KAELTE ist ein endzeitromantisches Folk-Projekt aus Leipzig, welches aus Sven Martin und Franziska Martin besteht. Sie spielten bereits Auftritte bei einschlägigen Veranstaltungen wie dem Nocturnal Culture Night Special, Mithras Garden Festival oder Schwarzer Herbst in Löbau. Bisher sind fünf Alben via Bandcamp erschienen, welche aber nicht die einzigen Aufnahmen des charismatischen Frontmanns darstellen, ist er doch bereits seit vielen Jahren als Musiker tätig.
Hallo Sven! Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Eingangs möchte ich dich bitten, kurz euer Projekt KAELTE vorzustellen. Ihr bezeichnet eure Musik selbst als Endzeitromantik Folk. Ist das Programm, oder nur eine Notwendigkeit, da Menschen Dinge gerne mit Namen versehen?
Ich fand die Bezeichnung „Endzeitromantik“ schon immer ganz passend. Als ich KAELTE ins Leben rief und die ersten Konzerte spielte, waren die Leute regelrecht schockiert über die düsteren Texte. Nach den Konzerten musste ich mir dann immer anhören, warum ich denn so nichtlebensbejahende Musik mache. Das hat sich dann aber im Laufe der Zeit gelegt. Aber vielleicht sind die Menschen auch nur trauriger geworden. Dennoch fällt es mir schwer, die eigene Musik zu kategorisieren. Deshalb passt Endzeitromantik gut ins Konzept. Aber das ist nur unsere Sichtweise. In erster Linie soll doch jeder die Musik hören, fühlen und sich ein eigenes Bild machen.
Am 1. August erschien euer neues Album „Lieblingslieder“. Was veranlasste euch, nach der letzten Veröffentlichung „Rost“ eine Werkschau anzugehen und wie fühlte es sich an, alte Lieder neu aufzunehmen?
Jeder Musiker kommt irgendwann an den Punkt, seine besten Lieder auf einen Tonträger zu vereinen. Das hat nichts damit zu tun, keine Ideen mehr zu haben, sondern ist vielmehr ein Zeitfenster, ein Etappensieg, ein Lebensabschnitt im Musikerdasein. Die Lieder existierten ja schon alle auf andere Alben. Dennoch sind sie neu verziert. Instrumente wurden zusätzlich eingespielt und alles wurde neu gemischt und gemastert. Bei 16 Liedern schon etwas Arbeit, die ich auch leicht unterschätzt habe, aber auch das haben wir geschafft.
In deinen Texten beschreibst du mit poetischen Bildern oftmals Alltagssituationen und Momente des Lebens. Mal Augenblicke der Einsamkeit, mal Augenblicke der Zweisamkeit, des Zweifels und der Stärke. Mir fallen dabei immer wieder Metaphern auf, die ihren Ursprung in verschiedensten Mythologien und Religionen haben. Bist du ein Mensch, der sich intensiver mit Mythen, Religionen und Philosophie beschäftigt?
Natürlich hat man sich über die Jahre mit allem beschäftigt, was einem auf irgendeine Art und Weise inspirieren konnte. Die besten Ideen kommen mir allerdings auf Reisen in ferne Länder. Das war natürlich in letzter Zeit ein Problem und führte auch bei mir zu diversen Stagnationen. Des Weiteren inspiriert mich natürlich auch andere Musik und Poesie.
Bringt Franziska auch Lied- und Textideen bei KAELTE mit ein oder hast du dabei den Hut auf?
Da habe ich tatsächlich den Hut auf, obwohl ich natürlich auch offen wäre für neue Ideen.
Mit „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ und „In den Hallen“ habt ihr zwei Lieder geschrieben, die unter eurer Anhängerschaft zu Hymnen geworden sind. Mit dem Lied und dem Slogan „Schaff der Freiheit eine Gasse“ liefert ihr einen einprägsamen Aufruf. Welches eurer Lieder liegt dir derzeit persönlich besonders am Herzen und gibt es zur Entstehung der oben genannten Stücke eine besondere Geschichte, die dich zu diesen inspiriert hat?
Die Frage kann man eigentlich sehr gut mit unserer neuen Platte beantworten. Sie trägt den Namen „Lieblingslieder“. Die Geburt von „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ ist schon zu lange her, aber an den Entstehungsprozess von „In den Hallen“ kann ich mich noch erinnern. Ich habe dieses Lied tatsächlich geträumt. Es spielte sich im Völkerschlachtdenkmal ab und es erschienen mir Krieger, die auf dem Schlachtfeld ihre Ehre ließen und im Feuer des Lebens wieder auferstanden sind.
Du hast eine ganz eigene Ästhetik für KAELTE entwickelt. Oft taucht der Rosenkranz auf Bildern auf, der gleichsam einer buddhistischen Gebetskette ähnelt. Noch häufiger ist die Algiz- bzw. Elhaz-Rune zu sehen. Eure Albencover variieren vom Stil her stark, sind aber stets sehr symbolhaft und eröffnen – genauso wie die Texte – viele Interpretationsebenen. Wie ist diese Ästhetik gereift und gibt es Künstler und Bands, die dich besonders faszinieren bzw. gar inspirieren?
