Live in Bayreuth: Fetisch:Mensch + Lisa Morgenstern

22. November 2013

BAYREUTH, DAS ZENTRUM

Ein Klavier, einen grandiosen Cellisten und einen Computer – mehr braucht die erst 21jährige Lisa Morgenstern nicht, um das Publikum in dem kleinen Raum zu fesseln. Nachdenkliche und sehr emotionale Texte – stimmgewaltig vorgetragen – sorgen hier und da für Gänsehautatmosphäre. Lisas Vortrag gleicht einem Seelen-Striptease. Tief lässt sie die Zuhörer in ihr Innerstes blicken. Und befördert hierbei sicherlich bei dem einen oder anderen lauschenden Gast versteckte Gefühle und verschüttete Gedanken an die Oberfläche. Die Musikerin offenbart zwei Gesichter – die starke Persönlichkeit einer jungen, selbstbewussten Frau, ebenso wie eine filigrane Zerbrechlichkeit. Wenn Lisa singt, zeigt sie ihre selbstbewusste Seite. Zwischen den Stücken erzählt sie u.a. von der Entstehung des neuen Albums. Schüchtern und zurückhaltend erscheint sie hier. Aufgeregt, nein, aufgewühlt sei sie. Dies sei ihr bisher wichtigstes Konzert. An diesem Abend erschien ihr erstes Album, das in Eigenregie bzw. mittels Crowdfunding entstand. Ganz ohne ein Label im Hintergrund. Mit ihren selbstkomponierten Stücken bewegt sich das Ausnahmetalent abseits der eingetretenen Pfade. Definitiv keine Musik für die Masse. Als Hörer muss man sich einlassen (wollen). Benni Cellinis kreatives Cellospiel (bekannt u.a. als Cellist der Band „Letzte Instanz“) ergänzt die Stücke perfekt. Er beschränkt sich nicht darauf, den Bogen über die Saiten gleiten zu lassen. Die Saiten werden ebenso gezupft und mit den Fingern angeschlagen. Zusätzlich sorgen Effektgeräte für unterschiedliche Klangschemen. Voller Leidenschaft geben sich die beiden Musiker den Stücken hin, die oftmals durch synthetische Rhythmen und Töne abgerundet werden.

Lisa führt die Anwesenden in ihr Erlebtes und ihr Fühlen ein. Der Einblick, den sie gibt, ist spannend und anspannend. Und löst gelegentlich Schauer aus, weckt eigenes Erinnern. Eine musikalische Reise in Gründe und Abgründe. Emotion pur. Ein wundervolles Konzert.

Lisa Morgenstern

 
Nach einer kurzen Pause wurde der Abend emotional fortgesetzt. Wobei Klavier und Cello durch Gitarre und Schlagzeug ersetzt wurden. In fast familiärer Atmosphäre präsentierten „fetisch:Mensch“ – erstmalig nur zu dritt – ihre „Kinderlieder“, eine auf Vinyl erschienene EP. Zentrale Figur war hierbei natürlich Sänger Oswald Henke, der die Stücke „lebte“ und mit vollen Körpereinsatz vortrug. Dessen Minenspiel jedes Wort unterstrich. Meinen Blick zog aber wiederholt auch Schlagzeuger Konrad Schubert auf sich, der sich nicht beschränkte, seinen Trommeln und Becken mittels gewöhnlichen Drumsticks Klänge zu entlocken, sondern auch Besen, Schlegel und sogar ein Streichbogen kamen zum Einsatz. Tim Hoffmann (Gitarre, Programmierung) vervollständigte das Trio, dessen Musik nur schwer zu verorten ist. Was durchaus sehr reizvoll ist. „fetisch:Mensch“ interessieren sich nicht für musikalische Grenzen. Rockende, auch mal metallisch klingende Riffs, variantenreiche Rhythmen und atmosphärische als auch mitreißende elektronische Klanggebilde verbinden sich zu einer abwechslungsreichen Mixtur, welche die Zuhörer in ihren Bann zog. Eines haben die einzelnen Titel aber alle gemeinsam: Eine gewisse Schwärze, die sie transportieren:

„Allein sein ist Stille
Still ist auch die Einsamkeit
Seelenstacheldraht – vernarbte Einsamkeit
Trauminfarkt plötzlicher Tod jeder Sehnsucht
Kinderherzen schlagen zart
Die Sonne versteckt sich hinter Zuckerwatte
Nur im Wunderland ist das Leben süß und das Lachen unbeschwingt
Und jede Raupe wird zum Schmetterling
Darf fliegen
Und nach einem Tag sterben
Bunt sterben – immerhin“

(aus „Kinderherzen“)

Neben den zahlreichen Höhepunkten in Form eigener Titel verstanden es „fetisch:Mensch“ auch mit einer Coverversion mitzureißen. Die Interpretation von Ideals „Erschießen“ fuhr unaufhaltsam in die Beine. Einfach grandios.

Doch auch dieser tolle Auftritt hatte irgendwann ein Ende. Allerdings nicht ohne die obligatorischen Zugaben, bei denen sich ein Überraschungsgast auf die Bühne gesellte: Sängerin Juliane Ihl – zusammen mit Henke und Hoffmann bei „Erblast“ bis zu deren Auflösung aktiv – unterstützte die Band bei zwei ruhigeren Stücken.

Herausragende Künstler sorgten für einen tollen Abend, an den sich gewiss der eine oder andere Gast gerne lange Zeit zurückerinnern wird.

Fotos: Marcus Rietzsch

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