Klaus Märkert – Schallplattenunterhalter und Schriftsteller

Man kann Klaus Märkert bedenkenlos als eine Art Szene-Urgestein bezeichnen. Hat er die alternative Clublandschaft des Ruhrgebiets doch in den 80er-Jahren stark mitgeprägt. Zum einen als Schallplattenunterhalter, zum anderen als Mitbegründer der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Bochumer Diskothek „Zwischenfall“. Als unangepasster junger Mann stillte er damals den Hunger der Dark-Wave-Szene nach „ihrer“ Musik. Dem biederen Durchschnittsbürger galt er wohl eher als ein „Schrecken“. Bis Klaus Märkert selbst einen „Schrecken“ erlitt – ein gebrochenes Herz (Infarkt) stellte sein Leben auf den Kopf. Inzwischen ist auch der „Zwischenfall“ Geschichte (aufgrund von Löschwasserschäden musste der Club im Jahr 2011 geschlossen werden). In der Reha wurde Klaus Märkert geraten, zu schreiben, was er auch nach seiner Genesung nicht aufgegeben hat. Mittlerweile konnte sich Klaus Märkert einen Namen als Autor machen. Die Zeit mit Jurastudium, Sozialarbeit, Taxifahrten, Schallplattenverkäufen und musikredaktioneller Arbeit ist Vergangenheit. Zwei Romane hat er geschrieben. „Hab Sonne“ und „Requiem für Pac-Man“ sind autobiografisch. Mit viel trockener Ironie. Makaber und skurril, seltsam und süchtig machend sind hingegen seine Kurzgeschichten, die er in den drei Büchern mit den ungewöhnlichen Titeln „Ich bin dann mal tot“, „Der Tag braucht das Licht – ich nicht“ und „Schlagt sie tot in den Wäldern“ zusammengefasst hat. Allesamt Bücher, die man nicht aus der Hand legen kann, bis man die letzte Seite erreicht hat. Außerdem ist er Mitgestalter der Lesebühne „LiO“ in Bochum und DJ der „80er-Dance-Night“ im „Bahnhof Langendreer“ sowie auf der „mYsteria-X“ im Club „T.I.C.“ in Mülheim.

Klaus Märkert stand uns für ein kleines Gespräch zur Verfügung. Wir haben sehr aufschlussreiche und interessante Antworten erhalten.

Das Schreiben war für Dich eine Art Therapie in der Reha. Was hat Dich dazu bewogen, dem Schreiben auch später (bis heute) treu zu bleiben?

Ich bemerkte während des Schreibens, dass ich nach einer gewissen Zeit in diesen Flow kam, und da entstanden Metaphern und Szenen, die mir gut und originell genug erschienen, um dranzubleiben. Ich begann, an mich als Autor zu glauben.

Was inspiriert Dich, wie fallen Dir die Geschichten ein?

Alles inspiriert mich. Ich bin ein Beobachter. Schon immer gewesen, aber seit ich schreibe, schau ich noch genauer hin. So entstehen Bruchteile von Geschichten, Figuren, Szenen, die ich niederschreibe und die mich später (hoffentlich!) zu einer Story bringen. Die autobiografischen Romane funktionieren in erster Linie über die Erinnerung und Verfeinerung derselben, auf dass ich nicht ins Schwafeln gerate oder ins Selbstbeweihräuchern. Das tun andere ja schon zuhauf. Die Unterhaltungsliteratur quellt über von geschwätzigen Ü-500-Seiten Schmökern.  

Hast Du literarische Vorbilder?

Ich mag Michel Houellebecq, Ian McEwan, streckenweise auch TC Boyle, Martin Amis oder Andreas Altmann (besonders: „das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißkindheit“), dazu die Klassiker: Dostojewski, Poe, E.T.A. Hoffmann, Bukowski, Henry Miller, „Hunger“ von Knut Hamsun, und – und – und, ach ja auch Stephen King, Woody Allen und Roald Dahl.

