„Spectre“ – das Schreckgespenst. Eine Anleihe an das Kommunistische Manifest? „Ein Gespenst geht um in Europa…“
Die bereits 1980 gegründete Band „Laibach“ (der deutsche Name für Ljubljana, Hauptstadt Sloweniens) erfreute sich im damaligen Jugoslawien von Tito nicht gerade eines staatlichen Wohlwollens. War schon der Name reine Provokation, waren es das Auftreten und die Verwendung beinahe eindeutig faschistischer Symbole (unter anderem) erst recht. Allen Verboten zum Trotz gab es dennoch Konzerte, Touren, Projekte – bis 1985 das erste Album erschien. Sänger Milan Fras traf 1982 auf die Band und ist heute das einzig verbliebene Mitglied aus dieser Zeit. Sein Erscheinungsbild ist ein Markenzeichen. Und seine Stimme einmalig.
Auch heute spaltet das martialische Erscheinungsbild und die teils irritierenden Texte die Hörerschaft. Von den Zuhörern wird Nachdenken und Verstehen erwartet. Um „Laibach“ musikalisch einordnen zu können, müsste man viele „Schubladen“ öffnen und könnte dieser Band trotzdem keinen eindeutigen Genre-Stempel verpassen. Zu vielschichtig präsentiert sich die Bandbreite: Pop, Techno, EBM, Post-Industrial, Post-Punk, Avantgarde. Krachend oder hymnisch, auch konzertant, melodisch oder aggressiv. Laibach „bedient“ sich bei der „leichten“ Musik (beispielsweise Disco oder Techno) ebenso wie bei der Klassik. Die Konstante ist die Überraschung, die jedes neue Album hervorruft.
Laibach ist politisch. Und rechnet mit der politischen Manipulation ab. Laibach verweigert sich einem Rechts-Links-Schema. Vielleicht, nein, ganz sicher sind sie mehr als ein Musikprojekt.
Acht Jahre nach dem letzten Studio-Album erschien Ende Februar 2014 „Spectre“. Und wie immer war es eine Überraschung. Die Zweideutigkeiten sind klarer Positionierung gewichen. Schon der erste Titel „The Wistleblowers“ weist auf Edward Snowden hin, auf die allumfassende Ausspionierung von Bürgern, Politikern, Unternehmen. Und am Ende steht das Stück „Koran“, der nun auch nichts mit einer freiheitlichen Grundordnung zu tun hat. Letztendlich ist es dann doch wieder zweideutig. Gerade der erste Titel kommt mit einem verspielten Tralala daher. Was nun gar nicht so zum Thema passen mag. Musikalischer Ausdruck und kritischer Anspruch kollidieren. Nicht nur bei „The Wistleblowers“. Oft sehr tanzbar, hypnotisch, melodisch. Mitreißend. Und doch geht es um Verrat, um Europas Krise, aktuelle Politik, menschenverachtende Machtstrukturen und die hässliche Fratze des Kapitalismus.
Auch mit „Spectre“ verwirrt Laibach. Wie immer. Aber das wollen wir gutwilligen Hörer ja genauso haben. Spannend, gelungen. Kontrastreich die weibliche Gesangstimme von Mina Špiler im Vergleich zur extrem dunklen Stimme mit Schwulst und Härte von Milan Fras.
Laibach, ein Gesamtkunstwerk.
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