Der Titel, auf den ersten Blick ungewöhnlich für einen (Anti)Pop-Roman, der sich inhaltlich, zumindest was den musikalischen Hintergrund anbelangt, der Dark-Wave-Musik verschreibt. Allerdings geben der lakonische Erzählsound und die Herzerkrankung des Protagonisten erste Hinweise zu verschiedenen Deutungsansätzen. Später (S. 200…) wird noch einmal explizit auf die Mehrdeutigkeit des Titels hingewiesen. „Ein Typ im Fernsehen, der gerade in die Klasse Reich und Berühmt versetzt worden ist“ verrät sein Erfolgsrezept und „intoniert mit Gotthilf-Fischer-Mimik und -Gestik: Hab Sonne im Herzen, ob´s stürmt oder schneit…“ Frei nach der Devise: Wenn man selbst in der warmen Wohnung sitzt, lässt es sich gut aushalten, wenn´s draußen stürmt und schneit…
„Hab Sonne“ ist die 80er-Jahre-Szenebiografie eines Ruhrgebiets-DJs und Club-Betreibers (u.a. Mitbegründer der legendären Grufti-Disco „Zwischenfall“). Der Tonfall ist humorvoll bis sarkastisch, drastisch oder auch kühl schildernd. Eigen und Eigenes vertretend.
Der Prolog beschreibt eine zeittypische Situation für den DJ, die Jagd nach einer bestimmten Platte. Internetverkaufsplattformen gab es noch nicht, da war mitunter viel Initiative und Reiselust gefragt …
In „Eins“ beginnt der späte Abend für den DJ Klaus Märkert im „Logo“ – ein Club in den 80ern in Bochum – und endet am frühen Morgen. Infarkt. Krankenhaus. Untersuchungen. Das Leben zwischen Clubs, Frauen, Kaffee und Nikotin und wahnsinnig viel Freiheit hatte sich also erst einmal erledigt. Aber… Hab Sonne… und so schildert Klaus Märkert mit viel Sprachwitz und enormer Leichtigkeit in Rückblicken seine 80er-Jahre in und um Bochum, als Plattenverkäufer, Student, Taxifahrer und vor allem als DJ inklusive der Gründung und ersten Jahre des „Zwischenfall“ in Bochum. Der Sprachklang der eingeschobenen Kapitel, die sich der Herzerkrankung und des Krankenhausaufenthalts annehmen, ist ähnlich angelegt, sodass es keinen Bruch in der Erzählung gibt und die Ernsthaftigkeit der Situation nur gelegentlich, dafür jedoch umso intensiver, durchscheint. Stellvertretend für die zahlreichen Höhepunkte des Romans drei Textzitate:
Eine Idee im Vorfeld der Eröffnung des „Zwischenfalls“:
„Warum führt ihr nicht einen Tanzzwang ein? Jeder erhält an der Kasse neben der Eintrittskarte ein Ticket, auf dem später vermerkt wird, ob er der Verpflichtung von sagen wir mal drei Tänzen pro Stunde nachgekommen ist. Wer zu wenig tanzt, muss beim Verlassen der Diskothek den Eintrittspreis noch einmal bezahlen.“
Ein Gedankenaustausch im Zusammenhang mit den Studentinnen des Studienganges Sozialarbeit/-pädagogik:
„Weißt du eigentlich, dass die rote Ledercouch dort in der Ecke mehr erotische Ausstrahlung besitzt, als alle Frauen unseres Semesters.“
Überlegung des Protagonisten angesichts seiner Herzerkrankung:
„Scheint die Sonne auch für jemanden, der bis zur Stunde X als DJ in einer Independent-Disco gearbeitet hat? Ich meine, welche Droge könnte mich von heute auf morgen in einen nichtrauchenden Wackeldackel-Fan verwandeln?“
Es sind so unglaublich viele Details, die man aufzählen könnte… Ein Fächer, der eine Menge Funken aus der Vergangenheit aufgefangen hat. Ein schwarzes, vor Energie sprühendes Leben in einer seltsam bigotten bunten Umwelt. Der Break-Even-Point in der sozusagen „besten“ Zeit. Und dann. Es geht immer weiter. Hab Sonne im Herzen….
Kurzweilig, authentisch, mit reichlich Selbst-Ironie. Lesenswert – vor allem für freundlich-schwarz Gesinnte.
Eisenhutverlag
ISBN: 978-3-942090-31-5