Bist Du mit dem Zuspruch, den Deine Lesungen erhalten, zufrieden?

Insgesamt gesehen bin ich zufrieden, wenn mal nicht so, dann liegt es oft auch daran, dass ich gerade in den letzten beiden Jahren teilweise zu unkritisch vorgegangen bin bei der Auswahl der Lese-Locations und/oder Veranstalter. Es dauerte eine Zeit, herauszufinden, wo ich als Autor funktioniere (was mir gut tut) und wo ich eher von vornherein „negativere“ Reaktionen auslöse, was nicht heißt, dass die Leute nicht aufmerksam zuhören, aber es sind dann genau die Leute im Publikum, die ich in meinen Storys im Nachthumor-Style beschreibe, (wie etwa die Frau von der Käsetheke in Requiem für Pac-Man), die schauen mich während der Lesung böse an und kaufen im Anschluss natürlich keine Bücher. Im neuen Roman beschreibe ich solch eine Lesung.

Buchveröffentlichungen sind durch den Digitaldruck heute so einfach wie nie. Letztendlich hat jeder die Möglichkeit, ein Buch zu publizieren. Wie findest Du diese Entwicklung?

Dem häufig starren wie festgefahrenen Verlagswesen ein wenig Druck zu machen, fand ich zunächst mal spannend. Insgesamt sehe ich die Entwicklung mittlerweile eher skeptisch. Zu viele schlechte Autoren drängen auf den Markt, von Freunden und Verwandten hochgejubelt und so völlig unkritisch fürs eigene Machwerk. So entsteht in der Öffentlichkeit mehr und mehr der Eindruck, jeder könne ohne große Übung ein Buch schreiben. Wenn dann nach der Veröffentlichung kein Schwein die Bücher haben will (außer den paar Freunden und Verwandten, und die wohl eher gezwungenermaßen!), bieten diese Autoren ihre Bücher für 1 bis maximal 3 Euro im E-Book-Handel an. Auch wenn der überwiegende Teil der Leser diese Billig-Bücher noch immer nicht erwirbt, hat der Handel (Ullstein und Co) schon reagiert und mit Dumpingpreis-Serien (Midnight) nachgelegt. So wird bei vielen Lesern der Eindruck verfestigt, Bücher seinen nicht mehr viel Wert.    

Schlägt man eine Tageszeitung auf, erhält man oftmals den Eindruck, dass der Stellenwert von Sprache und Rechtschreibung in den letzten Jahren abgenommen hat. Der Eindruck verstärkt sich noch, wenn man sich im Internet bewegt. Empfindest Du dies ähnlich oder ist es eine normale Entwicklung von Sprache?

Der Inhalt steht im Fokus: Krimis, Erotik, Schenkelklopferhumor, kitschige Love-Storys, Promi-Enthüllungen, reißerische Ratgeber (Sarazin und Co.). Die sprachlichen Qualitäten, besonders aber der raffinierte Aufbau einer Story, die feine Komposition des Plots, das alles wird insbesondere beim jüngeren Publikum immer weniger wahrgenommen. Liegt wohl auch am Einfluss der Poetry Slams, wo es darauf ankommt, in maximal 5 Minuten zu punkten. Da zählt nur noch die Coolness beim Auftritt kombiniert mit der Gagdichte des Textes, die Story ist eher unwichtig. Wenn die Heroen des Slams dann Bücher herausbringen und der Fan zugreift und so womöglich seine ersten außerschulischen Leseerfahrungen macht, bemerkt er (wenn er überhaupt noch was merkt…), dass die Geschichten als Lesestoff nicht richtig funktionieren, einen Lesefluss nicht zustande kommen lassen. Am Ende sagt sich der SlamFan, Bücher sind doof. Das ist sein Fazit. Und damit hat sich das Thema Buchkauf für ihn erledigt. Der unkritische Fan kauft natürlich weiter Slam-Bücher, allerdings nur die Angesagten. Alles für den Sieger.
Die intellektuell beschlagene Szenerie zieht sich derweil noch mehr in ihren Elfenbeinturm zurück und hält alle Türen zu. An neuem wird nur akzeptiert, was im Ausland schon zu Ruhm und Anerkennung gelangt ist oder neue inländische Autoren, die von Insiderkreisen „hochempfohlen“ wurden.

