Mark Benecke – Memento Mori. Der Traum vom ewigen Leben

Memento moriendum esse – „Bedenke, dass du sterblich bist“. Ja, das ist wohl so. Auch wenn einem mit Anfang 20 das Leben schier unendlich zu sein scheint – andererseits ein Leben jenseits der 30 wenig sinnvoll vorkommt – das Ende jeden Lebens steht fest.

„Was ist Langlebigkeit? Das Grauen, in einem menschlichen Körper gefangen zu sein, dessen Fähigkeiten schwinden; eine Schlaflosigkeit, die mit Jahrzehnten gemessen wird, nicht mit Zeigern aus Stahl; das Gewicht von Meeren und Pyramiden, von alten Bibliotheken und Dynastien, nicht nichtzuwissen, dass ich verdammt bin zu meinem Fleisch, zu meiner abscheulichen Stimme, zu meinem Namen, zu einer Routine von Erinnerungen, zum Spanischen, mit dem ich nicht umgehen kann, zur Nostalgie nach dem Latein, das ich nicht beherrsche, dazu, mich in den Tod versenken zu wollen und nicht in den Tod sinken zu können, zu sein und zu währen.“ – Jorge Luis Borges

Mark Benecke, Biologe, bekannter Forensiker, hat zum Thema „Der Traum vom ewigen Leben“ umfangreiche Recherchen durchgeführt. Methoden der Lebensverlängerung, Genmanipulation werden ausführlich beschrieben. Mark Benecke befragte Mediziner und Hochbetagte, Ernährungsexperten, Biologen aus der Forschung. Welche Mühen heutzutage schon alles aufgewendet werden, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Frischzellenkuren sind da ein Beispiel. Übrigens wurde ein wissenschaftlich begründeter Erfolg nicht erzielt. Oder man lässt sich einfrieren und schaut nach 100 Jahren, ob es was Neues gibt (Forever young). Ob man sich mit einem 100 Jahre altem Wissen und sozialer Prägung in einer unbegreiflichen Neu-Zeit zurechtfindet? Dem Auswandern auf andere Planeten, um einer unbewohnbaren Erde zu entfliehen, wird in diesem Buch ebenso Platz eingeräumt. Es gab verschiedene Versuche, in denen Menschen – hermetisch abgeschirmt – sowohl eine lange Reiszeit als auch das Überleben auf für menschliches Leben ungeeigneten Planeten sozusagen „üben“. Jedoch sind diese alle gescheitert. Wie wäre es denn mit einer Gehirnverpflanzung in einen jungen Körper? Oder das eigene ICH klonen? Genveränderungen? Der Autor dringt tief in diesen „Menschheitstraum“ ein und stellt nicht nur die Frage, welchen Sinn ein „ewiges“ Leben hätte, sondern auch nach dessen biologischer Machbarkeit.

Vor etwa 3 Milliarden Jahren sind auf der Erde erste Zellen entstanden. Also im weitesten Sinne „Leben“. Was wäre wenn… diese nie gestorben wären? Nicht auszudenken! „Warum erfand die Natur den Tod und ist Unsterblichkeit wirklich erstrebenswert?“

