Dark Eastern Festival 2007

6. bis 8. April 2007

BERLIN, KULTURBRAUEREI

Das Berliner Rock und Pop Archiv (ein eingetragener Verein) machte es sich zur Aufgabe, neben den angesagten und etablierten Festivals wie dem M’era Luna und dem Wave Gotik Treffen auch der Hauptstadt ihr eigenes Festival der düsteren Klänge zu geben. Am Osterwochenende erblickte nun das 1. Dark Eastern, veranstaltet in der Kulturbrauerei, das Licht des alljährlichen Festivalhimmels.

Der Startschuss fiel am Freitag um 15 Uhr. Im Kesselhaus – eines der drei für Konzerte und Lesungen frequentiertes Gebäude – war um diese Zeit aber gelinde gesagt noch tote Hose. Wer ein richtiger Berliner „Grufti“ sein möchte, verlässt vor Sonnenuntergang eben nicht das Haus. So waren anfänglich auf der Bühne auch mehr Personen versammelt als davor. Im Laufe des ersten Auftritts änderte sich dies noch ein wenig: Zwischenzeitlich bevölkerten 20 bis 30 Personen die Fläche zwischen Bühnenrand und Ein- bzw. Ausgang. Mit zunehmender Festivaldauer trafen weitere Besucher ein, bei in erster Linie unbekannten Bands wie Sepulcrum Mentis, Sons of Twilight oder Shade of Shambles hielt sich der Zuspruch aber stark in Grenzen. Der Freitag stand ganz im Zeichen der harten und lauten Gitarrenklänge. Es wurde gegrunzt, gebrummt, gegrollt. Melodiöser Gesang war die Ausnahme. Lange Mähnen wurden geschwungen – vornehmlich auf der Bühne als davor. Wer kein Freund von metallischen Klängen war, hatte an diesem Tag wirklich verdammt schlechte Karten. Mit beispielsweise Staubkind und Thanateros waren auch Vertreter der etwas melodiöseren Gitarrensounds anwesend, die Eintönigkeit so richtig durchbrechen konnte aber erst die gewählte Musik auf der Heimfahrt.

Am Samstag gab es dann aber die ersehnte Abwechslung. Schon um 14 Uhr konnte man es sich im Soda Club gemütlich machen, um der Lesung von Oswald Henke – seines Zeichens u.a. Frontmann von Goethes Erben – zu lauschen. Nun gut, lauschen dürfte für diese Art der Lesung nicht die korrekte Wortwahl sein. Lesungen von Oswald Henke bestehen nicht aus dem bloßen Rezitieren von Kolumnen und Texten. Der Autor und Sänger trägt seine Texte voller bissigem Witz, Sarkasmus aber auch Ernsthaftigkeit mit vollem Einsatz vor. Da wird auch schon mal mit Gegenständen nach schwätzenden und unkonzentrierten „Zuhörern“ geworfen oder die Aufmerksamkeit der selbigen mittels Abfrage des zuvor Vorgetragenen kontrolliert. Richtige „Zitate“ wurden mit – natürlich stilvollen schwarzen – Gummibärchen belohnt. Wer hingegen nicht aufgepasst hatte, lief Gefahr, auf einem Platz vorne neben dem wortgewaltigen „Meister“ Platz nehmen zu müssen – oder zu dürfen. Gerne in das Geschehen involviert wurde auch der „Assistent Igor“, welcher seinen Platz seitlich beim Mechandising-Stand hatte. Von Tom Manegold, welcher am Sonntag auf dem Lesungsplan stand, kam ein schöner Vergleich: „Die schwarze Szene hat nun auch ihren Harald Schmidt“. Ähnlich wie der bekannte Talkmaster/Witzereißer und sein Assistent Manuel Andrack sich die Bälle in der Fernseh-Show zuspielen, bezieht Henke „seinen“ Igor wiederholt in die Lesung ein. Natürlich wurden Texte auch ernsthaft vorgetragen. Henke liest leise wispernd und schleicht wie eine Raubkatze auf der Jagd vor dem Publikum auf und ab, bevor es plötzlich und ohne Vorwarnung aus ihm heraus bricht und der eine oder andere Zuhörende fast seinen Stuhl vor Schreck unfreiwillig Richtung Fußboden verlässt. Henke erklärt, dass es dies ab und zu machen müsste, schließlich sei es vertraglich geregelt, dass er nur Gage bekommt, wenn das Publikum auch wach bleibt. Sicherlich ein Highlight des dreitägigen Festivals.