Wie hast Du in die alternative bzw. Schwarze Szene gefunden? Gab es eine Initialzündung?

Die Musik, die Leute. Ich hatte zwar nie einen Teller oder Iro oder was weiß ich, aber Schwarz ist schon cool! Irgendwo ja auch Protest gegen die verkaufte Hippie-Ideologie der 70er. Wo sind die eigentlich abgeblieben, die Utopisten und Weltverbesserer von damals? Wenn man sich allein die Entwicklung der Grünen anschaut, das sagt alles!

Wie beurteilst Du die alternative/schwarze Szene heutzutage?

Durch den enormen Anpassungsdruck ist es heutzutage natürlich viel schwieriger geworden mit allen Sinnen schwarzalternativ (also mit Haut und Haaren) unterwegs zu sein, als etwa in den 80er Jahren, wo´s noch das gute alte Arbeitsamt gab und keine Agenda 2010. Wo selbst alternative Musiker (Phillip Boa, u. a.) von ihren Plattenverkäufen und Konzerten leben konnten, sogar Autoren (Jörg Fauser u. a.), die gegen den Mainstream anlebten und schrieben.

Gibt es einschneidende musikalische Erlebnisse, die Dein späteres Leben und kreatives Schaffen geprägt bzw. beeinflusst haben?

Beim DJ-Job gibt es derer viele. Konzerte, Hörerlebnisse daheim und unterwegs. Beim Schreiben höre ich gern Dark Ambient wie Raison D’etre oder Apoptose, aber auch Dead Can Dance oder die Ambient Sachen von John Foxx.

Seit Du das erste Mal hinter dem DJ-Pult gestanden hast, hat sich die Musiklandschaft deutlich verändert. Vinyl wurde von der CD (zumindest zu einem großen Teil) verdrängt, danach kam das Internet und MP3. Musikkonsum sieht im Jahre 2015 vollkommen anders aus, als in den 80er Jahren, auf die sich auch heute noch viele neue Bands musikalisch berufen. Wie siehst Du die Lage? Hat der Wert der Musik durch den einfacheren Zugriff abgenommen?

Klares JA. Und die Folge ist, durch die fehlenden Einnahmen verkommt die Kunst zum bloßen Hobbybetrieb. Das verändert die Gesellschaft auf längere Sicht, hilft aber den Regierenden. Helene Fischer und Co. tun keinem weh und dem Gehirn schon mal gar nicht, darum haben sie die volle mediale Unterstützung.

Sicherlich gibt es Ausnahmen, aber beim Besuch vieler Clubs kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, die DJs würden leidenschaftslos ein Programm ohne „Innovationen“ abarbeiten. Woche für Woche die gleichen Stücke. Wer ist an diesem Umstand schuld? DJs, Veranstalter oder Gäste? Wie sind Deine Erfahrungen?

Die von Finanznöten gepeinigten Clubbesitzer, die den ganzen Abend ängstlich zur Tanzfläche schielen und (gerade die jungen) DJs einschüchtern. Die Medien, die eine Vorliebe für mittelmäßige bis schlechte Acts haben (man betrachte nur die DAC-Charts, davon läuft bei mir so gut wie nichts!) und zum Teil auch die Gäste, von denen sich gerade die jüngeren gut manipulieren lassen oder sogar von vornherein auf austauschbaren Stampfsound abfahren (Hauptsache die Vokals klingen verzerrt und böse!). Wochenendgruftis eben.

