Der Pressetext spricht von der „geheimnisvollen Stilikone“. Von der „Ausnahmemusikerin“, dem „gefragten Supermodel“, der „revolutionären Djane und Schauspielerin“. Tying Tiffany sei „die Neuschaffung eben jener Ikonen und Diven aus den Fünfzigern und Sechzigern, die als Musen von Gesellschaft und Künstlern gleichermaßen verehrt wurden“. Von „rassiger New Wave-Raffinesse“ ist ebenso die Rede wie von „einem alternative Zauber, wie man ihn sonst nur bei Ausnahmeformationen wie IAMX oder THE JEZABELS findet“. Auch der Vergleich mit SIOUXSIE AND THE BANSHEES wird nicht gescheut.
Superlativ über Superlativ. Ich war also gespannt, was die neuste Veröffentlichung der hübschen Italienerin zu bieten hat:
Schon lange ist es mir nicht so schwer gefallen, eine mit einem Genre-Etikett versehende Schublade für eine CD zu finden. Post-Punk? Nur bedingt. New Wave? Ebenfalls nur ein Teilbereich. Electro? Durchaus sind die Hauptbestandteile der Klangerzeugung elektronischer Natur. Doch ein dezenter Gitarreneinsatz erweitert den Sound. Handelt es sich um alternative Popmusik? Stellt dies aber nicht einen Widerspruch in sich dar? Letztendlich ist es einfach erfrischend, nicht alles mit einem Etikett zu versehen.
Die im Zusammenhang mit vielen Veröffentlichungen der letzten Monate oft zitierten Einflüsse der 80er Jahre haben ebenso auf „Dark Days, White Nights“ Einzug gehalten. Nichtsdestotrotz klingt das Album frisch, modern und eigenständig. Der eine oder andere Hörer dürfte etwas die Punk-Attitüde, die Tying Tiffany live auszeichnet und damit im vergangenen Jahr zumindest das Wave-Gotik-Treffen-Publikum spaltete, vermissen. Präsentiert sich die Musikerin doch unerwartet zerbrechlich. Keineswegs als die freche und forsche Frau, die ihre Texte herausschreit. Eher zurückhaltend und vielleicht sogar etwas wehmütig. Der eine oder andere Titel ist aufgrund seiner Rhythmik dennoch durchaus tanzbar.
Es gibt Musiktitel und Bands, auf die man spontan und urplötzlich Lust hat. Man kramt die Platten hervor und versinkt in die herbeigesehnten Klangwelten. Diesen, zugegebenermaßen schwer zu erreichenden Status konnte „Dark Days, White Nights“ (noch?) nicht erreichen. Wer sich allerdings nicht an den hochgesteckten und sicherlich kaum erfüllbaren Lobhuldigungen des Pressetextes orientiert, um zwangsläufig enttäuscht zu werden, könnte wie ich seinen Spaß an der interessanten Mischung haben. Zwar konnte mich das mit etwa 37 Minuten recht kurze Album nicht in Gänze gefangen nehmen und vollends in das Reich der dunklen Tage und hellen Nächte reißen, doch das stellenweise filigran wirkende Klanggebilde lud mich bereits zum wiederholten Hören ein. Sicherlich darf man von dieser Dame noch einiges erwarten…
www.tyingtiffany.com