Das Schweizer Trio mit dem ungewöhnlichen Namen – ein Gemisch aus Englisch und Latein – stößt in seinem Heimatland teilweise auf Unverständnis. Befremdlichkeit. Zu düster, zu melancholisch. Radiosender sorgen sich um das Wohl des Volkes. Ich sehe ganz andere Gefahren, die nicht nur den Schweizern, sondern allen Völkern drohen. Aber sicherlich nicht von „The Beauty Of Gemina“. Menschliche Gefühle in schädliche und unschädliche zu unterscheiden, finde ich sehr gewagt. Menschen, denen Trauer, Melancholie, Nachdenklichkeit fremd sind, machen mir Angst.
Eine musikalische Schublade lässt sich schwer definieren. Zu eigen erscheint der Stil. Rockmusik wird mit synthetischen, klassischen, alternativen, dunklen, elektronischen Klängen vermischt – angelehnt an vieles, und doch mit keinem vergleichbar. Eine Synthese, die sich einer starren Festlegung verweigert. Auf dem neuen Album sind nun auch starke Country- und Folkeinflüsse unüberhörbar.
„Ghost Prayers“ ist ein dunkel-schönes Meisterwerk. Michael Seles, der charismatische Sänger und Gitarrist, setzte sich schon früher kritisch mit der katholischen Kirche auseinander. So darf man wohl annehmen, dass dieses Geist- Gebet kein imaginäres höheres Wesen anruft, sondern sich an das vielschichtige Innere der Menschen wendet. Um dies zu erahnen, reicht es schon aus, sich die Titel der Stücke anzuschauen.
One Million Stars
All Those Days
Hundred Lies
Dancer On A Frozen Lake
Run Run Run
Down By The Horses
When We Know
Dragon
I Wish You Could Die
Time For Heartache
Mariannah
Darkness
Macht man sich schon Gedanken, wenn man die Titel verinnerlicht, so kommt mit dem Zuhören erst recht die Gänsehaut. Ein jeder hat seine traurigen, düsteren Erinnerungen, Erlebnisse. Die gut zudeckt und versteckt tief in einem lauern. Aber mit „Ghost Prayers“ kann man sich von dieser Verschlossenheit auch einmal befreien. Die Fassade durchbrechen. Nur fühlen. Das Eigene mit den Stücken Eins werden lassen. Träumen.
Die Stimme von Michael Seles ist beeindruckend dunkel, sonor. Und scheint so gar nicht zu der fragilen äußeren Erscheinung zu passen. Ausdrucksstark inszeniert er die Musik mit ihren verschiedenen Inhalten. Mal temporeich, mal getragen, klagend, geistesabwesend. „Dragon“ ist sehr träumerisch und „Mariannah“ temperamentvoll. Nur als Beispiel und ganz ohne Wertung. Denn auch „Run Run Run“ hat ein kräftiges Tempo. Der Tänzer auf dem gefrorenen See verweht im eisigen Wind. Der letzte Titel „Darkness“ hat eine Länge von über 11 Minuten. Die feinen eingestreuten Pianoklänge machen diese Ballade zu etwas ganz Besonderen. Zurückhaltende Gitarren und der weich fließende Gesang schaffen eine Stimmung, in welcher man die Augen schließt, das Denken einstellt und nur noch fühlt. Sphärisch.
Und ich sehe die Tanzfläche, auf der sich Menschen im Halbdunkel wiegend dieser Musik hingeben…