Über Streamingdienste wird heiß diskutiert. Für den Abonnenten ist so ein Dienst eine angenehme Sache. Gegen Zahlung eines monatlich fälligen Betrags in relativ geringer Höhe erhält man dauerhaften Zugriff auf Millionen von Songs, die man jederzeit und so oft man möchte anhören kann, ohne ein Album etc. zu kaufen. Einen finanziellen Erfolg scheinen die wenigsten Musiker – auch wenn ihre Titel oft abgespielt werden – nicht zu spüren. Wie ist Deine Meinung zu Spotify und Co.?

Gefällt mir gar nicht. Überhaupt, dass Geschäftsleute und Computerfreaks, die mit der Sache nichts zu tun haben, in Parasitenmanier Geld mit dem künstlerischen Schaffen anderer machen, wo noch nicht mal klar ist, nach welchen Kriterien die Einnahmen an wen verteilt werden. Und wer kontrolliert das Ergebnis?

Die Gema stellt für viele Menschen ein rotes Tuch dar. Doch für Musikschaffende ist eine Verwertungsgesellschaft, die ihre Rechte abseits von Tonträgerverkäufen und Konzertauftritten vertritt, oftmals unerlässlich. Wie stehst Du zur Gema und welche Reformen würdest Du Dir wünschen?

Die Gema gehört runderneuert. Es bedarf gerechterer Verteilungsschlüssel. Soweit ich informiert bin, erreichen die Gema-Einnahmen die Szenebands doch gar nicht oder nur in lächerlichem Maße, auch weil diese im öffentlichen TV/Radiobetrieb gar nicht vorkommen. Oder berücksichtigt die Gema etwa YouTube-Clicks oder Online-TV-Stationen wie UnArt.TV? Das wäre mir neu.

Welche Bedeutung hat für Dich ein Cover-Artwork in einer Zeit, in der immer weniger Menschen in Buchhandlungen/Plattenläden gehen und Bücher/Musik zunehmend digital konsumiert werden?

Ist auf jeden Fall fürs Buch noch wichtiger geworden, zumindest sofern es „anspruchsvollere“ oder Spartenliteratur (Dark Fantasy, Horror, etc.) betrifft. Bei der Musik schon auch, aber wohl nur fürs Vinyl, CDs sehe ich eher als Auslaufmodell, da hilft auch kein gutes Cover-Artwork mehr.

Wie sehen Deine Pläne für die Zukunft aus? Wird es ein neues Buch geben?

Im letzten Jahr war ich wieder verstärkt als DJ unterwegs, was mir überwiegend sehr viel Spaß gemacht hat, gerade die mYsteria-X Party-Reihe in Mühlheim, die ich gemeinsam mit einem befreundeten DJ (Georg) ins Leben gerufen habe und auf der sehr viel neuer Sound läuft und Standards die Ausnahme sind.

Zwei Buchprojekte warten auf Veröffentlichung. Eine überarbeitete Zweitauflage von „Der Tag braucht das Licht – ich nicht!“, was ja nun bereits seit mehr als zwei Jahren vergriffen ist. Immer wieder bekomme ich Anfragen von Kaufinteressierten, aber ich selbst habe auch nur noch das eine Exemplar. Ich hoffe, der Verlag schafft es, das Buch nun im ersten Quartal 2015 zu veröffentlichen. Das zweite ist der Nachfolgeroman zu „Hab Sonne“ und „Requiem für Pac-Man“, also erneut autobiografisch, allerdings gibt es kaum Disko-Szenen, einiges aus der Kindheit bis ins Jahr 2012. Roter Faden: Tod und Mystik. Aber mit viel Nachthumor. Der Roman ist zu 80% fertig. Außerdem arbeite ich an einer längeren schwarzhumorigen Splatter-Erzählung.

Schöne Aussichten für alle, die Freude an seinen bisher erschienenen Werken hatten und haben.

» Klaus Märkert

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