Covenant – The Blinding Dark

Das erste, was an dieser Scheibe auffällt, ist ihr Artwork: Angenehm zurückhaltende Muster vor düsterem Grün, Bäume recken ihre winterlich nackten Zweige in einen dunklen Himmel. Geheimnisvoll, dunkel, einsam – passende Attribute für das neueste Album einer Electro-Größe, die einem breiteren Publikum am ehesten durch scheinbar ewig währende Tanzflächenfüller wie „Der Leiermann“ oder „Dead Stars“ ein Begriff sein dürfte. Dabei sind die schwedischen Elektro-Musiker von Covenant viel mehr: Soundtüftler, Philosophen, Trendsetter ihres Genres. Neben tanzbaren Songs und kühlem Erwachsenen-Techno haben sie auch technisch anspruchsvolle Soundtracks für Dystopien kreiert.

Die Musik der Scheibe passt zum Artwork, irgendwie. Und doch wieder nicht. Es fällt überhaupt schwer, dieses Album einzuordnen. Zum ersten Mal hat man beim Anhören eines Covenant-Albums das Gefühl, dass man kein Machwerk aus einem Guss vorfindet, sondern einen Mix aus – ja, was eigentlich? Es fällt schwer, „The Blinding Dark“ abschließend zu beschreiben, so unterschiedlich sind die Tracks.
Bereits das erste Stück überrascht: Statt eines tanzflächentauglichen Beats erwartet nicht mehr als ein anschwellender Geräuschteppich die Hörer. Da muss man sich das erste Mal vergewissern, dass man wirklich Covenant hört und nicht versehentlich irgendeine Ambient-Scheibe eingelegt hat. Musikalisch führt der Opener in unbestimmte Tiefen, doch dabei bleibt es nicht.
Was für ein Bruch: Bereits die ersten Takte des nachfolgenden „I Close My Eyes“ klingen unverkennbar nach den Schweden; das heißt, nach modernem, kühlen Midtempo-Elektro zum Mitnicken, bei dem Joakims Stimme in vertrauten Strukturen von verlorenen Seelen und geschlossenen Augen singt.
Das nachfolgende „Morning Star“ geht in eine ähnliche Richtung, schwebt auf flächiger Kühle elegant durch einen luftleeren Raum, während „Cold Reading“ unverkennbar in Richtung Tanzfläche schielt und als Soundtrack für eine Flucht vor, sagen wir mal, bewaffneten Undercover-Agenten, jeden Actionfilm perfekt untermalen könnte.
Das dann folgende „A Rider On A White Horse“ markiert einen neuen Bruch, ist aber als Einzelkunstwerk schlichtweg genial. Covenant inszenieren den Lee-Hazelwood-Klassiker aus den 70er Jahren als verstörendes, schwermütiges Duett, das elegant vorführt, was elektronische Musik für subtile Traurigkeit hervorrufen kann. Hier beherrschen die Schweden die Klaviatur der Dunkelheit in gänzlich neuer, bewundernswerter Perfektion.
Die kurzen Interludes I und II ziehen zwischen diesen Tracks noch weiter hinab in die unergründlichen Tiefen des Openers; irritieren beim Hören, lassen ratlos zurück. „Dies Irae“ ist dann zwar ein lateinisch-klassischer Titel, aber die flächigen, hallenden Elektronik-Sounds dieses Songs zelebrieren die Leere auf eine sehr moderne Weise. „If I Give You My Soul“ schließt daran an – wieder technoid, kühl, postapokalyptisch und fast tanzbar.
„Summon your Spirit“ zelebriert dann den letzten Bruch: Ganz ohne Gesang hinterlässt der Ambient- Track mit seinen archaisch anmutenden Trommelrhythmen einen verstörenden Eindruck und beendet das Album.

Covenant haben das Experiment gewagt, ihren typisch rhythmischen Sound mit Ambient-Strukturen zu kombinieren, ohne daraus eine Einheit zu erschaffen. Das Resultat ist ein Album voller Brüche; voller Einzeltracks, die nicht recht zusammenpassen wollen. Songs wie „I Close my Eyes“ sind durchaus radiotauglich; Midtempo-Ohrwürmer erster Güte, die mit einer wohligen Schwere eine von Covenant noch nicht gekannte Leere zelebrieren. Die Partystimmung vergangener Alben ist endgültig einer großflächigen Traurigkeit, ja Resignation gewichen, die durch nichts gelockert oder gar aufgehoben wird. Covenant sind, so scheint es, endgültig erwachsen geworden – und das war immer schon ein trauriger Prozess.

„The Blinding Dark“ ist in vier verschiedenen Versionen erhältlich: Neben CD- und Vinyl-Ausgaben veröffentlicht das Label Dependent ein 2-CD-Artbook mit rein akustischem Zusatz und für die Nimmersatten gibt es noch ein limitiertes „Complete Boxset“, das enthält die Vinylversion, das 2-CD-Buch sowie Zusatzmaterial.

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