12. - 13. Oktober 2018
HAMELN, RATTENFÄNGERHALLEEin Festival mit Sommer-Lineup in den Herbst zu packen, ist das eine. Aber dazu noch ein großes Lineup vor ein kleines Publikum in einer kleinen Stadt zu setzen, das ist schon mutig. Doch genau das ist das Konzept vom „Autumn Moon“, dem familiären Herbst-Festival in Hameln, das in diesem Jahr zum vierten Mal stattfand und erneut nicht mit Szenegrößen geizte.
Große Festivals haben aufgrund ihres Outdoorcharakters die Eigenschaft, im Frühjahr und Sommer stattzufinden. Vor vier Jahren dachte sich Panem et Circienses-Eigentümer Dominik Whrel, dass es doch auch im Herbst noch ein schönes, familiäres Festival geben sollte, und er holte kurzerhand das „Autumn Moon“ in die Rattenfängerstadt Hameln an der Weser. Schon bei der ersten Auflage waren Größen wie „Deine Lakaien“ und „And One“ am Start. Am Konzept hat sich seither nichts geändert, auch der familiäre Charakter ist geblieben, auch wenn das Festival 2018 das bisher bestbesuchteste war. Im Gegensatz zu den großen Sommerfestivals wie M’era Luna und WGT, die jeweils mit rund 20.000 Besuchern Massenveranstaltungen sind, kamen nach Hameln jedoch nur wenige tausend.
Bei dem durchweg hochkarätig besetzen Lineup kann das jährlich wachsende Besucheraufkommen aber auch nicht verwundern. Zu den Highlights zählte in diesem Jahr der Headliner-Auftritt von „Fields of the Nephilim“, die als Szene-Urgesteine schon seit 1983 Gothic-Rock zelebrieren. Die große Halle war zu deren Auftritt am Freitag auch richtig voll. Leider sah man dank des schier unendlichen Einsatzes von Nebelmaschinen größtenteils nur Silhouetten auf der Bühne. Doch der Sound war einwandfrei.
Co-Headliner waren die Schweden von „Covenant“, die am Samstag live von Haujobb-Gründer Daniel Myer unterstützt wurden. Bereits der Opener – der Clubhit „Der Leiermann“ – machte deutlich, dass es an diesem Abend ums Tanzen ging. „Covenant“ lieferten mit ihrer überzeugenden Performance den Beweis dafür ab, dass tanzbare elektronische Musik nicht zwingend einfach sein muss. Nicht ohne Grund hat diese Band die Elektroszene maßgeblich geprägt. Sänger und Mastermind Eskil hüpfte gut gelaunt und voller Dynamik über die Bühne; Daniel heizte das Publikum zusätzlich an. Erfreulicherweise arbeitet die Band gerade wieder an einem neuen Album, mit dem es Anfang 2019 in Deutschland auf Tour geht.
Auf dem „Autumn Moon“ blieb ebenso Zeit für neue Entdeckungen, die naturgemäß eher auf den kleinen Bühnen stattfanden. Auf der Schiffsstage (ja, das „Autumn Moon“ findet auch auf einem Boot statt) bewiesen „Reaper“ am Freitag zu früher Stunde, dass es auf dem Wasser wie im Fitnessstudio riechen kann – kein Wunder, wenn das Publikum zu den soliden Elektroklängen die Beine einfach nicht stillhalten kann. Ebenfalls auf dem Schiff spielten „Date at Midnight“ abwechslungsreichen, atmosphärischen Wave, der allerdings eher wenig tanzbar daherkam.
Druckvoller, wenn auch nur bedingt tanzbarer, wurde es bei dem gefeierten Newcomer „Wisborg“. Die klingen so, wie sie heißen: „Wisborg“ ist nämlich die (freilich erfundene) Stadt, in die der Vampir Nosferatu in Murnaus gleichnamigen Stummfilm seinen Schrecken verbreitet. Das Gruselthema passt zu der ausdrucksstarken Musik des jungen Duos, die klar von Punk und Wave der 80er beeinflusst ist. „Wisborg“ wurden bereits auf dem diesjährigen WGT gefeiert und konnten ebenfalls in Hameln überzeugen. Apropos Achziger: „The Essence“, die am Samstag auf der Moon Stage zu hören waren, gibt es bereits seit 1984. Ihre Sounds sowie die Stimme des Sängers klingen verdächtig nach „The Cure“ – und das klingt verdächtig gut. Leider sind die einzelnen Alben der Band aktuell nicht erhältlich.
„The Red Paintings“ aus Australien sind hierzulande noch eher unbekannt, aber das könnte sich bald ändern. Ihr Avantgarde-Rock wird von dadaistischen Bühnenoutfits und Livepainting begleitet. Ein wenig politisch wird es bei Songs wie „The revolution is never coming“ auch, was zum Habitus passt. Es gibt nicht nur Eigenkreationen zu hören, sondern zugleich gelungene, druckvolle Cover wie die von „Mad World“ und „They don’t care about us“. Dazu werden Menschen in schwarzen Anzügen und mit Weltkugeln auf den Köpfen live auf der Bühne mit fluoreszierenden Farben bemalt.
Das Fazit des „Autumn Moon 2018“: Entspannte Stimmung, nette Security, familiäre Atmosphäre, gut gelaunte Musiker und tolle Musik. In Hameln gibt es ein kleines, aber feines Festival zu entdecken, dem man noch viele weitere erfolgreiche Jahre wünscht.
Das „Autumn Moon 2019“ wird vom 18. bis 19. Oktober in Hameln stattfinden. Unter den ersten Bandbestätigungen sind „Das Ich“, „Merciful Nuns“ und „Solitary Experiments“. Infos – auch zum kostengünstigen Early-Bird-Vorverkauf – gibt es bald auf der offiziellen Webseite des Festivals.