Christian Gottschalk – Vereinigung der Freunde des Münzfernglases

Vermutlich wird es auch anderen Lesern so ergehen: ich lese den Namen Gottschalk und stutze. Dann die Erleichterung: der Vorname lautet Christian. So sollte ein für die Psyche schadloses Inhalieren von Buch und CD möglich sein. Der zweite Schreck: Christian Gottschalk kommt aus Köln. Köln! Gut, er ist nur ein Zugereister. Ob… eventuell… vielleicht? Faschingsfetischist? Auch hier Entwarnung: „Ich habe mir überlegt, beim Arzt eine Coulrophobie, Angst vor Clowns, zu simulieren. Mit dieser grundsympathischen Angststörung könnte ich während der tollen Tage keinesfalls vor die Tür gehen. Ich würde eine Familienpackung Valium geschenkt bekommen und hätte frei.“ So klingt kein Karnevalssympathisant. Seine dem Genre Slam-Poetry zuzuordnenden Texte sind humorvoll beiläufig, hintersinnig kritisch und manchmal urkomisch. Auf der Rückseite des Buchs findet man die folgende treffliche Einschätzung: In Gottschalks Glossen, Geschichten und Liedern finden exakte Alltagsbeobachtungen, lakonische Jugenderinnerungen, überraschende Ideen, alberner Sprachwitz, sonderbare Meinungen und hingeschluderte Kapitalismuskritik zu einem friedlichen Miteinander.“

Die Texte wirken „leicht“, doch im „Abgang“ dringen Lebensweisheiten, Erkenntnisse oder auch fast wehmütige Erinnerungen durch. „Meistens bin ich ja bei Poetry-Slams der Älteste.“ Und so stellt Christian Gottschalk die unterschiedliche Bedeutung von Begriffen je nach Generation fest: „Wenn damals ein Drucker streikte, wurde er vom Arbeitgeber ausgesperrt. Als Rohling bezeichnete man Typen wie Kai Schneider aus meiner Klasse, der immer Kopfnüsse verteilte. Ein Menü begann für gewöhnlich mit einem Krabbencocktail. Bio war ein Schulfach. Und Singles mit Niveau waren meistens von Reinhard May.“ Ein Rückblick der leisen Töne. Aber es sind ebenso tiefgehende Töne als auch Aha-Effekte. Wenn Kinder die geheimnisumwitterten Worte „Linksträger“ und „Schlafzimmerblick“ mit ins Erwachsenalter nehmen und plötzlich verstehen. Wie viele Worte hat man früher von Erwachsenen gehört, die so überhaupt keinen Sinn ergaben? Es sind die kleinen Ereignisse des Lebens, die Christian Gottschalks feiner Humor den Leser oder Hörer nahebringt.

Gibt es einen Zusammenhang von Werkunterricht und Drogen? Gibt es. Arbeitslosigkeit, Deutsche Einheit, Familientreffen, Centerparcs, falsch benutzte Redensarten, To-Do-Listen – Themen, die Christian Gottschalk weder anklagend noch verurteilend behandelt. Seine durchaus ernsten Texte kommen zugleich heiter „um die Ecke“. Die ruhige Art des Vortrags lädt ein, sich zurückzulehnen und amüsiert zuzuhören.

Der Klappentext:
„In Christian Gottschalks Glossen, Geschichten und Liedern finden Alltagsbeobachtungen, lakonische Jugenderinnerungen, Albernheiten und hingeschluderte Kapitalismuskritik zu einem friedlichen Miteinander. Menschlich großzügig, aber sprachlich eher pingelig, befasst er sich mit Vicky Leandros’ Schlafzimmerblick, Teddybär-Anhängern am Rucksack, mit dem Wunsch nach Sex auf Flugzeugtoiletten oder suizidalen Paarhufern. Und natürlich mit Münzferngläsern.

Die Vereinigung der Freunde des Münzfernglases hat bis jetzt allerdings nur vier Mitglieder. Ergreifen Sie die einmalige Gelegenheit und werden Sie Teil dieser überaus freundlichen Bewegung: Dem Buch liegt neben einer CD ein exklusiver Mitgliedsausweis bei.“

Zur „Vereinigung der Freunde des Münzfernglases“ gibt es selbstverständlich eine kleine Geschichte. Schmunzelnd hangele ich mich von einem Text zum nächsten. Und gönne mir anschließend die CD, welche eine Auswahl dieser Texte beinhaltet. Es macht Spaß, wenn man leise mitsprechen kann, weil das Gelesene noch ganz frisch ist.

Eventuell kann die Jugend vielem Gesagten nur Unverständnis entgegenbringen. Aber bekanntlich bildet Lesen. Also nur Mut. Wer Kabarett mag sollte sich den Mitgliedsausweis für die „Vereinigung der Freunde des Münzfernglases“ holen. Das Buch inklusive Tonträger gehört dazu.

Buch & CD, Klappenbroschur, 115 S./60 min.
print ISBN: 978-3-943876-77-2
ePub ISBN 978-3-943876-50-5

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