Clint Lukas – Das schwere Ende von Gustav Mahlers Sarg

Der Autor ist mir durch das Buch „Für die Liebe, für die Kunst – Stories ohne Kompromisse“ bekannt. Deshalb klang der Buchtitel für mich schon sehr verführerisch. Da hatte ich noch nicht einmal den Klappentext gelesen.

„Das schwere Ende von Mahlers Sarg“ – eine chaotische Reise im Zeitraffertempo ausgehend von einer ofenbeheizten Altberliner Wohnung über Wien nach Jerusalem und wieder nach Berlin zurück.

Das Ganze mit echt vielen Strapazen und viel zu viel Alkohol. Und das alles nur, um ein Ziel zu erreichen. Ein selbstgesetztes Ziel. Eine Idee im Kopf, die es zu verwirklichen galt.

Der Klappentext:
„Daniel schlägt sich in Berlin mehr schlecht als recht durchs Leben und hält sich selbst für einen Romantiker. Erst als er für den Regisseur Julius Janker arbeitet, und Mahlers Gebeine durch Jerusalem trägt, als er in Wiener Nächten der Schönheit begegnet und eine Stunde im Puff sein Leben verändert, beschleicht ihn eine Ahnung, was Liebe alles anrichten kann… Clint Lukas lebt als Lesebühnenautor und Regisseur in Berlin. Diese limitierte Auflage seines Debütromans wird ergänzt durch seinen bisher unveröffentlichten Kurzfilm ‚Coke and Tarts‘, um dessen Entstehung sich dieser Roman u.a. dreht.“

Um es vorauszuschicken: der Romanheld Daniel ist Clint Lukas höchst selbst. Es ist seine Geschichte. Eine Geschichte im „Künstlermilieu“ – Sex, Drogen und Chaos. Wie er sich einem exaltierten Regisseur verpflichtet. Eigentlich als „Stagemanager“ engagiert und als Handwerker, Kulissenschieber und auch als Statist (Sargträger am schwereren Ende eines Sarges) wird Daniel mehr „Mädchen für Alles“. Aber als ziemlich abgebrannter Currywurstverkäufer bekommt Daniel die Finanzierung seines Filmes nicht gestemmt. Und er will der Aussichtslosigkeit, der Langeweile, der bleiernen Müdigkeit entfliehen. Außerdem kann man bei einer modernen Theaterinszenierung einiges an Erfahrung sammeln – was gut für die Realisierung des Filmes ist. Seines Filmes „Koks und Nutten“. Die Idee hierzu entsprang einem Erlebnis im Bordell.

Ja eine etwas „unanständige“ Welt kommt da in meine bürgerlichen Gemächer. Ja, eine andere Welt ist es schon. Aber Kreativität findet man wohl kaum in einem plüschigen Sesselüberwurf. Und bequemes Herumsitzen ersetzt keinen Mut. Und Mut braucht man schon, um ein kaum zu verwirklichendes Ziel überhaupt in Angriff zu nehmen.

Also auf nach Wien und beim Theater-Projekt „Mata“ mitwirken und Geld verdienen.

Trotz der turbulenten Aufbau- und Probezeit, Schlafmangel und Bierüberschuss – sowohl in Wien als auch später in Jerusalem – gelang es Daniel, sich sozusagen unsterblich zu verlieben. Hier unerfüllt und dort von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Berührend dazwischen: Daniel besucht im Hospiz Menschen, die sich auf die letzte Reise vorbereiten. Und nein, es wird nicht kitschig. Vielleicht ist es ja gerade das, was dann wirklich beeindruckt.

Übrigens mag man spekulieren und sinnieren: das Theaterprojekt „Mata“ handelt von Gustav Mahlers Ehefrau Alma. Was sicher auch Spekulationen Raum zu Vergleichen mit den Gefühlswelten des unerhörten Daniel gibt.

Dominik „Clint“ Lukas schreibt frech und unverfroren. „Schlimme“ Worte, die heutzutage zur Umgangssprache gehören, finden ihren Platz im Buch. Ein Buch von einer Lebendigkeit, die umwirft. Eine wunderbar unverkrampfte Sprache. Und ja, auch sehr reife Menschen können diese Rebellion, diesen Traum, auch diesen Zorn nachempfinden. Aber vielleicht bedarf es der ungestümen Jugend, um solch waghalsige Unternehmungen anzugehen. Trockener Humor, kühle Sachbeschreibungen, melancholisches Träumen wechseln sich ab. Clint Lukas erzählt offen und unverblümt. Dieses aber auf hohem Niveau. Nicht oberflächlich. So bleiben mehr als Einblicke in einen Lebensabschnitt. Einblicke in ein Leben. Das ist schon stark.

Was mir grinsender Weise sehr gut gefällt: schlimm-böse Vokabeln aus „der dunkelsten Zeit Deutschlands“ fallen immer wieder. Und es handelt sich schließlich um eine Art Nacherzählung – also real benutzte Worte! Auwei. Und Deutschland ist nicht untergegangen, kein Weltkrieg ausgebrochen und die NPD hat deshalb auch keine zwei Mitglieder mehr gewonnen. Der unaufgeregte Umgang der jungen Leute mit einem Erbe, welches nicht das ihre ist. Beneidenswert.

Letztendlich gelingt die Finanzierung des Filmes „Koks und Nutten“. Wenn auch der vorgeschobene Finanzier Freud (welch sinnfälliger Name in diesem Zusammenhang) imaginär bleibt.

Die Geschichte im Buch ist wohl ziemlich authentisch. Jedenfalls hat der Autor genauso versucht, Geld zu machen. Und seine Idee materialisiert sich in seinem Film, der als DVD – ein 30minütiger Kurzfilm „Coke and Tarts“ – dem Buch beiliegt.

„Das schwere Ende von Gustav Mahlers Sarg“ sollte nicht nur jungen aufstrebenden, zielsuchenden, potentiellen Lesern in die Hände fallen. Man kann immer irgendetwas Neues anfangen, man kann sich immer neue Ziele setzen. Das ist nicht altersgebunden. Ja gut, es geht auch eine Nummer kleiner als bei Clint. Aber das Wollen, der Mut – das ist entscheidend. Etwas tun. „Das schwere Ende von Gustav Mahlers Sarg“ kann durchaus als Anregung gelten. Und nicht zu vergessen: es ist auch sehr unterhaltsam.

Buch mit DVD, Klappenbroschur 216 Seiten
ISBN: 978-3-943876-55-0, DVD ab 18 Jahre

»  Clint Lukas
»  Verlag Periplaneta

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