trotz vorgerückter Stunde und Kälte ging der unterhaltsame Auftritt dann auch viel zu schnell zu Ende. Aber wie heißt es so schön?

„Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.“
Im Torhaus sorgten aber natürlich DJs noch dafür, dass weiter getanzt werden konnte.

Der Sonntag diente als ruhiger Ausklang. Das gesprochene Wort stand sozusagen im Mittelpunkt. Einzige Programmpunkte waren Lesungen von Christian von Aster und Thomas Sabottka. Der Mittelaltermarkt war geöffnet. Das eine oder andere entspannte Gespräch bleibt sicherlich auch positiv im Gedächtnis…

Den viel betrauerten Herbstnächten muss nun nicht mehr nachgeweint werden: Die Herbstnächte sind tot, es leben die Burgnächte!

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