Der Mensch lebt von Symbolik und Bilder. Alles hat seine Bedeutung und wird von vielen Menschen unterschiedlich interpretiert. Dies kann auch zu Missverständnissen führen. Gerade in der heutigen Zeit. Man sollte sich dennoch nicht von der eigenen Ästhetik abbringen lassen. Sie hat eine Geschichte und einen Entstehungsprozess und ist nicht nur ein Abbild der Einfallslosigkeit. Die ganzen Bands, Dichter, Maler und Künstler aufzuzählen, die Inspiration und zugleich den Soundtrack der jeweiligen Zeit lieferten, würde hier den Rahmen sprengen. Viel wichtiger für mich ist das, was bleibt von der eigenen Kunst.
Eure Spezialeditionen der Alben sind immer sehr aufwendig gestaltet und reich ausgestattet. Bei eurer letzten Box befanden sich die CDs in einer Metallhülle, bei „Lieblingslieder“ ist es eine Tasche aus NVA-Tarnstoff. Was führte zu dieser besonderen Hülle und dem sehr prägnanten Design von „Lieblingslieder“?
Wie schon gesagt, der Mensch lebt von Symbolik und ja, ich komme aus der DDR und die Einstrich-Keinstrichuniform hat für mich eine besondere Symbolik. Es ist Liebe und Hass zugleich. Es waren die, die uns nicht wollten und wir waren die, die diese Uniform nicht sehen wollten. Dennoch weckt es auch positive Erinnerungen und versehen mit einer Algiz-Rune ergibt es schon wieder einen Sinn. Für mich eher ein Gesamtkunstwerk, das danach schreit, dass sich die heutigen Kunstkenner und Kritiker daran die Zähne ausbeißen. Vielleicht bringen wir auch noch passend dazu eine Uniformkollektion heraus.
Ihr bietet ein breites Angebot an Buttons und Aufklebern an. Es gab Zeiten, da waren die am Kragen der schwarzen Lederjacke befestigten Buttons ein wichtiges Accessoire und Zurschaustellung einer Lebenseinstellung, gerade bei Black Metal oder Punk Fans. Bist du ein passionierter Buttonträger?
Nein.
Einigen bist du noch als einstiger Schlagzeuger von „Wissmut“ und der „Die Art“-Re-Union bekannt. Andere kennen dich vielleicht von deinen musikalischen Projekten „Lizard Pool“ oder „Woworsky“. 2006 kam das erste Lebenszeichen von DIE KAELTE (später KAELTE). Einige der Projekte waren eher dem Punk verschrieben, dein neuestes dem Folk. Wie kam es dazu? War der Punk auserzählt für dich? Und in wie weit prägt deine musikalische Vergangenheit den Sound von KAELTE?
Jeder Musiker hat seine musikalische Vergangenheit. Auch das ist ein permanenter Entstehungsprozess, bei dem ich immer auf der Suche war. Zum ersten Mal fühle ich mich wirklich angekommen. Dass mich meine Frau bei KAELTE unterstützt, macht es natürlich umso schöner. Jetzt beginnt eher die Phase der Ungezwungenheit. Man muss niemanden mehr etwas beweisen und ich musste feststellen, dass es für mich in dieser Konstellation passt. Dass die Musik jetzt im Folkgenre angekommen ist, hat verschiedene Ursachen. Ich mag es schon seit langer Zeit, mit wenig Aufwand Konzerte zu spielen. Und das geht nun mal mit einer Akustikgitarre sehr gut. Ob der Punk deswegen auserzählt ist? Ich glaube, den Punk lebe ich jetzt in meinem Arbeitsalltag aus.
Zwischen KAELTE auf Platte und KAELTE live besteht ein starker Unterschied. Sind bei euch auf den Alben viele verschiedene Instrumente zu hören, so tretet ihr zweistimmig singend und nur in Begleitung einer Akustikgitarre auf. Für mich haben beide Varianten einen starken Reiz und gerade in der reduzierten Livevariante liegt der Fokus besonders stark auf den Texten. Siehst du in diesem Unterschied Vor- und oder Nachteile? Habt ihr vor, das große Instrumentarium auch mal live aufzuführen?
Hin und wieder spielen wir auch mal bei größeren Events. Dort lassen wir den Instrumentalteppich dann von Band kommen. Das macht dann bei einer vernünftigen PA auch mal Sinn. Wie schon erwähnt ist es natürlich schön, auch akustisch spielen zu können. Dies bietet dir gerade jetzt in dieser schwierigen Zeit die Möglichkeit flexibel zu sein. Aber natürlich wäre es schön, irgendwann mal die Lieder mit einer kompletten Band zu spielen.
Trotz der schwierigen Situation spielt ihr in naher Zukunft einige Konzerte. Wie bereitet ihr euch auf solche vor? Und welche Pläne habt ihr sonst für die nahe Zukunft?
Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass wir trotz der schwierigen Lage mehrere Konzerte spielen können. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir als Ehepaar zusammenwohnen und proben können. Dies erleichtert natürlich alles und entspannt auch den Geldbeutel, denn unser Studio befindet sich in unserer Wohnung. Für die Zukunft sind natürlich weitere Konzerte und Aufnahmen geplant. Ich arbeite an neue Texte und Kompositionen und hoffe auf Reisefreiheit.
Noch einige letzte wichtige Worte des Sven Martin an die Welt?
Schaff der Freiheit eine Gasse!