„Jede Zelle besitzt nicht nur den Plan für ihre eigene Spezialaufgabe, sondern auch die Anleitungen und Rezepte aller anderen Zelltypen.“ Was schlichtweg bedeutet, dass jede Zelle unseres Körpers größtenteils Ballastinformationen mit sich herumträgt. Warum werden diese nicht einfach über Bord geworfen? Ausschlaggebend sind die „Ur“-Zellen, der Überlebenskampf und die Anpassung an neue Umweltbedingungen. Was haben also unsere überinformierten Zellen mit dem ewigen (oder auch nicht) Leben zu tun? Zellen erneuern sich ständig. In unterschiedlich langen Intervallen entsteht jede Körperzelle neu. Jede Zelle trägt also eine Art Abschalt-Neumach-Automatik in sich. Alle 7 Jahre etwa sind wir „runderneuert“ (leider werden Muskeln und Nerven dabei ausgelassen). Hört sich gut an, täuscht aber. Denn die Nachfolge-Zelle behält nicht dauerhaft die Ursprungsqualität bei. Bis zum 25. Lebensjahr geht es voran. Aber dann… Ja, es gibt sie auch – die unsterbliche Zellen. Nämlich Krebszellen.
Was aber nach meinem Gespür schwerer wiegt: Gehirnzellen sterben bereits ab dem 15. Lebensjahr ab. Täglich gehen fünfzig- bis hunderttausend Hirnnervenzellen verloren. Eine grausliche Vorstellung. Wer will eigentlich total verblödet ewig leben?
Unsere Zellen, unsere DNA, unsere Gene – das ist unser Leben, unser Wachstum, unsere Veränderung, unser Tod. Es gibt Todesgene. Hört sich furchtbar an. Doch wenn es sie nicht gäbe, dann blieben uns bestimmte embryonale Körperteile wie Schwimmhäute beispielsweise bis ans Lebensende erhalten. Das mag für Leistungssportschwimmer praktisch sein, hätte aber die gesamte menschliche Entwicklung verhindert. Absichtlicher Zelltod: Hautzellen, schwer arbeitende Leberzellen – wir brauchen ständig neue.
Das Sterben von Zellen, das Sterben des Menschen ist Voraussetzung für die Arterhaltung. Nachkommen den jeweiligen Umweltbedingungen angepasst zeugen. Und das steht über dem Wunschdenken Weniger, unsterblich zu sein.
Der Arterhaltung/Fortpflanzung räumt Mark Benecke ebenfalls viel Raum ein. „Die geschlechtliche Fortpflanzung ist nicht nur wegen der damit verbundenen sinnlichen Erfahrungen von Vorteil. Eigentlich sind diese auch nur ein biologischer Trick, um Lebewesen dazu zu bringen, sich der biologisch vorteilhaften Arterhaltungsmethode zu bedienen.“ Das dann mal zum Thema Sex. Überbevölkerung und die räumliche Begrenzung dieses Erdballs wird in „Memento Mori“ erörtert – ohne positives Resümee allerdings. Schlagworte wie Artensterben und Zusammenbruch ökologischer Abhängigkeiten vermisst der Leser ebenso wenig. Ausdünnung der Vielfalt von Obst- und Gemüsesorten und Nutzvieh auf Grund von „Verordnungen“, „Normen“ und leider auch Verbraucherverhalten. Die Menschheit tut alles für den eigenen Untergang? Es werden durch Wissenschaftler bereits Samen, Erbgut weltweit gesammelt. Warum wohl?
Was ist also der Traum vom ewigen Leben? Ein Alptraum, biologischer Unsinn. Unsterblichkeit wäre aus vielen Gründen (man möge Beneckes Buch lesen!) ein „Rohrkrepierer“.
Die Lebenserwartung der Menschen ist stetig gestiegen. Das Leben währt länger und man kann es durch eine gesunde Lebensführung lange lebenswert erhalten. Sofern die Gene nicht andere Pläne haben. Also machen wir das Beste daraus. Träumen wir nicht vom ewigen Leben, sondern von einem spannenden erfüllten EINEM Leben.

Nachsatz: Das Lesevergnügen war etwas eingetrübt. Nicht wegen des Themas. Und schon gar nicht wegen des Autors. Das Lesen als solches gestaltete sich etwas holprig. Gewöhnungsbedürftige Silbentrennungen und Zeilenumbrüche ließen mich stutzen. Worte wie beispielsweise „über“ mit großem „Ü“ mitten im Satz – Satz zu Ende? Nur Punkt vergessen? Doch das fesselnde Thema nahm mich zunehmend „gefangen“ und ließen die drucktechnischen Stolperstellen in den Hintergrund rücken.

Edition Roter Drache
komplett überarbeitete Neuauflage der vergriffenen Erstausgabe „Traum vom ewigen Leben“ aus dem Jahr 1998
256 Seiten, 14,8 x 21 cm, Broschur
ISBN 978-3-939459-39-2
www.benecke.com

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