Neben den Lesungen wurde natürlich auch wieder für Musik gesorgt. An diesem Tag bekamen die Besucher auch vermehrt elektronische Klänge zu hören. Somit sah man auch gleich andere Gesichter im Publikum. Din[A]Tod versorgten die Anwesenden mit kühler und minimalistischer Elektronik, angereichert durch das eine oder andere Gitarrenriff. New Rain boten hingegen melancholischen und trotzdem tanzbaren Rock. Eine eigenwillige, extrovertierte und durchaus interessante Mischung aus synthetischen Klängen und Nina Hagenschen Gesang lieferten anschließend Schneewittchen aus Hannover. Für Bewegung sorgten Sero.Overdose, dessen SynthiePop und Elektrosounds bis zu diesem Zeitpunkt wohl den größten Zuspruch erhielt. Interessant war auch die Darbietung von Patenbrigade:Wolff. Laut eigener Aussage Electro Ambient für Turmdrehkranführer. Die Bühne wurde mit Absperrband gesichert und allerlei Baustellenutensielen „schmückten“ den Aufbau. Bauarbeiter bewegten sich in einem „Höllentempo“ über die Bühne oder machten sich ein Bier auf. Eine amüsante Persiflage, welche möglicher-weise anwesenden Bauarbeitern vielleicht weniger geschmeckt haben dürfte. Höhepunkt war wohl der Gastauftritt von Sara Noxx, welche dem Song „Gefahrstoffe“ eine Stimme gab und zusätzlich ein Stück der Band „Essexx“ (ein Projekt von Wolff und Noxx) zum Besten gab.

Am dritten Tag kamen die Freunde der melodiösen, rockigen Klänge auf ihre Kosten. So konnten die auch am letzten Festivaltag nicht übermäßig zahlreichen Besucher im Kesselhaus u.a. von The Cascades, Scream Silence und Lacrimas Profundere in Stimmung versetzt werden. Viel beachtet und mit Spannung erwartet: Oswald Henke, die Zweite. Mit dem noch relativ jungen Projekt „Fetisch:Mensch“ stand der Ausnahmekünstler zum wiederholten Mal an diesem Wochenende im Rampenlicht. Diesmal wurde die Lyrik mit Unterstützung von Schlagzeug, zwei Gitarren und Computersounds präsentiert. Songs von Fetisch:Mensch wird es übrigens nie – „heute nicht und auch nicht morgen“ – auf Tonträger zu erwerben geben. Hier verwirklichen sich Musiker ganz ohne Blick auf die Mechanismen des Musikbusiness. Gelesen wurde aber auch wieder. U.a. lauschten einige wenige Besucher den angenehm gesprochenen Worten von Tom Manegold, welcher in Berlin für die Veranstaltung „Vision & Wahn“ (jeden ersten Sonntag im Duncker) ins Leben gerufen hat. Besonders interessant (natürlich neben den Texten) war die Umsetzung mit Unterstützung von Musik und Samples. Erwähnenswert ist sicherlich auch das abschließende Konzert im Maschinenhaus. Sub Dub Micromachine – ein astreinen Korn-Klon, der sich nicht hinter dem Original verstecken muss – lockten zeitweise 100 Personen in den kleinen Raum, wovon der eine oder andere auch in Bewegung geriet.

Abseits der großen Festivals auch andere Bands zu sehen war sicherlich ein angenehmer Aspekt. Problematisch hingegen die nicht immer so hochwertige und vielfältige Auswahl. Um ein größeres Publikum anzulocken bzw. zu begeistern, bedarf es mehr Eigenständigkeit, Abwechslung und Qualität. Dark Eastern – ein Festival mit Licht und Schatten, welches es nicht leicht haben wird, sich auf Dauer gegen die vielen etablierten Veranstaltungen zu behaupten, welches aber die Chance hat, eine eigenständige und interessante Alternative zu werden.

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