Wenn eine Band wie „Die Krupps“, die seit über drei Jahrzehnten mal mehr mal weniger aktiv ist, auftreten, könnte man meinen, dass die Vorgruppen eher schlechte Karten haben. Doch nicht so an diesem Abend, an dem von einer höflich abwartenden Zuhörermasse wenig zu bemerken war. Den beiden „einheizenden“ Bands wurde durchaus und verdientermaßen Aufmerksamkeit geschenkt.
25. Februar 2014
BERLIN, C-CLUBZuerst konnten „Chant“ – ein Mitbringsel von Krupps-Frontmann Jürgen Engler aus Austin/Texas – überzeugen. Die Bühne war gefüllt mit allerlei Schlagwerk. Diverse Trommeln, Becken, Fässer säumten deren Rand. Und anders als es für einen Schlagzeuger üblich ist, saß Bradley Bills nur selten hinter seinen Trommeln. Diese wurden stehend und hüpfend bearbeitet. Unterstützt wurde er von Kristopher Robin, der ebenfalls hin und wieder zu den Stöcken griff und ansonsten das Keyboard ziemlich grob herumschubste. Zeitweise hielt es Bradley Bills nicht einmal auf dem Boden. Die Kletteraktion auf eine große Trommel machte zwar einen äußerst wackeligen Eindruck, ging aber unfallfrei aus. Satte Töne, schnelle Wirbel – zeitweilig flogen die Arme beider Herren und erzeugten ein rhythmisches Feuerwerk. Umwerfend! Elektronische Konserven halfen nach und so sprangen aus den Lautsprechern solch voluminöse Schlagzeug-Klänge, dass ein vager Vergleich mit „Les Tambours du Bronx“ nicht ganz abwegig war – wobei hier natürlich zwanzig Gliedmassen und mehr für einen phantastischen Takt sorgen. Ein Musik-Konzept, das so vollkommen auf Schlagwerkzeuge aufgebaut ist, hat Seltenheitswert. Umso begeisterter wurde es aufgenommen. Insgesamt hatte „Chant“ einen beeindruckenden „Bums“, der auch optisch auf der Bühne unterstrichen wurde. Ein temperamentvoller Auftritt, der mit reichlich Beifall belohnt wurde.
Anschließend traten „Vigilante“ ins Scheinwerferlicht. Sänger und einziges reguläres Bandmitglied Iván Muñoz versteckte sein Gesicht hinter einer Anonymous-Maske. Auf einem provisorischen Papp-Schild waren die Worte „Nothing can stop us“ zu lesen. Der chilenische Musiker, dem live auf der Bühne zwei weitere Musiker zur Seite stehen, präsentierte laut und böse eine Mixtur aus aggressiven, technoiden Elektroklängen und harten Metal-Gitarrenriffs. Seinen Zorn auf die Zustände und Verhältnisse der Gesellschaften dieser Welt brachte er deutlich – sicht- als auch hörbar – zum Ausdruck. Immer wieder sprang er von der Bühne und tauchte im Publikum unter. Die kämpferischen Töne zwangen die Zuhörer zum Nicken und Wippen und vereinzelt zum Springen.
Was folgte, war eine viel zu lange Pause. Als würden „Die Krupps“ nur auf das Schreien, Johlen und Pfeifen warten. Die Anspannung stieg beinahe ins Unermessliche. Doch endlich hatten die „Urgesteine“ – Jürgen Engler, Ralf Dörper und Rüdiger Esch – ein Einsehen. Der Begrüßungs-Applaus brandete den Musikern umgehend entgegen. Hinter dem Schlagzeug nahm übrigens der bereits erwähnte Bradley Bills von „Chant“ Platz – eine durchaus auch körperlich bemerkenswerte Leistung. Am Bühnenrand stand das obligatorische Stahlophon – bestehend aus verschiedenen Stahlrohren, die Jürgen Engler mit aller Wucht u.a. bei Klassikern wie „Metal Machine Music“ und „Wahre Arbeit wahrer Lohn“ bearbeitete. Und auch sonst stand Jürgen Engler im Mittelpunkt des Geschehens – dynamisch, kraftvoll und laut.
Viele Titel des aktuellen Albums „The Machinist of Joy“ brachten „Die Krupps“ zu Gehör und die Masse damit zum Kochen. Die ansteigende Begeisterung bahnte sich Luft in einem zunehmenden Pogen – teilweise auch ohne Rücksicht auf Verluste. Electro Body Music – oh ja, die Körper wurden extrem bewegt. Voller Leidenschaft verstand es Jürgen Engler, sein Publikum mitzureißen. Und immer wieder stahl sich ein jugendliches freudiges Lächeln ins Gesicht. Der Jubel schien wie eine Streicheleinheit zu wirken. Ehe ein grandioses Konzert zu Ende ging und die erfreuten Konzertbesucher mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck in die Berliner Nacht entlassen wurden, durfte man sich noch bei drei Zugabe-Stücken austoben…
Fotos: Marcus Rietzsch
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