The Devil & The Universe – Haunted Summer

Kurz vor Mitternacht. Hinter bedrohlichen Wolken schimmert matt das Licht des Mondes. Nebel hängt über einer einsamen Landschaft und droht die Welt zu verschlingen. Ein alter, scheinbar seit langer Zeit ungenutzter Friedhof mit einigen schiefen Eisenkreuzen und wild bewachsenen Grabsteinen zeigt sich in monochromen Farben. Daneben steht ein altes Haus, dessen leere Fenster wie tote Augen in die nächtliche Dunkelheit blicken. Im Wind tanzende Fackeln markieren den Weg zu einer schweren Eingangstür. Auf einem verblassten Parkettboden stehen im Innern des Anwesens einige Kerzen, deren Anordnung die Formen eines Pentagramms nachzeichnen… Ein Bild, das bei den Klängen von „Haunted Sommer“ vor dem geistigen Auge auftaucht. Im Übrigen wäre dies wohl ein perfektes Ambiente, um das dritte Album von „The Devil & The Universe“ – bestehend aus Ashley Dayour (einigen vielleicht bekannt als Kopf der Band „Whispers In The Shadow“), David Pfister und Stefan Elsbacher – zu genießen. Aber auch im Kerzenschein der eigenen vier Wände ist der „geisterhafte Sommer“ etwas Besonderes.

Der Titel „Haunted Summer“ weist auf eine Begebenheit des Jahres 1816 hin. Im sogenannten Jahr ohne Sommer kamen der Arzt John Polidori, Percy Shelley, dessen spätere Frau Mary Wollstonecraft und ihre Halbschwester Claire in der Villa von Lord Byron zusammen. Der außergewöhnlich kühle Sommer und die damit einhergehende düstere Stimmung am Genfer See animierte die illustre Gesellschaft, Gruselgeschichten zu verfassen. So entstanden während dieser Zeit u. a. die Klassiker „Frankenstein“ und „The Vampire“. Letztere Erzählung dürfte ein ganzes Genre begründet haben, dessen Faszination bis zum heutigen Tage ungebrochen ist.

Doch der an den Beginn des Albums gestellte Titelsong erinnert mich mit seinem für „The Devil & The Universe“ ungewöhnlichen Gitarreneinsatz zuerst an die schleppenden und den Hörer in ein tiefes schwarzes Loch reißenden Klänge der Band „Neurosis“. Ebenso erscheint mir das titelgebende Stück auch wie eine Hommage an die 1970er-Jahre. Als Rockbands vom „Meister des Okkulten“ Aleister Crowley beeinflusst wurden und Kirchen Sturm gegen teufelsanbetende und vom Bösen beherrschte Musiker liefen. Reminiszenzen an eine Ära, in der Platten rückwärts gespielt wurden, um die angeblich vorhandenen Nachrichten an Satan hörbar zu machen. Oder Worte, die brave Jugendliche unbewusst zu allerlei Diabolischem verführen sollten.

Die zumeist instrumentalen Stücke werden getragen von rituellen Trommeln. Dazu kommt der dezente Einsatz von fast verschwörerisch klingenden Sprach-Samples. Gesungene Worte hört man hingegen kaum. Einzige Ausnahme bildet „Cloak Of Dispersion“ mit der ungewöhnlichen Verschmelzung von opernhaftem, weiblichem Gesang, sphärischen Melodien, ritueller Rhythmik und orientalischen Tönen. So bleibt es den Titeln der einzelnen Stücke überlassen, einen thematischen Weg vorzugeben. Beispielsweise „Stygian“, was sich wohl auf den Fluss Styx der Unterwelt Hades in der griechischen Mythologie bezieht. Oder „Danaus Plexippus“, der wissenschaftliche Name für den Monarchfalter. In Amerika – insbesondere Mexiko – gilt für die Ureinwohner die jährliche Ankunft dieser Falter in großen Scharen als Symbol für die Rückkehr der Seelen der Ahnen.

Der Titel „The Goat Head“ lässt Rückschlüsse auf Baphomet (die Ziegengestalt) zu. Das bekannte Bild des Baphomet als Dämon in einem menschlichen Körper mit Kinnbart, gehörntem Ziegenkopf und -füßen, weiblichen Brüsten und einem Pentagramm auf der Stirn wurde vom Magier und Okkultist Éliphas Lévi im 19. Jahrhundert geschaffen und gilt für moderne Satanisten als das Abbild des Teufels.

Auch die weiteren Stücke Practising witchcraft (=Hexerei betreiben), The Curse Of Byron (=Der Fluch von Byron; hier trifft man ein weiteres Mal auf den Lord, in dessen Haus Literaturgeschichte geschrieben wurde), Calling Of The Shades (=Aufruf der Schatten) und Phantasmagoria (aus dem Griechischen =Wahnbild) führen nicht nur durch ihre Titel, sondern auch musikalisch den düsteren, okkultistischen und schaurigen Weg fort und liefern Klangwelten, um alte Gruselfilme in Schwarz-Weiß perfekt zu untermalen.
Das abschließende, über neunminutige Stück „Giftrausch“ überrascht mit Klängen, die an die österreichische Heimat des Trios erinnert. Kuhglocken sind zu vernehmen. Ebenso Vogelrufe. Alphörner und verschiedene Bläser. Eine überaus ruhige Stimmung. Dezente Percussions. Eine Kirchturmglocke schlägt, ehe der Song mit monotonem Trommeln zum Höhepunkt kommt, um anschließend leise auszuklingen…

Verortet in den Sparten Ritual und Dark Ambient ist „Haunted Summer“ sicherlich kein einfach zu greifendes Album. Und sicherlich kein Album für die Masse. Was seine Stärke ist. Es ist erfrischend anders. In einer Zeit, in der vieles gleichförmig und oftmals recht brav klingt, eine Wohltat.

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